Die Schreibtrainerin Astrid Rust verrät an dieser Stelle Kniffe zu Rechtschreibung und Korrespondenz. Der fünfte Teil der Serie beschäftigt sich mit der Groß- und Kleinschreibung.
Beim letzten Mal hatte ich Ihnen eine entspannte Runde zur Groß- und Kleinschreibung versprochen – hier ist sie! Die Frage, ob und wie sinnvoll die Groß- und Kleinschreibung ist, lassen wir einfach mal stehen und sehen es einfach so, dass wir mit ihr manche Bedeutungsunterschiede einfach schneller aufdecken können:
Vor dem Fenster sah sie den geliebten Rasen.
Vor dem Fenster sah sie den Geliebten rasen.
Bei der Groß-/Kleinschreibung gibt es eine einfache Regel, die Sie – bis auf sechseinhalb Ausnahmen – immer anwenden können:
Hauptwörter und alle Wörter, die man wie ein Hauptwort benutzt, schreibt man groß, alle anderen klein.
Hauptwörter erkennen Sie vor allem am Artikel:
(den) Kuchen essen, (den) Wein trinken, (die) Lust haben
Wir können auch Wörter, die eigentlich aus einer anderen Wortart kommen, zu einem Hauptwort machen, indem wir einen Artikel oder Ähnliches davorsetzen. Diese sogenannten Substantivierungen schreiben wir dann immer groß:
das Ganze – alles Gute – etwas Neues – nichts Wichtiges – viel Süßes – der Nächste, bitte – am Ersten jedes Monats – auf dem Laufenden bleiben – im Allgemeinen
Es gibt ein paar Verbindungen, die zwar keinen Artikel vor dem Wort direkt, ihn aber doch irgendwo „versteckt“ haben. Hier können Sie groß- oder kleinschreiben; ich empfehle Ihnen aber auch hier, unsere Einfach-Regel konsequent anzuwenden:
vor Kurzem – seit Längerem – bis auf Weiteres
Nur Verbindungen, die überhaupt keinen Artikel haben, schreiben wir klein:
von klein auf – gegen bar – schwarz auf weiß – grau in grau
1/2 Ausnahme
Unsere halbe Ausnahme ist der Superlativ mit am: am kleinsten. Diese Ausdrücke schreibt man immer klein. Da man aber nicht an dem kleinsten sagen kann, ist diese Ausnahme ziemlich logisch und macht keine großen Schwierigkeiten.
Ausnahmen 1 bis 4
Ausnahmen von unserer Einfach-Regel sind diese vier Wörter:
ein – ander – viel – wenig
Wir müssen diese Wörter immer kleinschreiben, auch wenn wir einen Artikel davorsetzen. Eine Erklärung kann ich Ihnen hier leider nicht liefern, Sie müssen es sich einfach merken ...
der eine oder andere
nur wenige
alles andere
es gab viele
unter anderem
Das Wörtchen Mal
Unsere Hauptwort-Regel gilt natürlich auch für das Wörtchen Mal: Es gibt keinen Grund, dieses Wort klein- bzw. mit anderen Wörtern zusammenzuschreiben:
das erste Mal – dieses Mal – jedes Mal
Hier kann man zwar auch zusammenschreiben, zum Beispiel:
einmal – dreimal – ein paarmal
Aber ich empfehle Ihnen, auch hier unsere Einfach-Regel anzuwenden, vor allem, wenn die Betonung auf Mal liegt:
nur ein Mal – höchstens drei Mal(e) – ein paar Mal
Farben und Sprachen
Wenn Farben und Sprachen zusammen mit einer Präposition auftreten, schreibt man sie immer groß:
Wenn die Ampel auf Rot schaltet, müssen Sie warten, bei Grün dürfen Sie fahren.
Sie trägt ihr Referat auf Französisch vor.
Ohne Präposition schreiben Sie Farben und Sprachen klein:
Die Ampel ist erst rot, dann grün.
Der Text ist deutsch.
Tageszeiten
Auch Tageszeiten schreibt man groß:
gestern Abend – heute Morgen – morgen Nachmittag
Diese Schreibweise ist eigentlich logisch, da wir hier ein imaginäres am und dann ein Hauptwort haben: morgen (am) Abend.
Bei morgen früh ist übrigens auch die Schreibweise morgen Früh möglich; hier können Sie sich nach Lust und Laune entscheiden.
Anreden
Beim Thema Anreden gibt es immer noch den Irrglauben, dass man die Höflichkeitsanrede Sie jetzt auch kleinschreiben kann. Diese Annahme ist nicht richtig: Die Höflichkeitsanrede schrieb und schreibt man immer groß:
Bitte senden Sie mir Ihre Unterlagen.
Nur wenn Sie jemanden duzen, können Sie entscheiden, ob Sie die Anrede groß- oder kleinschreiben:
Kommst du morgen mit deiner Frau auf mein Fest?
Kommst Du morgen mit Deiner Frau auf mein Fest?
Pronomen
Alle anderen Pronomen werden grundsätzlich kleingeschrieben:
ich, er, sie, es, wir, sie
Pronomen sind Fürwörter, also Wörter, die für jemand oder etwas stehen; dazu gehören also auch:
alle – beide – diese – jene – einige – manche – die meisten – jede – etliche – solche
Diese Regel kann man sich gut merken, denn ich kann ja aus einem Pronomen kein Hauptwort machen und einen Artikel davorsetzen – oder doch?
Ausnahmen 5 bis 6
Zugegeben, bei beide und die meisten kann ich einen Artikel davorsetzen, aber man schreibt es trotzdem klein:
die beiden – die meisten
Und das sind dann schon unsere letzten zwei Ausnahmen.
Uhrzeiten
Uhrzeiten schreibt man im Allgemeinen klein:
um acht – gegen halb fünf – um viertel sechs
Aber:
Es ist Viertel nach eins
Bevor Sie sich hier verwirren lassen, empfehle ich Ihnen, Uhrzeiten immer mit Ziffern zu schreiben. So kommt es zu keinen Missverständnissen – oder weiß jeder, was mit viertel sechs oder drei viertel acht gemeint ist?
Astrid Rust, |