Die Deutschen lieben Ordnung. Zum Inbegriff für Standards wurde hierzulande das Deutsche Institut für Normung e. V. Die erste DIN-Norm wurde vor 100 Jahren definiert. Die für die Bürowelt essenzielle DIN 476, welche die Papierformate definiert, folgte nur vier Jahre später. Gerrit Krämer berichtet.
Im Mai 1917 wurde im Auftrag des Königlichen Fabrikationsbüros (FABO) ein Normalienausschuss für den deutschen Maschinenbau zur Vereinheitlichung von Arbeitsmitteln eingerichtet. Aus diesem ging am 22. Dezember 1917 der Normenausschuss der deutschen Industrie (NADI) hervor. Im März 1918 erschien dann die erste DIN-Norm (DI-Norm 1 Kegelstifte). 1926 wurde der Name in Deutscher Normenausschuss (DNA) umfirmiert, da die Beschränkung auf Industrienormen als nicht mehr ausreichend empfunden wurde. Zu dieser Zeit gab es bereits viele Normen für das Bürowesen, Krankenhäuser usw. Die Abkürzung DIN hieß im Volksmund: „Das ist Norm.“ Der heute noch gültige Name Deutsches Institut für Normung wurde 1975 gewählt. Er bezieht sich auf den in diesem Jahr geschlossenen Vertrag zwischen der Organisation und der Bundesrepublik Deutschland, in welchem DIN als nationales Normungsinstitut für die Bundesrepublik anerkannt wurde.
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Eine der bekanntesten Normen des DIN ist die DIN 476 Papierformate (DIN A4 usw.). Sie definiert ein Papierformat in Breite und Höhe. Bis zu diesem einheitlichen Standard, der am 18. August 1922 veröffentlicht wurde, war es allerdings ein langer Weg.
Die Anfänge der Papierformate
Noch vor der Einführung des Buchdrucks wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts in der italienischen Stadt Bologna eine Formatordnung für Papiere erlassen. Sie definierte vier unterschiedliche Formatgrößen, außerdem Gewicht, Qualität und Verkaufspreise. Diese erste Maßnahme war allerdings nur mäßig erfolgreich. Denn bei handgeschöpften Papieren entsprach das Ausgangsformat des Papierbogens immer der Größe des Schöpfrahmens. Weil diese aber nicht genormt waren, variierten die geschöpften Bögen teils erheblich. Da nützte es auch nichts, dass die einzelnen durch Halbierung gewonnen Blattgrößen identische Namen hatten: Ein halber Bogen war ein Folio, darauf folgte der Quart (vier Teile) und schließlich der Oktav (acht Teile).
Weitere Versuche
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Frankreich sechs verschiedene Formate für Urkunden- und Stempelpapiere festgelegt. International konnten sich diese Formate in den folgenden Jahren allerdings nicht durchsetzen. Im deutschsprachigen Raum wurden erst im Juli 1910 ernsthafte Versuche einer Vereinheitlichung unternommen. Der Schweizer Karl Bührer gründete das Unternehmen „Die Brücke“ mit dem Ziel, die gesamte geistige Arbeit der Welt nach einheitlichen Prinzipien zu organisieren. Das schloss auch die Grundlagen der geistigen Arbeit mit ein: die Arbeitsmittel. Für einheitliche Druckerzeugnisse empfahl Bührer das Format 11,5 x 16,5 cm.
Im Juni 1911 übernahm schließlich der Chemiker und Nobelpreisträger Wilhelm Oswald den Vorsitz des Unternehmens, das mittlerweile in das „Internationale Institut zur Organisierung der geistigen Arbeit“ umbenannt worden war. Oswald forderte einen wissenschaftlichen Ansatz: Die Formate sollten durch Halbierung des Flächeninhalts ineinander übergehen bei gleichbleibendem Verhältnis der Seitenlänge. Grundlage des Systems war eine Seitenlänge von 1 cm. Er ermittelte ein Verhältnis der Breite zur Höhe von 1:1,41 oder 1:√2. Die daraus entstehenden sogenannten Weltformate konnten sich allerdings auch nicht durchsetzen.
Der Durchbruch
Auf der Grundlage der Weltformate entwickelte Dr. Walter Porstmann ein Formatsystem, welches schließlich 1922 in der DIN 476 aufging. Entscheidend für den Durchbruch war der Anschluss an das metrische System. Jedoch nicht über die Seitenlänge der Papierformate, wie es Oswald gefordert hatte, sondern über den Flächeninhalt. Porstmann legte 1 m2 als Ausgangsmaß fest. Damit die Ähnlichkeit der Formate gewährleistet blieb, wurde das bereits ermittelte Seitenverhältnis von 1:1,41 übernommen. Das Ausgangsformat A0 hatte damit die Abmessungen 841 x 1.189 mm. Der vierfach gefaltete Bogen A4 kam auf die heute noch gültigen Maße von 210 x 297 mm.
Einfluss auf den Bürobereich
Auch der Bürosektor wurde von der DIN 476 maßgeblich beeinflusst. Durch die einheitlichen Papierformate wurden im Bereich des Bürobedarfs Briefumschläge, Ablagesysteme und Aktenordner aufeinander abgestimmt. Die Maße diverser Büromöbel wurden vereinheitlicht: identische Schubladengrößen und Aktenschränke kamen auf den Markt. Trotz dieser offensichtlichen Vorteile wurden erst um 1936 Papiere für Behörden und Unternehmen ausschließlich in DIN-Formaten produziert.
Seit 1975 werden Papierformate auch international genormt. Die ISO 216 definiert die Formate von Papier exakt nach den Abmessungen der DIN-Formate. Im März 2002 ging die Bezeichnung DIN 476 schließlich in die Geschichte ein. Sie wurde in der Internationalen und Europäischen Norm als DIN EN ISO 216 auch in Deutschland übernommen. Das zugrundeliegende System bleibt allerdings auch fast 100 Jahre nach seiner Einführung bestehen.
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