Wir sprachen mit der renommierten Wohnexpertin Oona Horx-Strathern über ihren Home Report 2021. Vom Krisenjahr 2020 aus blickt sie dort in die Zukunft des Wohnens. Der Verschmelzung von Arbeiten und Wohnen wird wohl auch in diesem Jahr eine besondere Bedeutung zukommen.

Oona Horx-Strathern, Wohnexpertin, Trend- und Zukunftsforscherin. strathern.eu Abbildung: Zukunftsinstitut
OFFICE ROXX: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihr Leben und Arbeiten ausgewirkt?
Oona Horx-Strathern: Es war und ist für mich eine sehr interessante Zeit. Ich habe gelernt, wie anpassungsfähig der Mensch ist. In unserem Drei-Generationen-Haushalt haben teilweise sechs Personen um den ruhigsten Ort zum Arbeiten konkurriert. Wessen Arbeit gerade nicht die höchste Priorität hatte, musste sich zunächst mit einem Platz am unteren Ende der Nahrungskette begnügen. Es war manchmal wie im Spiel „Reise nach Jerusalem“. Ich selbst habe auch mal im Wäscheraum arbeiten müssen. Mit viel Toleranz und Humor haben wir diese Ausnahmesituation aber gut gemeistert. Unsere Familie wurde flexibler und kreativer, etwa beim Umfunktionieren von Gegenständen zu Arbeitsflächen. Wir haben häufiger zusammen gekocht und sind achtsamer mit Lebensmitteln umgegangen.
Welchen Eindruck haben Sie – kommt Deutschland generell gut zurecht mit dem Homeoffice?
Ich denke, im Allgemeinen schon. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Er hat sich auch an diese besondere Situation angepasst. Umfragen ergeben im Schnitt Zufriedenheitswerte von etwa 60 Prozent. Unternehmen haben die Erfahrung gemacht, dass die Produktivität nicht zwangsläufig zurückgeht und sie ihren Mitarbeitern also vertrauen können.
2020 ist bereits Ihr dritter Home Report erschienen, in dem Sie jährlich die wichtigsten Wohntrends beschreiben. Welche waren denn vor Corona bestimmend?
Da gab es sehr viele, neben den Designtrends etwa den Trend zum Mikrowohnen, den ich „Mc Living“ genannt habe. Dahinter verbirgt sich eine Entwicklung hin zu schnellen, praktischen, modularen und massenproduzierten Mikro-Häusern. Ein großer Trend geht generell auch in Richtung ökologisches Wohnen. Wir erleben gerade, wie die Pandemie viele der bisherigen Trends beschleunigt. Allen voran der Trend zum Homeoffice.
Natürlich haben auch schon vor Corona viele zu Hause gearbeitet. Aber nun ist dies für die meisten Office-Worker Realität, zumindest teilweise. Einige mussten vom Headquarter ins Shedquarter umziehen, in die Gartenlaube. Beim Thema mobile Arbeit dachten wir vor der Pandemie vor allem an Coworking Spaces. Nun steht aber das Hoffice im Mittelpunkt. Diese Wortschöpfung drückt für mich die Verschmelzung von Zuhause und Büro aus.
Wie hat sich das Wohnen durch das Arbeiten zu Hause verändert?
Zunächst sind viele durch ihre Wohnungen und Häuser gewandelt und haben mal hier und mal dort gearbeitet: am Küchentisch, auf dem Sofa, vielleicht auch im Bett. Aber je länger wir zu Hause bleiben mussten, desto größer wurde der Wunsch nach einem festen, geschützten Arbeitsort, einem abtrennbaren Hoffice.
Wir haben bemerkt, dass wir uns für konzentrierte Arbeit abkapseln müssen. Insofern sollten wir weg von Open-Plan- und hin zu Broken-Plan-Wohnungen. Zu Hause benötigen wir mehr Differenzierung zwischen Arbeiten und Wohnen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Bedeutung des gemeinsamen Kochens zugenommen hat. Es fungiert als wichtige psychologische Abtrennung von der Arbeit.

Die Wohntrend-Map erleichtert die Einordnung der vielfältigen Trenddynamiken rund ums Wohnen und Bauen. Die Wohntrends sind nach den Megatrends geclustert, die aktuell den größten Einfluss auf die Wohnmärkte und die Baubranche haben. Abbildung: Zukunftsinstitut
Welche Wohntrends sehen Sie für 2021?
Vor allem drei. Zunächst das Hoffice: Home und Office werden eins. Aus diesem Grund braucht es nicht nur Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in der Gestaltung der Räume, sondern auch im Denken. Das Equipment muss stimmen, die Technik, die Möbel. Man muss seinen Alltag aber auch zeitlich gut organisieren können, insbesondere in Bezug auf die Work-Life-Balance. Das Hoffice wird sich zu einem neuen Lebensstil entwickeln, für den wir viel Kreativität und Improvisationstalent an den Tag legen werden.
Unter dem Trend „Romancing the Balcony“ verstehe ich die Freiheit, die uns Balkone bieten. Mit Garten, Balkon oder Terrasse war und ist die Coronakrise deutlich leichter zu ertragen – private Outdoor-Flächen wurden zum Mittelpunkt des Lebens. Die Nachfrage wird zunehmen, denn jeder Mensch braucht privaten Raum unter freiem Himmel.
Den dritten Trend habe ich „Home Suite Home“ genannt. Durch das Hoffice ist für viele eine neue Beziehung zu ihrer Wohnung entstanden. Die eigenen vier Wände haben eine Aufwertung erfahren. Gemütlich und wohnlich soll es sein – und ein bisschen wie im Urlaub: Hotels und ihre Suiten werden zum Vorbild für mehr Komfort.
Welche Faktoren sind besonders wichtig für erfolgreiche Heimarbeit?
Besonders bedeutsam finde ich die vier L: Licht, Luft, Lärm und Liebe. Ausreichend Tageslicht und ein Fernblick sind eminent wichtig. Eine gute Luftqualität – wir dürfen nicht immer nur über die Außenluft sprechen, sondern müssen auch auf die Innenraumluft achten – und wenig Störgeräusche. Außerdem ist eine liebevolle Atmosphäre unverzichtbar, sowohl in Bezug auf das Miteinander als auch die Einrichtung.
Worauf sollte bei der Beschaffung von Homeoffice-Möbeln geachtet werden?
Wenn Homeoffice-Möbel in das Wohnzimmer gestellt werden, sollten sie auch optisch zu dessen Einrichtung passen. Zum Glück gibt es längst sehr attraktive Arbeitsstühle und Schreibtische im Handel. Die wahren Problemfaktoren heißen aber Ergonomie, Sitzkomfort und Funktionalität. Auch diese Kriterien sollten Homeoffice-Möbel erfüllen.
Nehmen wir einmal an, der Corona-Virus wäre 2022 besiegt. Wie und wo würde Büroarbeit wohl hierzulande 2025 stattfinden?
Ich gehe von mehr Hybridmodellen aus. Meetings werden vielleicht häufiger in Kaffeehäusern oder Coworking Spaces stattfinden. Wir werden wieder mobiler geworden sein und überall arbeiten. Insofern wird es viele Zwischenlösungen geben. Das Hoffice wird zu einem wichtigen Bestandteil des Alltags geworden sein. Es ist gekommen, um zu bleiben – und bleibt dabei ein Work-in-Progress-Projekt. Arbeitgeber und Unternehmen sollten nicht nur bei Möblierungslösungen und passenden Technologien, sondern auch bei den Grundrissen Hilfe anbieten. Hinzukommen muss auch eine psychologische und emotionale Unterstützung für diejenigen, die Schwierigkeiten bei der Anpassung haben oder bei denen die Situation Beziehungsprobleme auslöst. Für eines der drängendsten Probleme halte ich auch die mit der zunehmenden Individualisierung einhergehende Vereinsamung vieler, die oft nicht ausgesprochen wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellt Robert Nehring.
![]() LITERATURTIPP: Oona Horx-Strathern: „Home Report 2021 – Zukunft des Wohnens und Bauens“, 150 €. |