Wir sprachen mit David Wiechmann, dem jüngst in seinem Amt bestätigten Vorsitzenden des Deutschen Netzwerk Büro e. V. (DNB), über das Netzwerk, was hinter und was vor ihm liegt sowie insbesondere über das Thema mobile Arbeit.

David Wiechmann, Vorsitzender Deutsches Netzwerk Büro e. V. und Unternehmensberater, dnb-netz.de, wiechmann-consulting.com. Abbildung: Jörg Bakschas
OFFICE ROXX: David, am 15. November hat die diesjährige Mitgliederversammlung des DNB stattgefunden. Wie lautet die Bilanz des Vorstandes für 2022?
David Wiechmann: Wir sind zufrieden. Mit der Unterstützung und der Expertise einzelner Mitglieder konnten wir erneut eine kompetente Broschüre realisieren, diesmal zu ergonomischen Hilfsmitteln im Büro. Diese bieten wir kostenlos als Download auf unserer Webseite sowie auf Anfrage auch gedruckt an. Darüber hinaus waren wir froh, nach der pandemiebedingten Pause wieder auf einer Messe präsent zu sein. Auf der Orgatec im Oktober haben wir fast 1.000 Publikationen verteilt. Das ist übrigens auch unser satzungsgemäßer Zweck: die Förderung guter und gesunder Büroarbeit sowie die Verbreitung entsprechender Inhalte in der Öffentlichkeit.
Ein Netzwerk ist nur so stark wie seine Mitglieder. Wie hat sich die Krise auf diese und deren Engagement im DNB ausgewirkt?
Die Krise hat uns zweifellos in unserem Gestaltungsrahmen beschnitten. Das Deutsche Netzwerk Büro realisiert seinen Auftrag ja nicht nur in Form von Broschüren und Handlungshilfen, sondern beispielsweise durch Kongresse und Messepräsenzen. Davon mussten wir leider in den zurückliegenden fast drei Jahren oft Abstand nehmen. Dadurch konnten sich zahlreiche Mitglieder leider nicht so oft einbringen, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Allerdings planen wir bereits für 2023 wieder Projekte, die wir analog umsetzen möchten.
Was hat es mit den Experten-Sprechstunden und dem „Zertifiziertem Führungskräfte-Coach Mobile Arbeit“ des DNB auf sich?
Die Experten-Sprechstunde des DNB ist ein kostenloses virtuelles Angebot, das sich an jedem ersten Dienstag im Monat mit einem speziellen Thema der Büroarbeit befasst. Zu jedem dieser Themen stellt sich eine Expertin oder ein Experte aus dem Mitgliederkreis zur Verfügung, um nach einem kurzen Impuls auf Fragen und Herausforderungen der Teilnehmenden zu antworten. Nach insgesamt sieben Veranstaltungen können wir hier ein sehr positives Zwischenfazit ziehen.
Der Online-Zertifikatskurs „Führungskräfte-Coach Mobile Arbeit“ ist dagegen ein umfangreich konzipiertes, kostenpflichtiges Angebot für interne oder externe Beraterinnen und Berater, die Führungskräfte bei ihrer schwierigen Aufgabe vor dem Hintergrund der zunehmenden mobilen Arbeit unterstützen sollen.
Nachdem die Teilnahme an der Orgatec 2022 ein großer Erfolg war – bei welchen Veranstaltungen kann man das Netzwerk 2023 erleben?
Wir planen, mit einem Konzeptstand zu gesundheitsorientierten Lösungen für die hybriden Arbeitsformen auf der Messe A+A im Oktober in Düsseldorf vertreten zu sein. Bei allen weiteren Aktivitäten sind wir noch am Anfang unserer Überlegungen.
Du gehörst einer Expertenkommission des Bundesarbeitsministeriums an. Was verbirgt sich hinter der „Politikwerkstatt Mobile Arbeit“?
Die Politikwerkstatt ist ein bemerkenswertes und innovatives Format, das das Bundesarbeitsministerium gewählt hat, um die Besonderheiten und die Auswirkungen der mobilen Arbeit ganzheitlich zu diskutieren. Die Erkenntnisse aus den Diskussionen unter Beteiligung von deutlich über 100 Expertinnen und Experten sollen schließlich in eine Neuformulierung der Arbeitsstättenverordnung einfließen. Ein sehr interessanter Prozess und ich bin überaus gespannt, was am Ende dabei herauskommt. Die ersten virtuellen Runden waren vielversprechend.
Wie kann das DNB an diesem Prozess mitwirken?
Das DNB wirkt zunächst über einzelne Mitglieder konkret an diesem Prozess der Erkenntnisfindung mit. Wir sind hier mit fast einem Dutzend an Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Institutionen und Organisationen vertreten, was die Relevanz und die Expertise des DNB deutlich unter Beweis stellt. Darüber hinaus schwebt uns vor, diesen Prozess währenddessen und danach mit Expertentreffen und Diskussionsrunden, ggfs. sogar mit regionalen Kongressen, zu begleiten. Wir sind tatsächlich bereits in ersten Gesprächen mit dem Bundesarbeitsministerium und loten die Möglichkeiten aus.
Welche Position vertritt das DNB in Bezug auf die mobile Arbeit?
Die mobile Arbeit, vielmehr sämtliche hybride Arbeitsformen, werden ein Bestandteil der zukünftigen Arbeitswelt sein. In welchem prozentualen Umfang auch immer, aber möglichst auf freiwilliger Basis sowohl für die Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. Das bedeutet, wir müssen die mobile Arbeit bei vielen Themen neu mitdenken – wenn es zum Beispiel um den Gesundheitsschutz oder die Gesundheitsförderung, den betrieblichen Unfallversicherungsschutz, die Regelungen zur Arbeitszeit, die Sicherung der Produktivität und die Adaption von innerbetrieblichen Prozessen geht. Ob das immer in Form von Verordnungen, technischen Regeln oder Gesetzen erfolgen muss, lässt das DNB dabei offen. Wichtig ist, dass diese Punkte Eingang in die Überlegungen finden und am Ende gute und gesunde Büroarbeit dabei herauskommt.
Ist das auch deine persönliche Position?
Definitiv. Angesichts der enormen Komplexität und der vielen Schnittstellen fürchte ich persönlich jedoch, dass wir um einige klärende Regelungen nicht herumkommen werden. Das DNB möchte allerdings auch auf die Potenziale der mobilen Arbeit hinweisen. Wenn es beispielsweise um die Vermeidung von Pendelverkehren und die damit verbundene Reduzierung von CO2-Emissionen geht. Oder die Möglichkeiten zur Energieeinsparung, da wir momentan enorm viel ungenutzte Bürofläche bewirtschaften. Und nicht zuletzt die Chancen für die Stadt- und Kommunalentwicklung, wenn an den Wohnorten der Beschäftigten neue Infrastrukturen entstehen. Wir haben diese Punkte auf der Webseite www.neuebueroarbeit.de zusammengefasst und würden uns auf dieser Plattform über weitere Ideen und Impulse freuen.
Wo siehst du derzeit den größten Handlungsbedarf in Bezug auf sichere und gesunde Büroarbeit?
Ich möchte hier zwei Themen nennen: zunächst einmal die oftmals immer noch sehr entwicklungsfähigen Arbeitsumgebungen in vielen kleinen und kleineren mittelständischen Unternehmen im Hinblick auf die geltenden Regeln zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Aber auch, Arbeit im Homeoffice so zu gestalten, dass sich keine physischen oder psychischen Belastungen daraus ergeben, finde ich überaus wichtig. Denn sonst hätten wir mit dieser vermeintlichen Win-Win-Situation für viele Beschäftigte und Unternehmen am Ende doch nichts gewonnen.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Die Fragen stellte Robert Nehring.