Der Büroeinrichtungsverband IBA wird im Herbst dieses Jahres 100 Jahre alt. Wir sprachen mit dem Verbandsvorsitzenden Helmut Link über Meilensteine, aktuelle Entwicklungen und künftige Herausforderungen der Branche.
OFFICE ROXX: Herr Link, 100 Jahre – wie begeht der IBA sein großes Jubiläum?
Helmut Link: Wir nehmen unsere Herbstmitgliederversammlung am 5. Oktober 2023 in Wiesbaden zum Anlass, um in die Zukunft zu schauen. Konkret werden wir uns mit dem Metaverse und dessen möglichen Umsetzungen und Auswirkungen für unsere Branche beschäftigen. Natürlich gibt es auch einen festlichen Teil. Schließlich ist ein 100-jähriges Bestehen in der deutschen Verbändelandschaft etwas Besonderes.
Wie kam es zur Gründung des Verbands und was prägte die ersten Jahrzehnte?
So ganz genau lässt sich das gar nicht sagen. Wie so oft gab es nicht den einen Anlass, der zur Gründung geführt hat und auch keinen festen Stichtag. Vielmehr fanden sich in den frühen 1920er-Jahren die Hersteller von Büromöbeln aus Holz zusammen, um über Messen, Normen und den Export ihrer Möbel zu sprechen. Der Herbst 1923 kann als Gründungszeitraum gelten, weil aus dieser Zeit die ersten Protokolle stammen – ein Beleg dafür, dass die Zusammenarbeit zu diesem Zeitpunkt institutionalisiert wurde. Später wurden Büromöbel immer mehr aus Blechen und Stahl gefertigt, sodass neue Hersteller entstanden und diese zum Verband hinzukamen. 2000 wurden schließlich auch die Sitz- und Objektmöbelhersteller Teil des Verbands und in den letzten Jahren haben wir die Mitgliedschaft für Dienstleister und Produzenten anderer Büroeinrichtungsgegenstände geöffnet. Dass sich innerhalb von 100 Jahren parallel dazu auch die Themen verändert haben, liegt auf der Hand.
Die Messe der Büroeinrichter ist in Deutschland traditionell die Orgatec in Köln. Ihr Verband ist der ideelle Träger. Wie hat sich die Messe über die Jahrzehnte entwickelt?
Bis in die frühen 1970er-Jahre stellten die Büroeinrichter in Hannover aus. Sie waren Teil der „Fachmesse Bürowirtschaft“, aus der später die Cebit hervorging. Bürotechnik war seinerzeit das ganz große Ding und bei den Büromöbeln rückte die Ergonomie in den Fokus. Damit war aber auch die Zeit reif für mehr Eigenständigkeit und Freiräume. Daher beschlossen die Büromöbelhersteller, 1975 nach Köln umzuziehen, und legten so den Grundstein für die schrittweise Entwicklung von einer Produktmesse zur internationalen Leitmesse für moderne Arbeitswelten. Heute stehen bei der Orgatec nicht mehr spezifische Funktionen einzelner Produkte im Vordergrund, sondern deren Anwendung in einem veränderten Kontext oder kurz der Wandel der Arbeitswelt.
Nach dem coronabedingten Ausfall der Orgatec 2020 hat die Messe 2022 wieder ein Achtungszeichen gesetzt. Wie laufen die Planungen für 2024?
Lassen Sie es mich so sagen: Vom 22. bis zum 25. Oktober 2024 sollten Sie sich definitiv nichts anderes vornehmen. Gemeinsam mit der Koelnmesse arbeiten wir mit Hochdruck, aber auch viel Spaß an einem Marktplatzkonzept. Die gesamte Messe wird neu aufgestellt. Eingeschliffene Wege werden durch neue Möglichkeiten ersetzt. Unser Verband wird mit dem IBA Forum und seinen Partnern ein recht umfangreiches Work-Culture-Festival beisteuern. Dazu gehören neben Vorträgen, Workshops und Thinktanks zur Arbeit der Zukunft auch neue Präsentationsformate für die Aussteller und Elemente, die bisher nicht auf der Messe zu finden waren. Wir sind zwar noch in einem frühen Planungsstadium, aber einen ersten Eindruck von dem neuen Messeauftritt bekommen Sie schon jetzt online unter www.orgatec.de und spezifisch für das Festival finden Sie erste Informationen im IBA Forum unter www.iba.online.
Wie viele Mitglieder hat der IBA eigentlich und wie groß ist der Anteil, den diese heute an der Branche repräsentieren?
Aktuell haben wir 80 Mitglieder. Bezogen auf unser Kernsegment, die Hersteller von Büro- und Objektmöbeln, decken wir gut 85 Prozent des Marktes in Deutschland ab. In Europa bildet der IBA den stärksten Verband im Bereich der Büroeinrichter.
Was gehört alles vorrangig zum Aufgabenspektrum des IBA?
Die Aktivitäten des IBA lassen sich in drei Segmente einteilen. Die traditionellen Aufgaben eines Fachverbands mit Normung, Statistik, PR und internem Berichtswesen. Ein weiterer wichtiger Zweig unserer Verbandsarbeit ist die Kommunikation nach außen. Schon in den 1990er-Jahren setzte der Verband mit der Herausgabe fachlich fundierter Informationen Zeichen. Mittlerweile betreiben wir mit dem IBA Forum eine breit angelegte Kompetenzplattform für die Auseinandersetzung mit der Zukunft der Arbeit. Wir sind Herausgeber von Trendstudien und ideeller Träger der Orgatec, deren Weiterentwicklung wir mit Energie vorantreiben. Das dritte Aktionsfeld betrifft die Digitalisierung mit dem 1996 vom Verband der Büromöbelindustrie, einem Vorläufer des IBA, initiierten OFML-Datenstandard und den darauf aufbauenden Services.
Wie ist die Büroeinrichtungsbranche in Deutschland bislang durch die Krise gekommen, die 2020 begann?
Letztendlich ganz gut. Was uns hilft, ist der tiefgreifende Wandel der Arbeitswelt und die Tatsache, dass sich die einzelnen Unternehmen sehr frühzeitig darauf eingestellt haben – mit neuen Produkten, Einrichtungskonzepten und dem notwendigen Umbau in der Produktion. Vor allem bei der Herstellung von Korpusmöbeln gab es weitreichende Möglichkeiten, durch Digitalisierung effizienter zu werden. Diese wurden konsequent genutzt. Es ist durchaus beeindruckend, heute eine Möbelfertigung zu besuchen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch die Stärken, die im Handwerk liegen, gepflegt. Eine schöne Naht ist immer noch ein Qualitätsmerkmal, das auch ein Laie erkennt. Insgesamt ist die Branche damit flexibler geworden. Und es ist den Mitgliedern des IBA ganz gut gelungen, die anfänglichen Lieferengpässe bei Vorprodukten und diversen Materialien aufzufangen. All das hat der gesamten Büroeinrichtungsbranche in Deutschland geholfen, denn natürlich profitiert auch der Handel, wenn die Hersteller Chancen nutzen und Herausforderungen meistern.
Was sind die aktuellen Trends in der Büroeinrichtung?
Büroarbeit heute ist geprägt durch Variabilität, Individualität sowie ein starkes Gewicht auf Kommunikation und Zusammenarbeit. Büroeinrichtungen müssen sich somit flexibel an verschiedene Formen der Nutzungen anpassen lassen. Büros müssen aber auch geeignet sein, die Unternehmenskultur erlebbar zu machen, und wir brauchen viel mehr Platz für Kommunikation und Kollaboration. Der war in den meisten Unternehmen schon vor Corona knapp. Wenn jetzt Beschäftigte in die Büros kommen, weil sie sich mit ihren Kollegen treffen wollen, werden die vorhandenen Angebote nicht mehr ausreichen. Dem gilt es, mit intelligenten Konzepten gegenzusteuern. Gleichzeitig sind mehr Services gefragt. Denn natürlich wollen Unternehmen wissen, wie effizient ihre Flächen genutzt werden, vor allem aber wollen die Beschäftigten wissen, wann sie wen im Büro antreffen. Gleichzeitig begünstigt das gestiegene Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit nun endlich Produkte, die auf Langlebigkeit ausgerichtet sind und die repariert werden können.
Es gibt aber auch Trends, die noch ganz am Anfang stehen. Bei den Einrichtungen sind das die Ruhebereiche. Durch die zunehmende Digitalisierung sind wir in unserer Arbeit alle viel enger getaktet als früher. Unternehmen werden deshalb künftig mehr Raum für Auszeiten anbieten müssen.
Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Profitiert die Branche von der gestiegenen Anzahl dieser Zweitbüros?
Aktuell nur in geringem Umfang. 2020 stieg zunächst die Nachfrage nach Drehstühlen für das Homeoffice spürbar an. Etwas später waren dann auch vermehrt kompakte Sitz-/Stehtische gefragt. Inzwischen trägt die Ausstattung der Homeoffices aber kaum noch zum Branchenumsatz bei, was übrigens nicht nur für ergonomische Produkte aus deutscher Produktion, sondern auch für die billigere Importware gilt. Der Bedarf, die dauerhaft genutzten Arbeitsplätze im heimischen Umfeld besser auszustatten, ist allerdings nach wie vor da. Forsa hat gerade im Auftrag des IBA Beschäftigte nach dem aktuellen Stand der Ausstattungen ihrer Homeoffice-Arbeitsplätze gefragt. Knapp die Hälfte (48 Prozent) sieht für ihre Homeoffices in Sachen Ergonomie im Vergleich zu der Ausstattung im Büro noch klaren Nachholbedarf. Es bleibt abzuwarten, ob das in den nächsten Jahren wieder zu einem Nachfrageschub führt. Grundsätzlich nähern wir uns aber bei den Themen Homeoffice und hybride Arbeit einer neuen Normalität. Die Unternehmen und ihre Beschäftigten finden bei der Aufteilung der Arbeitszeit und zwischen verschiedenen Arbeitsorten immer bessere Lösungen zur Steigerung der Produktivität. Hier werden sich die Konzepte für die Büros, aber auch die Anforderungen an das mobile Arbeiten im Homeoffice oder anderen Bereichen noch weiterentwickeln.
Vor allem Zahlen aus den USA lassen befürchten, dass es auch hierzulande bald nie da gewesene Büroflächenrückgänge geben könnte. Wie würde sich das auf die Büromöbelbranche auswirken?
Es gibt ja auch in Deutschland erste Anzeichen, die auf eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so extreme Entwicklung hindeuten. Das wird Folgen für die deutsche Büromöbelbranche haben. Aber es wäre falsch, den Trend nur als Gefahr zu betrachten. In ihm liegt auch eine Chance. Denn nicht nur bei den Flächen gibt es derzeit die Tendenz zu „lieber weniger, aber dafür besser“. Die kleineren Flächen müssen schließlich an neue Anforderungen angepasst werden. Hinzu kommt, dass wir mindestens die nächsten zehn Jahre mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Da wird es zunehmend schwieriger, als Arbeitgeber mit einem schlecht ausgestatteten Büro zu punkten. Aus einer Reduktion der Flächen könnten sich zudem Potenziale für bislang nur mäßig gefragte Services wie beispielsweise Shared Offices oder gemeinsam genutzte Flächen sowie auch sehr flexibel eingerichtete Räume ergeben. Über den Einsatz digitaler Analyse- und Buchungstools können wir zukünftig die Wissensarbeit noch viel effizienter gestalten.
Vor welchen Herausforderungen steht Ihre Branche noch?
Wie alle Branchen kämpfen wir mit massiv gestiegenen Kosten und der Arbeitskräftemangel trifft auch uns. Vor allem aber gilt es, mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Mit OFML haben wir hier eine hervorragende Ausgangsbasis. Der Datenstandard ist ja längst mehr als nur die Basis für Produktkonfigurationen und Einrichtungsplanungen. Trotzdem ist auch das kein Selbstläufer. Die größte Herausforderung liegt derzeit darin, die weiteren Einsatz- und Anpassungsmöglichkeiten von OFML zu priorisieren und die Projekte dann konsequent umzusetzen. Aber genau dafür haben wir ja den IBA.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg.
Die Fragen stellte Robert Nehring.