Die meisten Angestellten arbeiten in Mehrpersonen- oder Großraumbüros. Der Wunsch, ungestört bzw. in Ruhe tätig sein zu können, wird dort aber nur wenigen erfüllt. Hauptursache: die Hintergrundsprache. Prof. Dr. Sabine Schlittmeier von der RWTH Aachen University erläutert die Thematik.
In Umfragen wird Lärm oft als die schwerwiegendste Belästigungsquelle im Office genannt, in der Regel noch deutlich vor der Luftqualität und der Beleuchtung. Als besonders störend wird Hintergrundsprache erlebt, wie zum Beispiel Telefon- oder Kollegengespräche. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass es sich hierbei nicht nur um ein Gefühl handelt. Die kognitive Leistung wird durch Hintergrundsprache tatsächlich gemindert – und zwar auch dann, wenn diese irrelevant für die aktuelle Arbeitsaufgabe ist.
Bestimmte Schalle stören bestimmte kognitive Leistungen
Der kognitionspsychologische Informationsverarbeitungsansatz hilft aufzuklären, wie und warum Hintergrundsprache bestimmte kognitive Prozesse und Denkleistungen stört. Er veranschaulicht, dass das Zusammenspiel einer begrenzten Menge von Wahrnehmungs- und kognitiven Basisfunktionen die unterschiedlichen Leistungen ermöglicht, die in Büros erbracht werden. Diese sind jeweils vulnerabel für bestimmte Hintergrundschalle bzw. Schallcharakteristika.
Ein Beispiel: Wird dieser Artikel vorgelesen, muss das Sprachsignal für Zuhörer ausreichend laut und deutlich zu hören sein. Rauschen als kontinuierliches, breitbandiges Signal maskiert bestimmte Anteile gesprochener Sprache, die dann gar nicht oder nicht mehr gut hörbar ist. Zudem benötigt es Konzentration, um dem Vorgelesenen aufmerksam zu folgen. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis wird durch Hintergrundsprache gestört, da es für Signale mit klaren temporal-spektralen Schwankungen anfällig ist. Aufmerksamkeit als weitere kognitive Basisfunktion wird durch unregelmäßige, impulshaltige Störgeräusche beeinträchtigt. Auch wenn man weiß, dass das klingelnde Telefon nicht das eigene ist, wird der Aufmerksamkeitsfokus von der Arbeitsaufgabe abgelenkt und muss erst wieder zurückgeholt werden. Schließlich müssen Informationen zwischengespeichert und miteinander verknüpft werden, um Schlussfolgerungen zu ziehen und sich im Nachgang an Inhalte erinnern zu können.
Akustische Maßnahmen gegen Sprachverständlichkeit und Pegel
In einem Laborexperiment an der RWTH Aachen University bearbeiteten Versuchsteilnehmende eine Kurzzeitgedächtnisaufgabe unter verschiedenen Hintergrundschallbedingungen. Zum einen wurde die Leistung in der Aufgabe erfasst und über die verschiedenen Schallbedingungen verglichen. Zum anderen wurden die Versuchsteilnehmenden gefragt, wie störend sie die verschiedenen Schallbedingungen subjektiv empfanden. Es zeigte sich, dass die Störwirkung der Hintergrundsprache auf die Gedächtnisleistung nur dann reduziert wurde, wenn deren Verständlichkeit verringert worden war. Eine Pegelminderung allein (hier von 55 auf 35 dBA) führte nicht zu einer Verbesserung der kognitiven Leistung. Für die subjektiven Störungsurteile war jedoch der Pegel entscheidend: Die Versuchsteilnehmenden empfanden die Hintergrundsprache bei verminderter Sprachverständlichkeit noch nicht als weniger störend – erst eine zusätzliche Minderung der Lautstärke führte dazu, dass sie sich auch weniger gestört fühlten.
Sprachverständlichkeit reduzieren
Aus kognitionspsychologischer Sicht sind die Ergebnisse gut erklärbar. Die kognitive Leistung profitiert von einer reduzierten Sprachverständlichkeit, da dies die temporal-spektralen Schwankungen des Sprachsignals mindert. Eine Pegelabsenkung alleine ist nicht effektiv, da sie die temporal-spektralen Eigenschaften des Sprachsignals nicht ausreichend ändert. Der positive Effekt einer reduzierten Verständlichkeit von Hintergrundsprache geht über das Kurzzeitgedächtnis hinaus. Zum einen, weil es bei einer Vielzahl komplexer kognitiver Leistungen beteiligt ist. Zum anderen, weil ein Sprachsignal mit reduziertem Bedeutungsgehalt auch bei semantikbasierten Aufgaben wie Leseverständnis oder Textproduktion weniger stört.
Prof. Dr. Sabine J. Schlittmeier, Institut für Psychologie (IfP), |