100 Jahre nach Gründung des Bauhauses ist in Dessau ein originales Gebäude der legendären Gestalterschule eingeweiht worden. Der Möbelhersteller Wilkhahn hat es mit passenden Lösungen ausgestattet.
Im Bauhausjahr 2019 ist bereits viel über die berühmte Schule für Kunst und Gestaltung geschrieben worden, auch auf OFFICE ROXX. Obwohl das staatliche Bauhaus nur von 1919 bis 1933 existierte, hat es untilgbare Spuren in der Geschichte des Industriedesigns hinterlassen.
Am 11. August 2019 wurde nach nur dreiwöchiger Bauzeit und mit wesentlicher Unterstützung durch den Möbelhersteller Wilkhahn ein ganz besonderes Gebäude in der Laubengang-Siedlung in Dessau-Törten errichtet. Die Laubenganghäuser gehören seit dem 9. Juli 2017 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wilkhahn hat hier einen ursprünglich als Wohnhaus konzipierten Holzbau nach Plänen des Architekten und Bauhauslehrers Ludwig Hilberseimer (1885–1967) gefördert.
Holzbau nach Hilberseimer für die Laubengang-Siedlung
Bei dem jetzt errichteten Haus nach Plänen von Hilberseimer handelt es sich um ein L-förmiges, einstöckiges Gebäude in Holzbauweise. 400 Exemplare dieses Typs sollten ursprünglich das Ensemble der Laubenganghäuser ergänzen. Die Krisen der Weimarer Republik vereitelten jedoch die Realisierung der Flachbauten aus Holz. Lediglich ein Exemplar wurde gefertigt und als „wachsendes Haus“ 1932 in Berlin mit der Ausstellung „Sonne, Luft und Haus für Alle“ dem Publikum gezeigt.
Initiiert wurde das jetzige Bauprojekt von Philipp Oswalt, Leiter des Fachgebiets Architekturtheorie und Entwerfen der Universität Kassel, der das Werk von Hannes Meyer erforscht. Als Bauhaus-Direktor gab Meyer die Losung „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ aus und beförderte damit den sozialen Gebrauch von Architektur und das Zusammenbringen von Architektur und Industrie. Wichtige Gedanken, die auch dem Puls unserer Gegenwart entsprechen.
Die Verwendung von Holz als Baumaterial korrigiert dabei das landläufige Bild vom Bauhaus, das man eher mit Glas, Stahl und Beton in Verbindung bringt. Zu dem von Wilkhahn unterstützten Projekt sagt Oswalt: „Damit wird erstmalig die innovative städtebauliche Gesamtkonzeption verdeutlicht wie zugleich der nicht minder anregende Haustyp von Hilberseimer präsentiert. Wir korrigieren ein einseitiges Bild des Bauhaus’ und geben einen Impuls zur heutigen Wohnungsbaudebatte.“
Wilkhahn hatte die Aktivitäten des Jubiläumsjahres bereits mit einem Symposium und einem studentischen Designprojekt unterstützt. Das innovative Hilberseimer-Haus stattete Wilkhahn mit ebenso innovativen Möbeln aus.
Agile und flexible Einrichtung
Die Verwendung eines organischen Materials für den Bau und die Idee eines „wachsendes Hauses“ legt nahe, dass die Nutzung des Hilberseimer-Gebäudes eine offene und dynamische ist. Es ist als Lernort und Raum der sozialen wie kreativen Interaktion konzipiert, nach entwickelten Nutzungsvorstellungen der Schülerinnen und Schüler des Dessauer Walter-Gropius-Gymnasiums.
Für diese unterschiedlichen und agilen Szenarien hat Wilkhahn ein passendes Möbelprogramm bereitgestellt – ausgelegt auf Selbstorganisation mit Laborcharakter: ein flexibles Setting mit dem per Akkubetrieb höhenverstellbaren sowie beschreib- und klappbaren Timetable Lift (Design: Andreas Störiko) als Hybrid aus Tisch und Whiteboard: Er kann als horizontale Fläche für Workshops und Besprechungen ebenso eingesetzt werden wie als vertikale Präsentationswand. Ergänzt wird er von dem Bewegungs-, Steh- und Stützelement Stitz (Design: ProduktEntwicklung Roericht PER), einem Klassiker aus dem Umfeld der Hochschule für Gestaltung Ulm, jener legendären Nachfolgeschule des Bauhauses, mit der Wilkhahn bis zu ihrer Schließung 1968 eng zusammengearbeitet hat. Der Stitz wurde von Wilkhahn für die Beweglichkeit zwischen Stehen und Sitzen entwickelt, was dynamisches Arbeiten fördert. Hinzu kommt der leichte, äußerst kompakt stapelbare Mehrzweckstuhl Aline (Design: Andreas Störiko): Sein transparentes Netzgewebe und das minimierte Kufengestell sorgen sowohl für eine zurückhaltende Anmutung als auch für federnden Sitzkomfort. Bunte Bewegungshocker und Sitzbänke aus den Serien Stand-Up (Design: Thorsten Franck) und Sitzbock (Design: RSW) sorgen für einen spielerischen Zugang zu neuen Interaktionsformen.
Wachsendes Haus auch bald in Berlin
Das Hilberseimer-Haus ist demontierbar und soll nach anderthalbjähriger Nutzung in Dessau weiterziehen. Im Rahmen der Eröffnung am 11. August 2019 wurde der Schlüssel an den Betreiber, den Deutschen Werkbund Sachsen-Anhalt, übergeben. Als zweiter Standort ist die Umgebung des Hauses Lemke nach Plänen von Mies van der Rohe in Berlin-Hohenschönhausen geplant. Dieser hatte dort den Gebäudetyp von Hilberseimer aufgegriffen und in einer luxuriösen Variante als Villa realisiert, was einen spannenden Kontrast verspricht.