„Wahre Werte“: Für die Real-Estate-Branche sind Büroimmobilien immer wichtiger geworden. Nun ist auch hier vieles im Wandel. Zum Thema Assetklasse Büro äußert sich dieses Mal Wolfgang Schuhmann von der DNA-Akademie.
Mobiles Arbeiten ist und bleibt fester Bestandteil der Büroarbeit. Dadurch steigt die Leerstandsquote in Büroimmobilien allein an den Top-7-Standorten in Deutschland auf etwa acht Prozent (USA 20 Prozent) – das sind über sechs Millionen Quadratmeter. Experten der DNA-Akademie haben sich dieser Herausforderung gestellt und Lösungskonzepte für eine bessere Nutzung von Büroflächen im Bestand und im Neubau erarbeitet. Das Konzept heißt Add Office = Büro plus Mehrfachnutzung. Additiv meint quantitativ, beinhaltet hier aber auch das Anpassen an neue, andere Umstände bzw. neue Qualitäten einzubringen.
Mit „Adaption“ sind Vorgänge gemeint, mit denen sich ein reaktionsfähiges System auf von außen einwirkende Reize oder Störgrößen einstellt. Übersetzt in die Welt der Büros bedeutet dies für uns: Abhängig von der DNA eines Unternehmens werden – in Beziehung zu Standort und Umfeld – neue, zusätzliche Funktionen für Räume und damit für Unternehmen entwickelt und vermarktet. Unternehmen öffnen sich nach außen in einer Art, die Menschen anzieht und mit wirkungsvoll präsentierten Angeboten bindet.
Im Rahmen eines Add-Office-Konzeptes werden Kantinen zum Beispiel abends zur Bar für die Belegschaft. Mitarbeitenden können sie für ihre privaten Feste angeboten werden oder Vereine vor Ort nutzen sie für Events. Auch Ausstellungen und sogar Theater- oder Kinovorstellungen sind dort realisierbar.
Fort- und Weiterbildung finden in Seminarräumen statt – technisch bestens ausgestattet und im Normalfall ebenfalls nicht rund um die Uhr belegt. Ein Add-Office-Unternehmen könnte diese Räume Bildungsträgern vor Ort, etwa der VHS, für deren Kurse zur Nutzung anbieten. Auch denkbar: Kleinere Firmen, die über derartige Räumlichkeiten nicht verfügen, werden eingeladen, ihre Workshops dort abzuhalten. Selbstständigen und Freelancern werden Coworking- Arbeitsplätze angeboten. Neue Kooperationen und Synergien entstehen, an die vorher nie jemand gedacht hat.
Mobile Arbeit verstärkt den Trend, dass Beschäftigte teilweise weiter entfernt vom Firmensitz wohnen oder Teams standortübergreifend zusammengestellt sind und bei Zusammenkünften Übernachtungsmöglichkeiten benötigen. Wer „add-on“ denkt, denkt weiter und generiert Räume, die eben noch als Besprechungszimmer und später als Räume für Übernachtungen genutzt werden können. Weitere geeignete Räume könnten darüber hinaus in kleine Oasen der Fitness und/oder der Erholung umgewandelt werden. Genutzt werden diese von allen, die genau daran Bedarf haben: Kunden, Mitarbeitende, Gäste, vielleicht sogar andere Reisende. Parkplätze können über Nacht Anwohnern oder Besuchern vermietet, E-Ladesäulen gemeinsam genutzt werden.
Oder wie wäre es mit dem Aufbau eines kleinen Kulturzentrums? Mit Fluren und Gängen, aber auch mit Räumlichkeiten, die multifunktional für Galerien und deren Ausstellungen oder für regionale Museen, für Projekte mit Schulen, etwa im Rahmen der Kunstvermittlung, verwendet werden können. In Büros, in denen zukünftig vielleicht 40 Prozent Leerfläche vorhanden ist, kann praktisch alles „einziehen“, was das Leben rund um das Unternehmen abbildet und woran Bedarf besteht. In eher ländlichen Gegenden werden die Konzepte mit Sicherheit andere sein als in der Stadt oder in stadtnahen Regionen. Es geht nicht darum, etwas vollkommen Beliebiges im Unternehmen zu installieren, sondern genau das, was zum Unternehmen und seiner DNA passt, und das, was vor Ort gebraucht wird.
Das übergeordnete Ziel eines Add-Office ist es, dass Unternehmen zu einem Anziehungspunkt für Menschen außerhalb der „normalen“ Kunden- und Mitarbeitenden-Kreise werden. Regionaler Bezug und ein hoher Bekanntheitsgrad sorgen dafür, dass Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv werden – und bleiben. Wenn Unternehmen ihre „Werte“ nicht nur im Unternehmen, sondern in der Öffentlichkeit leben, ziehen sie Menschen und Mitarbeitende an. Möglicherweise liegen auf den Unternehmer-Schreibtischen dann auf einmal sehr viel mehr Initiativbewerbungen als es offene Stellen gibt.