Was im Job über die sozialen Medien kommuniziert wird, will gut überlegt sein. Im zweiten Teil seiner Kolumne stellt Stefan Häseli die Tücken und Fettnäpfchen beim Umgang mit Facebook, XING und Co. am Arbeitsplatz vor.
Endlich hat sich auch das Unternehmen von Hannes zur Personalbeurteilung auf das 360-Grad-Feedback eingeschworen. Das Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kollegen und Kunden erhält mehr Gewicht. Hannes ist überzeugt, dort zu punkten. Doch schon beim ersten Vergleich muss er hintenanstehen. Eine persönliche, inoffizielle Vor-Marktanalyse zeigt, dass er noch Potenzial hat. Von den fünf Kollegen auf der gleichen Führungsstufe belegt er Rang fünf. Er bespricht sich mit seinem Coach. Die Blitzanalyse ergibt: Hannes hat zu wenige „Freunde“. Eine klaffende Lücke öffnet sich, als ihn der Coach auf „Soziale Medien“ anspricht: „Wie viele Freunde haben Sie auf Facebook? Wie viele Kontakte zweiten Grades haben Sie auf XING gelistet?“ Hannes versteht nichts.
Fest steht: Hannes braucht eine Fortbildung zum Thema Social Media. Im Unternehmensforum in der Stadt findet ein Vortrag dazu statt. Hannes hört zu, schreibt mit. Als pflichtbewusster Manager eröffnet Hannes Accounts bei XING, Twitter und Facebook. Doch selbst als PC-affiner Mensch kriegt sein Elan schnell einen Knick: Profil verwalten, Informationen bearbeiten, Beziehungsstatus aktualisieren, Zugriffsberechtigungen in Kategorien festlegen, politische und religiöse Ansichten nur engen Freunden sichtbar machen, ehemalige Wohnorte komplettieren ... Nach vier Stunden ist alles solide und korrekt hinterlegt.
Am nächsten Morgen gestaltet Hannes sein Start-to-work-Ritual neu. Erst einmal öffnet er gespannt alle Plattformen. „Ach – Kollege Hubert ist auch auf XING.“ Der war letztes Jahr drei Monate auf Suche und ist jetzt Chief Distribution of the Division Outgoings. Wie früher, er hat auch damals die Post gemacht. „Den klicke ich an“, meint Hannes und freut sich, einen neuen Kontakt zu haben. Auf Facebook erfährt er, wer der Typ ist, der ständig bei seiner Nachbarin sitzt. „Danke für die schöne Nacht“, hat dieser auf die Pinnwand geschrieben. „Ja Schatz, war super“, beschreibt sie die nächtliche Aktivität. Ein Vorteil, dass gleich alle Freunde Bescheid wissen ...
Als wieder einmal die Vorbereitung für ein Meeting zäh ist, kann er das mitteilen. Auf der Pinnwand von Facebook teilt er seinen unterdessen 237 Freunden mit: „Sch…-Meeting. Ich komm‘ nicht weiter. Die wollen hier immer alles ganz genau haben, um es dann doch zu zerreden. Da fällt einem ja nichts dazu ein. Langweilig!“ Kurz darauf sieht er das Resultat: 16 seiner 237 „friends“ finden es gut, dass ihm nichts einfällt. Dazu der Kommentar seines Chefs: „Ich werde mir was überlegen, damit Ihnen nie mehr langweilig ist!“ Hoppla! Der Chef ist einer seiner 237 Freunde. Kurz bevor er der Facebook-Gruppe „Kann-mir-jemand-sagen-warum-alle-Chefs-doof-sind“ beitritt, durchzuckt ihn ein Gedanke: „Was, wenn auch meine Mitarbeiter in dieser Gruppe sind?“
Hannes begreift, dass soziale Medien begriffen werden müssen. Das feiert er für sich ganz persönlich in der Betriebskantine bei einer Tasse Kaffee. Bis er merkt, dass ein Mitarbeiter davon einen 40-Sekunden-Film macht und diesen bereits auf YouTube gestellt hat, als er wieder im Büro ist. Nobody is perfect …
Stefan Häseli ist Autor, Trainer |