Die modernen Kommunikationsmedien verändern unser Kommunikationsverhalten grundlegend. Sie verleiten oft dazu, en passant zu kommunizieren – mit dramatischen Konsequenzen für die Qualität unserer Kontakte. Wie wir gewinnend kommunizieren, erklärt Barbara Liebermeister, die das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) in Frankfurt leitet.
Unser Kommunikationsverhalten hat sich stark verändert. Früher wurden kurze Fragen an oder von Freunden und Kollegen, Kunden und Lieferanten meist mit einem Telefonat geklärt, heute geschieht das häufig per E-Mail oder Chat-Nachricht. Bei dieser modernen Kommunikation bleibt oft eines auf der Strecke: der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Jeder Mensch möchte als Individuum wahr- und ernstgenommen werden. Als Kunde möchte er umworben werden, als Mitarbeiter wünscht er sich Wertschätzung und Anerkennung und als Geschäftspartner benötigt er den Augenkontakt, um Vertrauen aufzubauen.
Kommunikationsverhalten reflektieren
Ein unreflektierter Umgang mit diesen Bedürfnissen und den modernen Kommunikationsmedien kann dramatische Auswirkungen auf die Qualität unserer Kontakte und Beziehungen haben. Deshalb hier einige Tipps, wie Sie im digitalen Zeitalter eine gewinnende, weil die Menschen wertschätzende, Kommunikation führen.
Tipp 1: Human Awareness (persönliche Zuwendung)
Der persönliche Kontakt zählt nach wie vor. Das wird zum Beispiel bei der Vernetzung über die sozialen Medien oft vergessen. Eine hohe Zahl digitaler Kontakte mag beeindruckend auf Außenstehende wirken, doch letztlich entscheidet die Qualität und nicht die Zahl der Kontakte über die Tragfähigkeit Ihres Netzwerks. Die Qualität Ihrer Kontakte können Sie vor allem dadurch steigern, dass Sie diese auch offline, also im realen Leben pflegen.
Tipp 2: Social Awareness (soziale Kompetenz)
Eher robuste Zeitgenossen verstehen Empathie oft falsch. Sie sind überspitzt formuliert der Auffassung: Ich muss auch lachen, wenn dies mein Gegenüber tut. Und wenn er weint? Sollte ich das ebenfalls tun. Dies kann ein Ausdruck von Empathie sein, ist es aber nicht zwangsläufig.
Viel wichtiger ist es, dem Anderen zuzuhören und ihn als Mensch wahr- und anzunehmen. Aus der hieraus erwachsenden Verbindung und Vertrauensgrundlage entwickeln empathische Menschen dann Lösungen oder Ideen, die dem anderen im Idealfall helfen, beispielsweise sein Problem zu lösen.
Tipp 3: Incident Awareness (Gespür für den Moment)
Die Wahl des Kommunikationsmediums beeinflusst das Kommunikationsverhalten sowie den Verlauf und Ausgang einer Situation entscheidend. So macht es zum Beispiel einen gewaltigen Unterschied, ob man ein Lob per Mail, Telefon oder von Angesicht zu Angesicht formuliert. Dasselbe gilt für Kritik oder das Treffen von Absprachen.
Gerade wenn wir unter Zeitdruck stehen, neigen wir oft dazu, mit anderen Menschen zum Beispiel per Mail zu kommunizieren – in der Hoffnung, Zeit zu sparen, sowie aufgrund der irrigen Annahme, immer schnell reagieren zu müssen. Wer schnell reagiert, macht jedoch häufiger Fehler und vergisst oft entscheidende Details. Und vor allem bleiben bei der schnellen Kommunikation per Mail oder Chat, so nebenbei, häufig die Wertschätzung und Anerkennung für den anderen auf der Strecke. Kommunikation reduziert sich auf Information.
Tipp 4: Digital Awareness (digitale Glaubwürdigkeit)
Halten Sie (und Ihr Unternehmen) im realen Leben, was Sie online versprechen? Angenommen Sie werben mit den Begriffen „persönlich“ und „vertrauenswürdig“ um Kunden. Dann passen Telefonate auf offener Straße, in der Flughafenlobby oder im Zug – wo jeder mithören kann – nicht zu diesem (Werbe-)Versprechen.
Bei der Digital Awareness geht es darum, die Botschaften, die Sie bei der digitalen Kommunikation aussenden, mit denen im persönlichen Kontakt zu synchronisieren, damit Sie (und Ihr Unternehmen) glaubwürdig wirken. Insbesondere die Generation Y und noch stärker die nachrückende Generation Z misst diesem Faktor eine hohe Bedeutung bei. Für sie entscheidet die Glaubwürdigkeit und Authentizität einer Person, Organisation oder Marke darüber, ob sie ihr vertrauen. Dessen sollten sich gerade Führungskräfte und Verkäufer bewusst sein.
Tipp 5: Timeout-Awareness (Auszeiten nehmen)
Definieren Sie Zeiten, in denen sie sich vor allem um sich selbst und die Menschen in Ihrem Umfeld kümmern – Zeiten also, in denen Ihr PC und Smartphone ausgeschaltet ist. Denn woran messen Ihre Kollegen oder Mitarbeiter zum Beispiel in Besprechungen, welche Bedeutung Sie ihnen und dem behandelten Thema beimessen? Auch daran, ob besagte Medien ausgeschaltet sind. Denn nur dann können Sie sich voll und ganz auf die Situation und Ihr Gegenüber konzentrieren. Das sollte – von begründeten Ausnahmen abgesehen – eigentlich selbstverständlich sein.