Digitale Infrastrukturen verändern Beziehungen. Wer in diesem Umfeld nicht richtig kommuniziert, sabotiert die Beziehungsarbeit. Zu diesem Schluss kommt der Schweizer Kommunikationsexperte Stefan Häseli.
Noch immer findet der gute alte Knigge in der Businesswelt Anwendung. Das gilt auch und erst recht in der Kommunikation. Doch wie sähe ein Business-Knigge 4.0 aus?
Sitzung, Workshop oder sonstige Veranstaltung: Bei vielen Teilnehmenden hat sich eine Verhaltensweise eingeschlichen, die nicht Knigge-like ist. Da wird gern gleich zu Beginn das Notebook auf den Tisch gestellt und aufgeklappt. Mensch fokussiert Maschine – wie in einer IT-Schulung. Im weiteren Verlauf bleiben trotz Gesprächen oder Präsentationen die Blicke auf die genutzten Bildschirme gerichtet, E-Mails werden nebenher verfasst und andere Tasks abgearbeitet, Tippgeräusche produziert. Einschlägige Foren, Essays und Austauschrunden von (auch digitalen) Experten sprechen hierzu eine klare Sprache: Das tendiert zu Respektlosigkeit. Es besteht die Gefahr, dass es auch vermehrt so wahrgenommen wird und gerade im Businesskontext Reaktionen auslöst, die nicht zwingend immer geäußert werden – wahrgenommen, angedacht und gemerkt allerdings schon. Zudem funktioniert Multitasking auch im digitalen Zeitalter nicht. Man sieht es der tippenden Person praktisch immer an, ob sie Notizen zum Thema macht oder eben nicht.
Studie zum Zeitfresser Unaufmerksamkeit
In verschiedenen belastbaren Studien wurde der Faktor Unaufmerksamkeit in Verluststunden umgerechnet: Wer nicht aufpasst, muss mehr nachfragen. Wer zu wenig Aufmerksamkeit erhält, hakt zeitintensiv nach. Ein Live-Test über mehrere Veranstaltungen mit anschließender Kurzumfrage zu den erörterten Themeninhalten hat ergeben, dass Notebookschreibende massiv schlechter abschneiden. Sie erzielen weniger als 50 Prozent des Resultats der anderen.
Notebook zuklappen und damit Chancen nutzen
Ein zugeklapptes Notebook oder eines, das in der Tasche bleibt, kann auch ein Statement im Sinne von Respekt und guter Selbstorganisation sein. Darum bin ich persönlich als Referent, Trainer oder schlichtweg Kommunikator dazu übergegangen, aufgeklappte Laptops, wenn es inhaltlich oder methodisch nicht zwingend erforderlich ist, aus meinen Veranstaltungen und Meetings zu verbannen. Dafür gibt es zum Beispiel in der Mittagspause oder der Nachmittagsflaute konkret 30 Minuten Zeit, um sich den zwingenden persönlichen Geschäften zu widmen, sofern das von der Gruppe gewünscht ist. Einige erkennen dann auch durchaus die Chance, sich mal einen Tag so zu organisieren, dass sie ausnahmsweise mal nicht durchgehend erreichbar sind.
Qualität und Lebendigkeit für Aufmerksamkeit und Erfolg
Zum Schluss noch Folgendes: Seit einigen Monaten hat eine namhafte Versicherungsgesellschaft schlichtweg ein Verbot für Notebooks in Meetings und ähnlichen Veranstaltungen ausgesprochen. Wer eine entsprechende Veranstaltung leitet, sollte andererseits auch den Anspruch haben, so gut vorbereitet zu sein, dass die innere Vorstellung der Teilnehmenden, draußen etwas zu verpassen, möglichst nicht gegeben ist. Der Qualitätsanspruch als Gegenleistung muss ein hoher sein und die Veranstaltung lebendig. Auch darüber könnte man sich innerhalb eines Settings austauschen, sofern die Notebooks geschlossen sind.
Stefan Häseli, Kommunikationsexperte und Buchautor. |