Wenn sich jemand mit New Work auskennt, dann sie: Swantje Allmers gründete das Beratungsunternehmen New Work Masterskills. Sie ist Co-Autorin des Bestsellers „On the Way to New Work“ und eine der gefragtesten Stimmen zum Thema HR und Arbeitswelt. Wir sprachen mit ihr über den Status quo der „neuen Arbeit“.
OFFICE ROXX: Frau Allmers, wie sind Sie zum Thema New Work gekommen?
Swantje Allmers: Ich habe in meinem Berufsleben als Angestellte sehr unterschiedliche Arbeitserfahrungen gesammelt: gute, aber auch schlechte – wie wahrscheinlich viele von uns. Insbesondere bei den schlechten habe ich oft gedacht: „Das muss doch irgendwie besser gehen.“ In meiner anschließenden Selbstständigkeit habe ich mit Teams und Führungskräften daran gearbeitet, genau das zu erreichen. Später konnte ich dann auch Projekte umsetzen, bei denen es darum ging, ganze Bereiche und Organisationen umzugestalten sowie Zusammenarbeit neu zu gestalten. Dem Begriff „New Work“ habe ich damals nicht viel Beachtung geschenkt. Erst vor vier oder fünf Jahren habe ich realisiert, dass er das umfasst, wohinter ich stehe und was mein Antrieb ist, diese Arbeit zu machen.
Wie definieren Sie New Work?
Für mich geht es bei New Work primär darum, Arbeit zu etwas zu machen, das Menschen stärkt. Das meint nicht, die auf oder mit der Arbeit verbrachte Zeit zu minimieren und Menschen durch Benefits motiviert zu halten. Vielmehr geht es darum, dass wir Arbeit so gestalten, dass sie Sinn ergibt, wir unsere Stärken und Talente einbringen und Menschen dabei beruflich und persönlich wachsen können. In der Praxis hat das viele Facetten, weshalb New Work auch ein nie abgeschlossener Prozess ist und kein Zustand, den es zu erreichen gilt.
Welche Rolle spielt New Work heute in Ihrem Leben?
Ich habe es zu meinem Beruf gemacht – also eine ziemlich große. In unserem Unternehmen begleiten wir Menschen, Organisationen und Teams dabei, New Work für sich zu definieren und ganz konkret in die Praxis umzusetzen. Auch für mich persönlich hat das Grundverständnis von New Work viel Relevanz. Es gibt mir die Freiheit, entsprechend meinen Stärken arbeiten zu können und auch so zu arbeiten, dass es zu meiner Persönlichkeit passt. Was übrigens nicht heißt, dass ich dabei nicht auch Kompromisse eingehe, denn Arbeit ist ja Teamplay. Für mich ist mein heutiges Arbeitsumfeld das motivierendste, das ich jemals erlebt habe. Dafür bin ich sehr dankbar.
Obwohl das Konzept „New Work“ Jahrzehnte zurückreicht, trendet es „erst“ seit etwa 15 Jahren. Zwischenzeitlich wuchs auch die Kritik. An welchem Punkt der Entwicklung sehen Sie New Work heute?
Dass es jetzt auch Gegenwind und Kritik gibt, halte ich für gesund. Denn in der Phase, in der New Work fast schon ein Hype war, ist auch vieles an der Oberfläche geblieben und stark vereinfacht worden. Insofern tut es gut, wenn der Begriff etwas mehr hinterfragt wird. Durch diese Debatten hat sich auch einiges bewegt. Themen wie zeitliche und räumliche Flexibilität, neues Führungsverständnis, Fachkarrieren, Vereinbarkeit, mentale Gesundheit, Arbeit und Führung in Teilzeit sind in der Breite angekommen und eine Auseinandersetzung mit ihnen lässt sich nicht mehr umgehen. Das ist ein Erfolg, für den wir dankbar sein können. Auch wenn es noch viel zu tun gibt. Ein „fertig“ wird es bei dem Thema ohnehin nicht geben, dafür ist die Dynamik in der (Arbeits-)welt zu hoch.
Reden wir eigentlich nur in Deutschland von einer New-Work-„Revolution“, während andere Länder die entsprechende Entwicklung als übliche Evolution erleben?
Ich finde nicht, dass wir in Deutschland eine New-Work-Revolution für uns beanspruchen können. Wir haben definitiv Fortschritte gemacht, aber eher mit der Geschwindigkeit einer Evolution und den üblichen Schritten vor und zurück. Bei Themen wie Bildung und Diversität bzw. Vereinbarkeit liegen wir im internationalen Vergleich deutlich zurück. Grundsätzlich ist eine Revolution aber auch gar nicht so erstrebenswert, denn die Menschen und Unternehmen müssen die Veränderung ja auch noch integrieren. Bei zu schnellen Veränderungen bleiben viele Menschen auf der Strecke und das kann nicht das Ziel sein.
Das Büro steht nun in Konkurrenz zum Homeoffice. Deshalb sollte es so gestaltet sein, dass man dort gern hinkommt.“
Swantje Allmers
Ist das Büro nun tot oder einfach nur überall?
Nein, es ist in keiner Weise tot. Hier denken leider viele noch in einem Entweder-oder-Schema statt in einem Sowohl-als-auch. Wir werden weiterhin Orte brauchen, an denen Menschen zum Arbeiten zusammenkommen. Denn bestimmte Tätigkeiten wie Kreativworkshops, emotionale Gespräche, Teambuilding oder Onboarding lassen sich in Präsenz oft besser umsetzen. Aber für das Abhalten stundenlanger Videokonferenzen oder das konzentrierte Erledigen von Aufgaben muss man nicht ins Büro kommen. Wer möchte, dass die Menschen das Büro wieder als eine Option sehen, sollte sich allerdings bewusst sein, dass dieses nun in Konkurrenz zum Homeoffice steht und deshalb so gestaltet sein muss, dass man dort gern hinkommt.
Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Dennoch erwarten laut einer aktuellen Studie zwei Drittel der CEOs, dass viele Mitarbeitende in den nächsten Jahren wieder ins Büro zurückkehren werden. Eine vertane Chance?
Hier ist wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens. Viele Führungskräfte haben noch nicht gelernt, was es bedeutet, hybrid zu führen, und wie das geht. Daher wäre es ihnen natürlich lieber, wenn einfach alle wieder ins Büro kommen würden. Das ist aber weder der sinnvollste Weg, noch wird es sich erreichen lassen. Homeoffice und Remote Work lassen sich nicht mehr wegdiskutieren. Wir haben aber definitiv Aufholbedarf, was hybride Führung und gute Zusammenarbeitsmodelle im hybriden Kontext angeht. Denn am Ende muss es natürlich für alle Beteiligten funktionieren. Da kommen wir aber auch hin mit mehr Übung.
Was ist wichtig, damit Remote Work bzw. Hybrid Working für beide Seiten funktioniert?
Dass man mit gesundem Menschenverstand, gegenseitigem Verständnis, in guter Intention und vor allem gemeinsam an die Sache rangeht. Ganz konkret kann das bedeutet, dass man sich im ersten Schritt überhaupt erst mal austauscht und zuhört. Also zum Beispiel: Wer kann wo und wie am besten arbeiten? Was funktioniert, was nicht? Wer hat zu welchen Themen Vor-Ort-Bedarf bzw. Remote-Bedarf und warum? Basierend auf einem gegenseitigen Verständnis ist es dann wichtig, ein paar grundlegende Prinzipien für das Team zu finden, die erfüllt sein sollen. Natürlich spielen auch die spezifischen Aufgaben eine Rolle und die Frage, wo diese am effizientesten gelöst werden können. Das Team sollte allerdings darauf schauen, dass nicht rein aufgabenorientiert an die Sache rangegangen wird, sondern auch Teamkultur und Zusammenhalt valide Gründe sind, gelegentlich zusammen zu kommen.
Bei der ganzen Diskussion darf nicht außer Acht gelassen werden, dass hybride Zusammenarbeit gar nicht so exotisch und neu ist, wie gelegentlich getan wird. Unternehmensberatungen, Vertriebsteams im Außendienst und international verteilte Teams arbeiten beispielsweise schon lange im Hybrid-Modus. Hier lässt sich auch einiges übernehmen.
Es ist ein Fehler, alle Mitarbeitenden ohne Erklärung zu 100 Prozent ins Büro zurückzuholen.“
Swantje Allmers
Was sind Fehler, die man hier vermeiden sollte?
Ich halte es für einen Fehler, alle Mitarbeitenden ohne Erklärung zu 100 Prozent ins Büro zurückzuholen. Ein weiterer Fehler ist der Wunsch nach einer Hybrid-Regelung, die für alle Menschen im Unternehmen passt. Denn hier gibt es kein One-fits-all, weil Menschen und Aufgaben sich voneinander unterscheiden. Es macht außerdem keinen Sinn, davon auszugehen, dass die einmal gefundene Lösung nicht wieder hinterfragt werden muss. Gute Hybrid-Lösungen wird man nur über Experimente und Ausprobieren hinbekommen. Und zuletzt ist es ein Fehler, Top-down vorgeben zu wollen, wie in Zukunft gearbeitet wird. Die Menschen im Unternehmen müssen daran beteiligt werden, gute Lösungen zu entwickeln. Denn das sind die Personen, die am besten einschätzen können, was funktioniert und was nicht, und die später auch damit leben müssen.
Wie stehen Sie zur Vier-Tage-Woche?
Die Vier-Tage-Woche ist für mich eine mögliche Umsetzung von mehr Arbeitszeitflexibilität. In einigen Berufen kann das sehr gut funktionieren und da halte ich es für eine gute Möglichkeit, Vereinbarkeit und mentale Gesundheit zu verbessern. Aber in anderen Berufsfeldern wird man sich zumindest in naher Zukunft andere Lösungen einfallen lassen müssen, um den Menschen mehr Spielraum zu geben. Was ich nicht für sinnvoll halte, ist, wenn die New-Work-Debatte auf dieses eine Modell reduziert wird. Denn bei New Work geht es nicht darum, dass Arbeitsbedingungen und Zusammenarbeit gleich schlecht bleiben und wir es dadurch erträglicher machen, dass die Zeit am Arbeitsplatz reduziert wird. Arbeit muss als solche sinnvoller und besser gestaltet werden.
BUCHTIPP:
Swantje Alimers, Michael Trautmann, Christoph Magnussen: On the way to New Work. Wenn Arbeit zu etwas wird, was Menschen stärkt*, Vahlen (2022), 412 S., 24,90 €.
Was halten Sie vom Coworking?
Coworking Spaces sind für mich persönlich keine Präferenz, da ich mehr Ruhe brauche und einen festen Ort mit Tür bevorzuge. Das liegt aber auch an der Arbeit, die ich mache, wenn ich im Büro bin. Mir ist natürlich bewusst, dass es ganz tolle Coworking Spaces gibt, dass viele Menschen sehr gut darin arbeiten können und vom gegenseitigen Austausch profitieren. Insofern gehört es für mich unbedingt in den Mix an Optionen, um den eigenen Präferenzen entsprechend zu arbeiten.
Ist Workation mehr als eine pandemiebedingte Zeiterscheinung?
Ja, auf jeden Fall. Es ist beispielsweise sehr verlockend, drei Wochen an einem tollen Ort zu verbringen und nur zwei Wochen Urlaub zu verwenden, indem man auch von dort aus arbeitet. Hierdurch lässt sich das Leben in Summe reichhaltiger gestalten. Allerdings ist es auch eine Frage der Persönlichkeit, ob man das möchte oder nicht. Bei manchen Menschen führt es dazu, dass sie keine wirkliche Urlaubserholung haben, weil sie permanent in Gedanken bei der Arbeit sind, nachdem sie morgens ihre E-Mails bearbeitet haben. Mal davon abgesehen, dass es nicht jedem möglich ist, die eigene Arbeit überall mit hinzunehmen.
Und schließlich die jüngeren Generationen: Wo liegen wirklich die Unterschiede?
Es gibt eigentlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ganz pauschal kann man sagen, dass sich die jüngere Generation Sinn, Flexibilität, Entwicklungsmöglichkeiten und ein faires Gehalt wünscht. Gleichzeitig möchte sie mental gesund bleiben und auch noch Zeit für ein Privatleben haben. Das wünschen sich die älteren Generationen aber auch. Hierzu gibt es zahlreiche Studien, die das belegen. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass die Jüngeren dies selbstbewusster einfordern und zur Bedingung machen. Das provoziert natürlich manchmal, weil sich Menschen denken: „Arbeite doch erst mal 20 Jahre, bevor du dir das rausnimmst.“ Die Zeiten haben sich aber nun mal geändert und die Gen Z steigt heute ins Arbeitsleben ein, wo genau diese Themen in der Breite diskutiert werden. Zusätzlich hat sie Rückenwind durch den Fachkräftemangel und kann sich durch Social Media mit anderen vergleichen. Am Ende werden alle davon profitieren, wenn sich die Arbeitsbedingungen weiter an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Und ein wenig Übertreibung und Selbstfindung muss man jungen Menschen auch zugestehen, ohne sie gleich zu verurteilen.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.