Für deutsche Beschäftigte gibt es derzeit kein gesetzlich verankertes Recht auf Homeoffice. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) arbeitet an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Rechtsanwalt Dr. Anton Barrein gibt eine Einschätzung dazu.
Der Koalitionsvertrag der „Ampelparteien“ aus dem Jahr 2021 sieht vor: „Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen.“ Was ist hier künftig zu erwarten bzw. dem Gesetzgeber zu empfehlen?
Der Koalitionsvertrag basiert auf verschiedenen Referentenentwürfen aus dem Jahr 2020 (Mobile-Arbeit-Gesetz). Im Ergebnis soll ein Rechtsanspruch auf mobile Arbeit zugunsten von Arbeitnehmern gesetzlich geregelt werden. Denn aktuell besteht ein solcher Anspruch ohne eine Regelung in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen nur in extremen Ausnahmefällen. Gleichwohl erkennt der Gesetzgeber, dass die Coronapandemie ein Treiber für die Digitalisierung gewesen ist und möchte dem Arbeitnehmer insofern ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf den Tätigkeitsort geben.
Dennoch ist derzeit noch nicht jede arbeitsrechtliche Vorüberlegung geklärt, die den aktuellen Rechtsrahmen für Tätigkeiten aus dem Homeoffice prägt. Bei der Einführung von Homeoffice müssen Arbeitgeber unter anderem beachten, welches Arbeitszeitmodell überhaupt im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz zulässig ist. Welche arbeitsschutzrechtlichen Fragen habe ich in Bezug auf das heimische Büro zu klären? Und wie war das noch mal mit dem Schutz meiner Daten und der des Arbeitnehmers? Welche Arten von Kontrolle sind hier möglich? Vieles davon sind Einzelfallfragen, die nicht pauschal beantwortet werden können. Die aktuellen Pläne des Gesetzgebers greifen diese Fragen leider kaum auf. Dafür hat er die unfallversicherungsrechtlichen Regelungen zugunsten von im Homeoffice Beschäftigten angepasst.
Wesentliche Wertungsfrage ist, inwieweit die unternehmerische Entscheidung, Arbeitsleistung im örtlichen Betrieb zu verlangen, maßgebliches Gewicht hat. Ohne eine vertragliche Regelung hat der Arbeitgeber grundsätzlich das sogenannte Weisungsrecht inne, mit welchem er die Arbeitszeitlage, den Arbeitsort und den Arbeitsinhalt innerhalb des arbeitsvertraglichen Rahmens bestimmen kann. Damit kann er die erforderlichen Arbeitsleistungen koordinieren.
Die Elternzeit-Richtlinie auf europäischer Ebene (2019/1158) macht dem Gesetzgeber Vorgaben, flexible Arbeitsmodelle zu fördern, um so die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Allerdings sehen die bisherigen Entwürfe des BMAS hierzu keine Priorisierung von diesen Arbeitnehmergruppen vor, indem der Anspruch beispielsweise an Sachgründe geknüpft wird.
Grundsätzlich kritisch zu beleuchten ist ein Rechtsanspruch auf Homeoffice deswegen, weil er eine Vielzahl von Voraussetzungen haben müsste, um insbesondere kleine Unternehmen vor Überforderung zu schützen oder um betriebliche Gründe zu definieren, wann ein solcher Antrag abgelehnt werden kann. Durch viele Voraussetzungen des Anspruches droht mehr Rechtsunsicherheit.
Des Weiteren darf nicht aus den Augen verloren werden, dass derartige Arbeitsbedingungen zunächst von den Tarifvertrags- oder Betriebsparteien geregelt werden könnten. Dies zeigt sich in zahlreichen, gerade auch durch die Pandemie entstandenen Tarifverträgen hierzu und auch in der Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates, welches sich nunmehr auch auf die Ausgestaltung von mobiler Arbeit bezieht.
Der Gesetzgeber tut gut daran, zunächst den Regelungsrahmen für mobiles Arbeiten rechtssicherer zu gestalten. Sodann sollte die tatsächliche Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Eingriffs in das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis durch einen einseitigen Anspruch evaluiert werden. Hierbei sind insbesondere die jüngsten Entwicklungen durch die Pandemie zu beachten.
Der im Koalitionsvertrag vorgesehene Erörterungsanspruch ist derzeit in seiner Wirkungsweise unklar. Denn seine Arbeitsbedingungen „erörtern“ kann der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber in der Regel immer. Wenn der Gesetzgeber plant, dass im Anschluss an die Erörterung eine Ablehnung durch den Arbeitgeber nur nicht „willkürlich“ sein darf, so hat der Arbeitnehmer hier wenig gewonnen. Für den Arbeitgeber bedeutet das gleichzeitig bürokratischen Mehraufwand. Eine solche undifferenzierte Regelung ist daher abzulehnen.