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Die Digitalisierung bleibt. Die Art des Arbeitens verändert sich

Coro­na, Lock­down, Home­of­fice: Die­se Begrif­fe sind seit über einem Jahr unzer­trenn­lich mit­ein­an­der ver­bun­den. Im Inter­view wirft der Buch­au­tor und Fach­mann für kla­re Struk­tu­ren am Arbeits­platz, Jür­gen Kurz, einen Blick zurück – aber auch nach vorn.

Jürgen Kurz, Buchautor und Profi für innovative Büro-Organisation. buero-kaizen.de. Abbildung: Kurz Büro-Kaizen GmbH

Jür­gen Kurz, Buch­au­tor und Pro­fi für inno­va­ti­ve Büro-Orga­ni­sa­ti­on. buero-kaizen.de. Abbil­dung: Kurz Büro-Kai­zen GmbH

OFFICE ROXX: Welche Erinnerungen haben Sie an den ersten Lockdown im März 2020?

Jür­gen Kurz: Auch wir haben am 16. März 2020 unse­ren Mit­ar­bei­tern mit­ge­teilt, dass sie ab sofort von zu Hau­se arbei­ten müs­sen. Am 17. März saß ich dann allein im Büro. Wäh­rend zu die­ser Zeit bei zahl­rei­chen Unter­neh­men Unsi­cher­heit und Plan­lo­sig­keit vor­herrsch­te, war es bei uns genau anders­rum. Denn auf ein­mal explo­dier­ten die Zugriffs­zah­len auf unse­rer Web­site. Wir muss­ten han­deln. Und so haben wir Video-Kur­se pro­du­ziert, kos­ten­lo­se Web­i­na­re gehal­ten und sogar ein E-Book erstellt – alles rund um die The­men Home­of­fice und digi­ta­les Arbeiten.

Bereits Ende der ers­ten Woche haben wir uns ent­schie­den, ein Buch, des­sen Ver­öf­fent­li­chung für das kom­men­de Jahr geplant war, vor­zu­zie­hen. Nor­ma­ler­wei­se dau­ert ein Buch sie­ben Mona­te, mein Team und ich haben es in sie­ben Wochen geschafft. Die Beson­der­heit war, die Mit­ar­bei­ter in unse­rem Pro­jekt­team kann­ten sich nur flüch­tig oder gar nicht. Den­noch haben wir unse­re gemein­sa­me Arbeit auf Grund­la­ge und mit­hil­fe des Kol­la­bo­ra­ti­ons­tools Micro­soft 365 bewäl­tigt. Und es hat funk­tio­niert. Die Mit­glie­der des Pro­jekt­teams haben sich in den sie­ben Wochen nie per­sön­lich getroffen.

Wie hat Corona die Digitalisierung Ihrer Meinung nach vorangebracht?

Home­of­fice war in frü­he­ren Tagen eben­so ver­pönt wie die Spei­che­rung von Daten in der Cloud. Coro­na hat bei­des vor­an­ge­bracht. Und es ist typisch deutsch, dass wir jetzt schon nach „nur Home­of­fice“ rufen. Ich den­ke, die Mischung wird es sein. Frei­räu­me für die Mit­ar­bei­ter, Rück­zugs­räu­me, Ver­bin­dung von Fami­lie und Beruf – in vie­len Berei­chen kann Home­of­fice sicher­lich hel­fen. Mein Spruch an der Stel­le heißt: „Es wird eine Zeit nach Coro­na geben, aber die Digi­ta­li­sie­rung wird bleiben.“

Ich bin nie­mand, der klagt. Trotz­dem bedau­re ich ein wenig, dass die Lock­downs in vie­len Arbeits­be­rei­chen nicht auch als gro­ße Chan­ce gese­hen wur­den, der Digi­ta­li­sie­rung und dem digi­ta­len Arbei­ten einen wei­te­ren Schub zu ver­pas­sen. Die Ver­mitt­lungs­chan­cen zukünf­ti­ger Gene­ra­tio­nen wer­den enorm stei­gen, je mehr sie in der Lage sind, digi­tal und mobil zu arbeiten.

Welche Strategien haben Unternehmen in dieser Zeit verfolgt?

Noch nie habe ich eine sol­che Sprei­zung der Ver­hal­tens­wei­sen fest­ge­stellt. Man­che haben die Mit­ar­bei­ter ein­fach nach Hau­se geschickt, in der Hoff­nung, dass es bald wie­der vor­bei sein wird. Ande­re haben die Chan­ce erkannt und auch ihre Geschäfts­mo­del­le auf digi­tal umge­stellt. Ich ken­ne einen Semi­nar­an­bie­ter, der hat vor­her aus­schließ­lich Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen orga­ni­siert, und heu­te ist sein kom­plet­tes Port­fo­lio digital.

Sicher­lich gibt es in naher Zukunft wie­der Prä­senz­se­mi­na­re. Aber das über­wie­gen­de Ange­bot wird digi­tal blei­ben. Die tota­le Frei­heit von Raum und Zeit ist ein­fach ein unschlag­ba­res Argu­ment. Auch wir bie­ten unser kom­plet­tes Bera­tungs­an­ge­bot heu­te aus­schließ­lich online an. Das ist ein rie­si­ger Nut­zen. Men­schen ler­nen digi­tal zu arbei­ten, wäh­rend sie digi­tal arbeiten.

Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Kom­mu­ni­ka­ti­ons­spiel­re­geln, Abla­ge­spiel­re­geln und Pro­jekt­steue­rungs­tools sind ent­schei­dend bei dezen­tra­ler Arbeit. Sol­che Spiel­re­geln zu ver­ein­ba­ren und dann die Mit­ar­bei­ter in den Funk­tio­nen zu schu­len, ist eine der zen­tra­len Auf­ga­ben der Unter­neh­men. Eine zwei­te Auf­ga­be ist, sich immer wie­der deut­lich zu machen, dass digi­tal anders ist als ana­log. Digi­tal bedeu­tet nicht die Eins-zu-eins-Über­tra­gung der ana­lo­gen Welt. Da ent­ste­hen vie­le neue Chan­cen. Unter­neh­men soll­ten die­se ange­hen. Das macht auch Mut und bringt einen auf ande­re Gedan­ken. Man hat den Ein­druck, vie­le Unter­neh­mer haben immer noch den Corona-Blues.

Mei­ne Erfah­rung aus dem ver­gan­ge­nen Jahr mit Coro­na ist, dass vie­le Fir­men zu schnell bei­spiels­wei­se auf Micro­soft 365 umge­stie­gen sind. Jedoch ohne Plan und ohne Struk­tur. Das rächt sich jetzt: Unkla­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge, sehr dif­fu­se Abla­ge­stra­te­gien und man­gel­haf­tes oder sogar feh­len­des Pro­jekt­ma­nage­ment sind die Fol­gen. 80 Pro­zent unse­rer Bera­tungs­pro­jek­te begin­nen heu­te mit „Auf­räum­ar­bei­ten“ durch die­sen oft erzwun­ge­nen schnel­len Start von null auf 100.

Welche Vorteile hat Homeoffice aus Ihrer Sicht – welche Nachteile?

Einen gro­ßen Vor­teil aus mei­ner per­sön­li­chen Erfah­rung sehe ich dar­in, dass durch Home­of­fice und vir­tu­el­les Arbei­ten kost­spie­li­ge Rei­se- und Anfahrts­kos­ten sowie der Zeit­auf­wand für sol­che Fahr­ten weg­fal­len. Je nach Fami­li­en­si­tua­ti­on und – abhän­gig von der Fir­men­phi­lo­so­phie – ist das Arbei­ten zu eher unge­wöhn­li­chen Zei­ten mög­lich. Und mit­tel­fris­tig gese­hen las­sen sich dadurch auch die Unter­neh­mens­kos­ten sen­ken, bei­spiel­wei­se durch die Bereit­stel­lung von eige­nen Homeoffice-Arbeitsplätzen.

Doch sicher­lich ist Letz­te­res nicht der Nor­mal­fall. Vie­le arbei­ten von zu Hau­se nicht an ent­spre­chend aus­ge­stat­te­ten Arbeits­plät­zen, sowie sie es im Büro gewohnt sind. Es fehlt auch der Kon­takt zum Aus­tau­schen mit den Kol­le­gen oder nur mal der Small Talk. Und wenn, bei­spiels­wei­se Doku­men­te nicht in digi­ta­ler Form vor­lie­gen, haben Home­wor­ker auch kei­nen Zugriff dar­auf. Ein Nach­teil für eine gut funk­tio­nie­ren­de Zusam­men­ar­beit im Team.

Vielen Dank, Herr Kurz.

Die Fra­gen stell­te Chris­ti­an Marx.

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BUCHTIPP:

Jür­gen Kurz, Patrick Kurz, Mar­cel Mil­ler: Erfolg­reich digi­tal zusam­men arbei­ten: Effi­zi­en­te Team­ar­beit mit Micro­soft 365, GABAL, 252 S., 24,90 €.

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