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Welche Möglichkeiten mit welchen Effekten bieten sich an, Stehen am Büroarbeitsplatz dynamischer zu gestalten? Ein Überblick vom Diplomsportwissenschaftler und Heilpraktiker Christof Otte.
Die heutige Arbeitswelt ist zu großen Teilen von einer Bewegungsmonotonie, also immer gleichen respektive immer widerkehrenden Bewegungsmustern und -folgen gekennzeichnet. Nicht nur langes Sitzen mit den bekannten Nachteilen für unser hochkomplexes Bewegungssystem, den Brust- und Baucheingeweiden sowie dem Herz-Kreislauf- und Stoffwechselsystem, auch langes monotones Stehen kann unser Bewegungssystem übermäßig belasten. Belastung ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur als eine notwendige Beanspruchung der Strukturen des passiven und aktiven Bewegungsapparates, sondern auch als ein zu geringer Informationsinput an unser zentrales Nervensystem zu verstehen. Diese Informationsarmut kann für uns als komplexe psycho-somatische Wesen mittel- und langfristig ein Problem darstellen.
Stehen als artgerechte Haltung
Die Frage, ob Stehen gesund oder schädlich sein kann, ist für uns Menschen hinfällig. Denn seit wir uns auf zwei Beinen fortbewegen, stehen wir auch auf zwei Beinen. Wir Menschen, die einzigen aufgerichteten Lebewesen, verfügen über artspezifische Körperhaltungsprogramme, über die in dieser Komplexität und Differenziertheit kein anderes Lebewesen verfügt. Mit dem Stehen nehmen wir eine relativ ökonomische Aktionshaltung ein, bei der der Körperschwerpunkt in der Körperaufrichtung leicht über die Unterstützungsfläche der Füße gebracht werden kann. Dies ist unsere artgerechte Haltung, die den gesamten menschlichen Körper in der Vertikalen über einer relativ kleinen Unterstützungsfläche hält.
In dieser Haltung können wir agieren, reagieren, unsere Mimik und Gestik frei einsetzen und unsere Sprache und Atemtätigkeit entfalten. Unser Skelett, insbesondere die Wirbelsäule und die tragenden Gelenke, werden axial belastet, den Muskeln wird ihre haltungsregulierende Funktion ermöglicht und unser zentrales Nervensystem bekommt Informationen aus allen Meldeorganen des Bewegungssystems.
Dynamisches Stehen
Wie eingangs erwähnt, kann jede monotone Haltung zunächst einen gewünschten Belastungsreiz für unser Bewegungssystem haben, jedoch rasch zu überschießenden Belastungen im Sinne zu hoher Belastungen aktiver und passiver Strukturen führen. Um einer Bewegungsmonotonie an einem Steh- oder Steh-Sitzarbeitsplatz entgegenzuwirken, gilt es, neben dem immer wiederkehrenden Wechsel zwischen Sitzen und Stehen auch im Stehen zusätzliche Bewegungsreize zu setzen. Diese können einen wesentlichen Beitrag für eine längere Arbeitszeit in unserer artgerechten Haltung leisten, da die durch das posturale Schwankungsmuster physiologische Bewegungsdynamik um zusätzliche, größere Bewegungsmuster ergänzt wird.
Ergonomische Hilfsmittel für dynamisches Stehen
Im Wesentlichen können wir zwischen zwei Systemen für zusätzliche Stehdynamik unterscheiden. Zum einen bieten spezielle Fußstützen für Sitz- oder Stehtische die Möglichkeit, durch das Aufstellen eines Beines (Spielbein) die Belastung insbesondere der tragenden Gelenke der Beine, des Kreuz-Darmbeingelenkes und des unteren Rückens zu ändern.
Das aufgestellte Bein erfährt hierbei eine Entlastung im Sinne einer Abnahme der axialen Belastung. Je nach Verlagerung des Körperschwerpunktes (KSP) kann es hierbei zu einer Belastungsänderung im Spielbein kommen, wenn der KSP trotzdem auf beide Beine verteilt wird. Wird der KSP hingegen größtenteils über das Standbein verlagert, so wird das aufgestellte Spielbein entlastet und das Standbein trägt die überwiegende Körperlast. Zeitangaben, wie lange eine Haltung mit einer Fußstütze eingenommen werden sollte, sind nach meinen Erfahrungen nicht sinnvoll, da der Anwender automatisch seine Belastungsverteilung reguliert. Der Einsatz einer Fußstütze wird in der regelmäßigen Anwendung nach einer Eingewöhnungszeit automatisiert und erlaubt trotz Belastungswechsel die volle Konzentration auf die eigentliche Arbeitsaufgabe (zunehmende Automatisierung des dynamischen Bewegungsverhaltens).
Neben den Fußstützen bieten sich sogenannte Stehboards an, stehende Tätigkeiten zu dynamisieren. Der Nutzer steht dabei beidbeinig auf dem neig- bzw. kippbaren Board und erfährt eine Destabilisierung seiner Unterstützungsfläche. Stehboards bieten den Vorteil, dass jede Bewegung zu einer mit- oder gegenläufigen Bewegung des Boards führt und den Belastungswechsel zwischen den Beinen zusätzlich dynamisiert. Meine Praxiserfahrung zeigt, dass eine unbewusste Bewegungssteuerung hier schneller erreicht werden kann als bei Fußstützen. Dies bedeutet, dass der Anwender die Belastungsänderung leichter automatisiert.
Stehdynamik im Alterungsprozess
Altern ist kein chronologischer, sondern ein biologischer Prozess. Mit zunehmendem Alter nehmen unter anderem die Vernetzungen und Informationsübertragungen im Nervensystem und damit auch die komplexen motorischen Programme ab.
Das Allheilmittel heißt lebenslange Bewegung. Hier können Steh-(Sitz-)Arbeitsplätze mit zusätzlichen ergonomischen Hilfsmitteln einen wertvollen Beitrag, gerade bei zunehmender Sitzdauer im Alter, leisten. Die vermehrten Bewegungsimpulse an unser Gehirn können möglicherweise der abnehmenden Synapsenplastizität entgegenwirken und fördern Gesundheit und Konzentration, auch und gerade im zunehmenden Alter.
Zusammenfassung
- Eine längere Bewegungsmonotonie kann zu einer übermäßigen Belastung unseres komplexen Organismus führen und durch eine Dynamisierung der Arbeitsprozesse durchbrochen werden.
- Neben Steh-Sitzlösungen bieten sich zusätzliche ergonomische Hilfsmittel für dynamisches Stehen an: Spezielle Fußstützen für Sitz-/Stehtische und Stehboards.