Die Wissensarbeit ist im Umbruch. Der Journalist Markus Albers sieht darin große Chancen: weniger Fesseln an den Schreibtisch, mehr Selbstbestimmung. Allerdings müssten wir noch lernen, mit der Freiheit umzugehen.
OFFICE ROXX: Herr Albers, Sie sprechen mit Blick auf unsere neue Arbeitswelt von der „Meconomy“. Was ist das?
Markus Albers: Das „Me“ in Meconomy steht dafür, dass die Bindung von Arbeitnehmern an Arbeitgeber aus zwei Gründen sinkt. Der erste Grund ist – das wurde spätestens in der Finanzkrise gemerkt –, dass es den einen Job fürs Leben nicht mehr gibt. Gerade Jüngere sagen sich deshalb: Wenn der Job selbst bei einem großen Arbeitnehmer nicht das verspricht, was er früher versprochen hat, kann ich doch gleich mein eigenes Ding machen. An diesem Punkt kommt der zweite Grund ins Spiel: Es ist einfacher denn je geworden, sich selbstständig zu machen, seine eigenen Ideen umzusetzen. Das hat viel mit neuen technischen Möglichkeiten zu tun. Beides führt dazu, dass viele aus den Generationen Y und Z nicht mehr wie früher vom Bonuspaket, dem Eckbüro und dem Dienstwagen träumen, sondern von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.
Aber hört man nicht immer wieder, dass für viele Jüngere der sichere Nine-to-Five-Job mit Kündigungsschutz einen großen Reiz hat?
Tatsächlich sagen viele Hochschulabsolventen, dass sie gerne zu BMW oder Siemens wollen, in der Hoffnung, dass ihnen das Sicherheit beschert. Das Employer-Branding dieser Unternehmen für jüngere Zielgruppen ist durchaus erfolgreich, aber nur dahingehend, dass junge Leute dort anfangen zu arbeiten. Nach zwei, drei Jahren sind sie dann oft demotiviert und frustriert – und gehen wieder.
Was bedeutet die neue Auffassung von Arbeit für das Büro? Wird es überflüssig?
De facto kann ich zumindest in Wissensarbeitsjobs arbeiten, wann und wo ich will, ob im Café oder im Zug oder auf dem heimischen Balkon. Und immer mehr Menschen tun das auch. Braucht man dann noch Büros? Ja. Aber das Büro muss anders sein als früher. Es ist nicht mehr der Ort, wo ich hingehe, um auf einen Bildschirm zu schauen und in Ruhe etwas wegzuarbeiten, wo ich all meine Arbeitsmittel vorfinde, Kopierer, Faxgerät, Aktenschrank. Heute ist das Büro immer mehr ein Ort des kreativen Miteinanderarbeitens. Denn das geht Face to Face doch besser als virtuell vermittelt. Deshalb gibt es im Büro heute verschiedene Arbeitszonen, vor allem mehr Zonen des informellen Austauschens. Im Look and Feel nähern sich Büros dabei immer mehr Privatwohnungen, Cafés oder Hotellobbys an – also ausgerechnet jenen Orten, an die Menschen gehen, um dem Büro zu entkommen. Das Büro reagiert auf die neuen Arbeitstrends damit, die neuen Arbeitsorte nachzuahmen.
Besteht nicht die Gefahr, dass wir ohne Rast überall und immer arbeiten?
Die Vermischung von Arbeit und Privatleben ist etwas, das wir nicht mehr rückgängig machen können und – je nach Typ – auch gar nicht rückgängig machen wollen. Das größere Maß an Flexibilität und Selbstbestimmung ist etwas, das viele Jüngere schätzen. Nachmittags können sie beispielsweise eine Stunde Sport einschieben, dafür abends noch mal arbeiten. Ältere können ihre Kinder von der Kita abholen und dafür am Wochenende eine halbe Stunde lang E-Mails abarbeiten. Die neue Form der Selbstbestimmung über unsere Arbeit kann uns nicht nur produktiver machen, sondern – wenn es gut läuft – auch glücklicher. Denn das alte Arbeitsmodell war ja häufig, alle an den Schreibtisch zu fesseln, von neun bis fünf Uhr. Die Anwesenheitspflicht führte dann dazu, dass man während der eigentlichen Arbeitszeit auf Facebook schaute oder mit den Kollegen tratschte, um die Zeit irgendwie rumzubekommen. Gleichzeitig wusste man aber, dass man nach der Arbeit noch das Auto in die Werkstatt bringen oder die Wäsche waschen musste.
Aber natürlich besteht die Gefahr der völligen Entgrenzung der Arbeit. Das Prinzip des Feierabends ist bald weg, das werden meine Kinder, wenn sie größer sind, schon nicht mehr kennen. Man muss daher neue Grenzen der Arbeit finden. Wichtig ist hier eine neue Art der Leistungsmessung: nicht mehr über die Arbeitszeit, sondern über Arbeitsergebnisse. Wenn man es richtig macht, führt das dazu, dass man als Angestellter selbst seine Arbeitsbelastung steuern kann. In diesem neuen Arbeitsmodell länger von Work-Life-Balance zu sprechen, ist problematisch, da damit eine klare Trennung zwischen Work und Life vorausgesetzt wird. Wir müssen eher von Work-Life-Blending sprechen – wobei wir hier die richtige Aussteuerung hinbekommen müssen. Wir sind da in einer Umbruchszeit und tun uns alle noch schwer, das Handy auch mal wegzustecken und E-Mails nicht zu checken. Wir müssen neue Kulturtechniken entwickeln, wie wir mit den neuen Tools arbeiten. Auch im Büro. Dass wir im Open Space beispielsweise nicht laut telefonieren oder Konferenzen abhalten, sondern dafür in Rückzugsräume gehen. Und wenn es diese nicht gibt, sie beim Chef einfordern oder erreichen, dass man dafür in ein Café gehen darf.
Warum versuchen noch so viele Unternehmen, ihre Mitarbeiter weiter an den Schreibtisch zu fesseln?
Eine altmodische Managergeneration sieht einfach gerne ihre Schäfchen, um das Gefühl zu haben, dass sie arbeiten. Oft hat es aber auch mit schlechtem Management zu tun. Wenn ich als Chef immer alle Mitarbeiter um mich habe, muss ich selbst weniger vorausplanen und kann schnell mal ein Meeting einberufen, wenn es mir passt. Ein weiterer Grund ist die arbeitsrechtliche Situation in Deutschland, wo man noch gehalten ist, als Arbeitgeber die Arbeitszeit aufzuzeichnen. Auch die Gewerkschaften müssten das Thema stärker innovativ besetzen und Vorschläge machen, die den neuen Gegebenheiten eher entsprechen.
Überhaupt bin ich der Meinung, dass die Diskussion um die neue Arbeitswelt im Moment noch zu häufig in fachlichen Silos geführt wird, je getrennt von ITlern, HR-Verantwortlichen, Office-Designern und Facility-Managern. Das Ganze bekommt nur dann Dynamik, wenn man diese Silos einreißt. Zusammen mit ein paar Leuten habe ich deshalb die Beratungsplattform Neuwork gestartet, die die Expertise all dieser Bereiche versammelt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dr. Sebastian Klöß.