Gutes Benehmen hat viele Gesichter. Die Publizistin Dr. Alexandra Hildebrandt beschäftigt sich mit verschiedenen Formen von Höflichkeit, der Kunst des Kommunizierens und der Bedeutung von inneren Werten.
Je mehr Verantwortung in der Gesellschaft abgegeben wird, desto mehr verstärkt sich das menschliche Bedürfnis nach einer persönlichen Haltung, die es zu bewahren gilt, und die sich in gutem Benehmen zeigt. Dazu gehört beispielsweise, Menschen im Gespräch anzublicken, sich auf sie zu konzentrieren und ihnen zuzuhören.
Gutes Benehmen und Höflichkeit sind nur teilweise erlernbar
Das manager magazin berichtete in der März-Ausgabe 2016, dass 60 bis 70 Prozent des Verhaltens unserer Vorstände erlernbar seien – den Rest würden die Gene bestimmen. Bevor Oliver Bäte, der aufgrund seines Beratungsweges als „Homo mckinseyensis“ bezeichnet wurde, Vorstandsvorsitzender der Allianz wurde, übte er die Kunst des Zuhörens und paukte Kommunikationsroutinen. Doch lässt sich gutes Benehmen büffeln wie Schulvokabeln? Kommt gutes Benehmen nicht zuerst von innen? Menschen erkennen sehr schnell, ob Gesten antrainiert oder echt sind. Manchmal verhilft schon ein Blick in den Spiegel zu neuen Erkenntnissen.
Bei der Kommunikation das Ego zurückstellen
„Vielleicht haben wir deshalb zwei Ohren und nur einen Mund, damit wir uns erinnern, dass wir zweimal so viel zuhören sollten als selbst zu sprechen“, schreibt der Neuromerchandising-Experte Bert Martin Ohnemüller in seinem persönlichen Erfahrungs- und Erlebnisbericht. Indem er Ergebnisse der Kommunikationsforschung aufgreift, identifiziert er die drei wesentlichen Elemente gelungener Unternehmens- und Lebensführung: Lead. Speak. Inspire. Es ist erwiesen, dass das Resultat der eigenen Kommunikation grundlegend durch die innere Haltung bestimmt wird: Wie wir auf andere zugehen oder uns auf den anderen Gesprächspartner ausrichten. Auch hier spielt das Ego-Thema hinein: Geht es darum, selbst im hellsten Licht zu strahlen, oder darum, „durch wertfreies Zuhören ein klares Verständnis für den anderen zu erreichen und um den gemeinsamen Konsens“?
Reden ist Silber, Zuhören Gold
Das Buch von Ohnemüller ist außerdem ein Plädoyer für das empathische Zuhören, das Wertschätzung dem anderen gegenüber zum Ausdruck bringt. Die Fähigkeit, bewusst zuzuhören oder andere aussprechen zu lassen, ist uns vielfach abhandengekommen. Damit verbunden ist wachsender persönlicher Stress. Die Zahlen der Burnouts steigen und lassen sich unter anderem darauf zurückführen, dass immer weniger Menschen ihr Leben als ein gelingendes begreifen. Geduld, Reflexion, gutes Benehmen und eine bewusste Lebensgestaltung scheinen vor diesem Hintergrund die neuen Kardinaltugenden zu werden – auch im Management. Verbunden sind diese Themen mit dem steigenden Interesse an Achtsamkeit.
Vom Wert der Höflichkeit und guter Manieren
Was wirklich zählt, sind innere Werte, die ein abstraktes Thema wie Nachhaltigkeit zu einem persönlichen werden lassen. Diese Entwicklung deutete sich vor etwa zehn Jahren an, als das Buch „Manieren“ von Asfa-Wossen Asserate erschien. Ein Bestseller, in dem er den Knigge in die Gegenwart transferierte und sich auf eine neue und zeitgemäße Etikette konzentrierte. Asserate zeigt, dass die Deutschen ein bedeutendes kulturelles Kompendium besitzen. Nach dem Motto: „Schaut her, hier sind all diese Werte. Beschäftigt euch damit und reicht sie an die nächste Generation weiter.“ Für ihn sind sie der ästhetische Ausdruck der Moral, das Parfüm, mit dem wir zeigen, dass wir nicht stinken: „Manieren sind die Kinder der Moral und die Enkelkinder der Religion.“ Sie drücken nicht nur Menschwerdungsakte, sondern auch eine tiefe Symbolik von Nachhaltigkeit aus. Wenn Asserate gefragt wird, was man denn davon habe, wenn man sich gut benehme, antwortet er: „Versuch es doch einfach mal. Ich wette mit dir, dass du an dem Abend, an dem du einem Menschen etwas Gutes getan hast, besser schlafen kannst.“
Literatur:
Asfa-Wossen Asserate: „Manieren.“ Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 2005.
Bert Martin Ohnemüller: „Lead. Speak. Inspire. Ein persönlicher Erfahrungs- und Erlebnisbericht über die drei wesentlichen Elemente gelungener Unternehmens- und Lebensführung.“ Neuromerchandisinggroup, Frankfurt a. M. 2016.
Alexandra Hildebrandt: „Manieren 21.0: Warum gutes Benehmen heute wieder salonfähig ist.“ Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Publizistin, Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin. Twitter.com: @AHildebrandt70 (Foto: Steffi Henn)
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