Die seit Jahrzehnten anhaltende Unzufriedenheit von Mitarbeitenden kostet Unternehmen viel Zeit und Geld. „Zum Unternehmen passende New-Work-Ansätze jenseits von Hypes könnten das ändern“, sagt Kommunikations- und Organisationsberaterin Saskia Eversloh. Im Interview erklärt sie, was sie unter „Neuer Arbeit“ versteht und worauf es besonders ankommt.
OFFICE ROXX: Frau Eversloh, warum ist es für Unternehmen heute unabdingbar, sich für New Work zu öffnen?
Saskia Eversloh: Der derzeit dringlichste Grund sind neben dem demografischem Wandel und dem internationalem War for Talents vor allem die steigenden freiwilligen Kündigungen. Wichtige Stichwörter sind Big Quit und Great Resignation, um im New-Work-Wording zu bleiben. Es geht also nicht nur darum, neue Arbeitskräfte zu gewinnen, sondern vor allem auch darum, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten. Ein Drittel der Fach- und Führungskräfte wechselt schon nach zwei Jahren den Job und nimmt sein Wissen mit, das betrifft insbesondere jüngere Akademiker.
Die Kosten für Fluktuation, Krankenstand und innere Kündigung sind übrigens schon seit 20 Jahren enorm hoch, erreichen derzeit aber einen neuen Höchststand – und das, obwohl inzwischen viel in New Work investiert wurde. Da fragt man sich natürlich: Was stimmt da nicht?
Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Ansatzpunkte?
Entscheidend ist, in einen echten Dialog zu gehen. Sinnvolle New-Work-Vorhaben können nur im Abgleich zwischen Managementzielen und Mitarbeiteranliegen entstehen. Es gilt, die Potenziale aller Generationen zu entfalten, damit sie länger im Unternehmen bleiben und ihre Arbeitskraft optimal einsetzen können – was auf Unternehmenserfolg und Innovation einzahlt.
Früher sind Changeprozesse oft im Management entstanden und wurden durchgezogen – vieles passte nicht unbedingt zu den Mitarbeitenden, aber auch nicht zum Unternehmen. Vor Corona sind dann viele auf den Loftbüro-Hype und das Agentur-Feeling mit Bällebad, Obstkorb und E-Bike aufgesprungen. Erst jetzt beginnt man langsam zu schauen: Was ist denn eigentlich New Work jenseits von Bürogestaltung und Homeoffice? Was heißt es in Bezug auf die Arbeit, vor allem in Bezug auf gute Arbeit? Das muss gemeinsam erarbeitet werden, denn das ist überall unterschiedlich.
Sind Ihnen aus Ihrer Praxis besondere Aha-Momente in Erinnerung geblieben?
Ich möchte nicht zu biblisch werden, aber nicht umsonst heißt es: Am Anfang war das Wort. Erstaunlicherweise erlebe ich immer wieder, dass die Bedeutung von Kommunikation nicht wirklich erfasst wird. Dementsprechend ist es dann genau der entscheidende Punkt, an dem es zwischen Management und Mitarbeitenden meist nicht stimmt.
Dabei ist es eigentlich ganz simpel. Einfach mal fragen: Was brauchen die Mitarbeitenden, um ihre Arbeit gut und gern zu machen – und so am Ende das Unternehmen voranzubringen? Deshalb haben wir mit unserem „NewWorkPlaybook“ auch genau dort angesetzt und führen mit der „7x7-Methodik“ in sieben Schritten durch sieben Handlungsfelder von der Unternehmens- und Führungskultur über agile Zusammenarbeit und eigenverantwortliches Arbeiten bis hin zu zeitlicher und örtlicher Flexibilität sowie Work-Life-Balance. New Work ist eben weitaus mehr als Designerbüro und Homeoffice, schon allein, weil das nicht für alle Branchen und Berufe möglich ist.
Das Entscheidende ist, New Work nicht nur nach außen zu zeigen – die Stichworte sind da Arbeitgebermarke und Employer-Branding –, sondern vor allem im Inneren der Organisation zu leben. Anderenfalls verhält es sich wie bei Nachhaltigkeit und Greenwashing – hier wie dort merken die Menschen schnell, ob die Bemühungen ernst gemeint sind oder nur dem Marketing dienen.
BUCHTIPP:
Saskia Eversloh et al.: NewWorkPlaybook – Mit sanfter Veränderung zu radikaler Verbesserung*, Vahlen, 246 S., 29,80 €.
Welche Herausforderungen bringt New Work in der Praxis mit sich?
Ein wichtiger Punkt, der immer mitgedacht werden muss, ist die Arbeitsorganisation. In Zeiten von Remote Work und Homeoffice stellen sich neue Fragen: Inwieweit organisieren Teams sich selbst, wie sieht Führung heute aus? Die Remote-Anteile für Büroberufe liegen mittlerweile durchweg bei 50 Prozent und bei immer mehr Unternehmen sogar bei bis zu 100 Prozent. Der Pain-Point ist nur: Es wurden zwar die technologischen Voraussetzungen geschaffen, aber meist keine neuen Regeln und Strukturen für die Zusammenarbeit – und übrigens auch nicht für den sozialen Zusammenhalt, dieser Faktor wird oft unterschätzt.
Welchen gängigen Mythen hinsichtlich New Work begegnen Sie immer wieder?
Es heißt ja oft: Die Generation Z will nur Spaß. Warum aber möchte diese Generation denn mehr Freizeit und Sinnhaftigkeit? Dazu möchte ich sagen: Die jungen Menschen machen während der Schulzeit schon ihre Praktika, dann gegebenenfalls verkürztes Abitur und haben mit Anfang 20 ihren Bachelor. Sie fangen also heute viel früher an zu arbeiten – und Arbeitspensum, Eigenverantwortung und Informationsflut waren noch nie so hoch wie heute in einer agilen Arbeitswelt. Auch das ist New Work.
Ein Bürojob vor 20 Jahren war ein ganz anderer als heute. Das gilt natürlich für alle Generationen, aber der Arbeitsmarkt wandelt sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt und die jüngeren Generationen haben nicht nur früher gelernt zu performen, sondern auch, sich zu artikulieren und für ihre Anliegen einzusetzen.
Auch der Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen ein Mythos – in etlichen Branchen haben wir eher einen Trend zum Niedriglohnsektor und zur Auslandsverlagerung. Einen echten Fachkräftemangel gibt es nur in ausgewählten Bereichen wie dem Gesundheitswesen und dem Verkehrssektor – und das ist ein großes Problem, denn es sind gesamtgesellschaftlich relevante Bereiche, auch vor dem Hintergrund von Energiewende und demografischem Wandel. Ein weiterer Grund, warum New Work so wichtig ist.