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Klimawandel im Büro: Experten-Statements zu gesunder Raumluft

Luft ist ein wich­ti­ges Lebens­mit­tel. Doch lan­ge Zeit wur­de das vor allem in Büros igno­riert. Seit Coro­na ist das anders. Wir haben uns bei Raum­kli­ma-Exper­ten umge­hört, unter wel­chen Bedin­gun­gen siche­res Arbei­ten im Büro mög­lich ist.

Maskenpflicht im Meeting: Corona hat die Arbeitswelt verändert. Abbildung: Mart Production, Pexels

Mas­ken­pflicht im Mee­ting: Coro­na hat die Arbeits­welt ver­än­dert. Abbil­dung: Mart Pro­duc­tion, Pexels

Die Coro­na­pan­de­mie hat ein Umden­ken bewirkt. Vie­len Büro­be­schäf­tig­ten wur­de schlag­ar­tig bewusst, wie wich­tig die Qua­li­tät der Raum­luft ist. Fak­to­ren wie Tem­pe­ra­tur, Luft­feuch­te, CO2-Wer­te und VOCs beein­flus­sen maß­geb­lich Gesund­heit, Wohl­be­fin­den, Kon­zen­tra­ti­on und Pro­duk­ti­vi­tät. Grund genug für uns, Exper­ten renom­mier­ter Insti­tu­tio­nen zu fra­gen, unter wel­chen raum­kli­ma­ti­schen Bedin­gun­gen man noch sicher im Büro arbei­ten kann. Wir woll­ten wis­sen, was vor­ge­schrie­ben und was emp­feh­lens­wert ist.

Dr. Simone Peters, Leitung Bereich 3.2 Technische Schutzmaßnahmen, Raumklima, Innenraumarbeitsplätze, Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)

Dr. Simone Peters, Leitung Bereich 3.2 Technische Schutzmaßnahmen, Raumklima, Innenraumarbeitsplätze, Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA). dguv.de

„Bereits vor der Pan­de­mie galt die Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung mit den bei­den Tech­ni­schen Regeln für Arbeits­stät­ten ASR A3.6 ‚Lüf­tung‘ und A3.5 ‚Raum­tem­pe­ra­tur‘. Dies hat auch wei­ter­hin Bestand. Für eine gute Raum­luft­qua­li­tät und auch zum Infek­ti­ons­schutz ist aus­rei­chen­des Lüf­ten über weit geöff­ne­te Fens­ter oder eine tech­ni­sche Lüf­tung not­wen­dig. Als Maß für eine gute Raum­luft­qua­li­tät kann zum Bei­spiel ein Koh­len­di­oxid­ge­halt bis 1.000 ppm in der Raum­luft her­an­ge­zo­gen wer­den. Die zur­zeit immer öfter ein­ge­setz­ten mobi­len Luft­rei­ni­ger kön­nen als Umluft­ge­rä­te das Lüf­ten nicht erset­zen, da sie kei­ne fri­sche Außen­luft in den Raum ein­brin­gen. Sie kön­nen aber dazu bei­tra­gen, in schlecht zu belüf­ten­den Räu­men eine mög­li­che Viren­be­las­tung der Raum­luft zu ver­rin­gern und so das Infek­ti­ons­ri­si­ko zu sen­ken. Wich­tig dabei ist ein Nach­weis über die Wirk­sam­keit und dar­über, dass kei­ne Gesund­heits­ge­fähr­dun­gen von den Luft­rei­ni­gern aus­ge­hen, zum Bei­spiel durch frei­wer­den­de Gefahr­stof­fe oder Strahlung.“


Dr. Carina Jehn, Stellvertretende Leiterin des Sachgebiets Innenraumklima im Fachbereich Verwaltung, DGUV e. V.

Dr. Carina Jehn, Stellvertretende Leiterin des Sachgebiets Innenraumklima im Fachbereich Verwaltung, DGUV e. V. vbg.de„Die Tem­pe­ra­tur ist ein wesent­li­cher raum­kli­ma­ti­scher Para­me­ter. Damit Beschäf­tig­te zufrie­den und gesund arbei­ten kön­nen, darf die Luft­tem­pe­ra­tur im Büro 20 Grad Cel­si­us nicht unter­schrei­ten und 26 Grad Cel­si­us nicht über­schrei­ten. An hei­ßen Som­mer­ta­gen sind wei­te­re Maß­nah­men not­wen­dig. Die gespei­cher­te Wär­me kann zum Bei­spiel durch Lüf­tung in den Mor­gen­stun­den oder Nacht­lüf­tung abtrans­por­tiert wer­den. Geeig­ne­ter Son­nen­schutz ver­rin­gert ein über­mä­ßi­ges Erwär­men des Raums. Wird die Luft­tem­pe­ra­tur im Raum von 35 Grad Cel­si­us über­schrit­ten, so ist der Raum für die Zeit der Über­schrei­tung ent­spre­chend der Tech­ni­schen Regel ASR A3.5 ‚Raum­tem­pe­ra­tur‘ ohne wei­te­re Maß­nah­men nicht als Arbeits­raum geeig­net. Neben den Gren­zen für Luft­tem­pe­ra­tur hängt das Kli­ma­emp­fin­den auch von der Luft­feuch­te, der Luft­be­we­gung und der Wär­me­strah­lung ab. Bei höhe­ren Luft­tem­pe­ra­tu­ren wird eine erhöh­te Luft­be­we­gung als ange­nehm emp­fun­den. Die Zusam­men­hän­ge die­ser raum­kli­ma­ti­schen Para­me­ter wer­den in der DGUV-Infor­ma­ti­on 215-520 beschrieben.“


Dr.-Ing. Kersten Bux, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Gruppe 2.4 Arbeitsstätten, Maschinen- und Betriebssicherheit, BAuA Dresden

Dr.-Ing. Kersten Bux Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Gruppe 2.4 Arbeitsstätten, Maschinen- und Betriebssicherheit, BAuA Dresden. baua.de. Abbildung: Uwe Voelkner, FOX

Abbil­dung: Uwe Voel­k­ner, FOX

„Das Büro­kli­ma lässt sich nach heu­ti­gem Stand der Tech­nik auf Basis von Arbeits­schutz­re­ge­lun­gen und Nor­men men­schen­ge­recht gestal­ten, sodass Gesund­heit, Wohl­be­fin­den und auch die Leis­tungs­fä­hig­keit der Beschäf­tig­ten dadurch nicht beein­träch­tigt wer­den. Dafür for­dert die Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung eine ‚gesund­heit­lich zuträg­li­che Raum­tem­pe­ra­tur und Raum­luft‘, bei RLT-Anla­gen ist Zug­luft zu ver­mei­den. Tech­ni­sche Regeln unter­set­zen das kon­kret, zum Bei­spiel min­des­tens +20 Grad Cel­si­us, im Som­mer sind bis +35 Grad Cel­si­us bei Ein­hal­tung bestimm­ter Maß­nah­men zuläs­sig. Emp­feh­lens­wert ist ein opti­ma­les Raum­kli­ma: Win­ter +22 Grad Cel­si­us ±2 Kel­vin, Som­mer +24 Grad Cel­si­us ±2 Kel­vin, Luft­ge­schwin­dig­keit am Arbeits­platz <0,15 m/s, zudem regel­mä­ßig kon­trol­lier­tes Lüf­ten, aus­rei­chend trin­ken, bei ‚tro­cke­ner Luft‘ dem Haut­typ abge­stimm­te Cremes ver­wen­den. Der Kli­ma­wan­del kann zur Über­wär­mung von Innen­räu­men ohne Kli­ma­an­la­gen und damit zu einer Hit­ze­be­las­tung der Beschäf­tig­ten füh­ren. Maß­nah­men des Arbeits­schut­zes sind dar­an anzupassen.“


Claus Händel, Technischer Referent, Fachverband Gebäude-Klima e. V.

Claus Händel, Technischer Referent, Fachverband Gebäude-Klima e. V. fgk.de

„Das Inter­es­se an gesun­der Raum­luft hat enorm zuge­nom­men, seit bekannt wur­de, dass Aero­so­le erheb­lich zur Über­tra­gung von Coro­na­vi­ren bei­tra­gen – ins­be­son­de­re in Räu­men, in denen sich meh­re­re Men­schen über einen lan­gen Zeit­raum auf­hal­ten, wie in Büros. Effek­ti­ves Lüf­ten redu­ziert eine mög­li­che Viren­last in der Raum­luft. Die kom­for­ta­bels­te und nach­hal­tigs­te Lösung ist eine Raum­luft­tech­ni­sche (RLT-)Anlage, die kon­ti­nu­ier­lich ‚ver­brauch­te‘, aero­sol­be­las­te­te Raum­luft abführt und viren­freie Außen­luft in den Raum bringt. Gleich­zei­tig kann sie Fein­staub und Pol­len aus der Zuluft fil­tern, begrenzt die CO2-Kon­zen­tra­ti­on in der Raum­luft, hält die Lüf­tungs­wär­me­ver­lus­te durch eine Wär­me­rück­ge­win­nung gering und den Stra­ßen­lärm drau­ßen. Um die Viren­last in Innen­räu­men zu ver­rin­gern, kön­nen auch Luft­rei­ni­ger ein­ge­setzt wer­den. Sie müs­sen aber unbe­dingt mit aus­rei­chen­der Außen­luft­zu­fuhr kom­bi­niert wer­den, sonst steigt der CO2-Gehalt in der Raum­luft auf unzu­läs­si­ge Wer­te und beein­träch­tigt die Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit. Im FGK Sta­tus-Report 52 wird ein ver­ein­fach­tes Ver­fah­ren vor­ge­stellt, mit dem sich Lüf­tung und Luft­rei­ni­gung zur Reduk­ti­on des Infek­ti­ons­ri­si­kos bewer­ten las­sen. Mit der +L-App kann ermit­telt wer­den, ob die­se Anfor­de­run­gen ein­ge­hal­ten wer­den. Eine abso­lu­te Sicher­heit lässt sich – wie mit den AHA-Maß­nah­men – auch mit der Lüf­tung nicht errei­chen. Das Risi­ko der Infek­ti­ons­über­ta­gung ist aber umso gerin­ger, je mehr Maß­nah­men kom­bi­niert werden. “


Prof. Dr. Gunnar Grün, Stellvertretender Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP

Prof. Dr. Gunnar Grün, Stellvertretender Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. ibp.fraunhofer.de

„Raum­kli­ma­ti­sche Bedin­gun­gen haben einen enor­men Ein­fluss auf die Über­tra­gungs­wahr­schein­lich­keit luft­ge­tra­ge­ner Viren sowie ande­rer Kei­me. Ins­be­son­de­re die Men­ge der in der Raum­luft ent­hal­te­nen Viren ist maß­geb­lich für eine Anste­ckung. Daher ist neben dem Tra­gen von Mas­ken inten­si­ves Lüf­ten das A und O für einen siche­ren Auf­ent­halt in Innen­räu­men. Beim Lüf­ten wird die Raum­luft mit unbe­las­te­ter Luft ver­dünnt und damit die Kon­zen­tra­ti­on an Viren ver­rin­gert. Ist dies nicht oder nur in zu gerin­gem Umfang mög­lich, soll­ten Luft­rei­ni­gungs­ge­rä­te ein­ge­setzt wer­den. Die­se ent­fer­nen ent­we­der durch Fil­tra­ti­on die Virus­par­ti­kel aus der Luft oder über inak­ti­vie­ren­de Tech­ni­ken, die die Viren so schä­di­gen, dass sie sich nicht ver­meh­ren kön­nen. Dabei soll­ten die Gerä­te einen stünd­li­chen Luft­durch­satz haben, der in etwa dem Vier- bis Sechs­fa­chen des Raum­vo­lu­mens ent­spricht. Sind Gerä­te aller­dings zu laut, ist es rat­sam, die­se bei nied­ri­gen Lüf­tungs­stu­fen zu betrei­ben, um kon­zen­trier­te Büro­ar­beit und Kom­mu­ni­ka­ti­on unge­stört zu ermöglichen.“


Dr. Heinz Fuchsig, Sachverständiger für Arbeits- und Umweltmedizin

Dr. Heinz Fuchsig, Sachverständiger für Arbeits- und Umweltmedizin. auva.at

„Coro­na als Mut­ter vie­ler Ver­än­de­run­gen hat die Raum­luft end­lich in Büros zum The­ma gemacht: Luft­wä­scher, CO2-Ampeln zur Über­wa­chung der Lüf­tungs­ra­te und Home­of­fice zur Anste­ckungs­re­duk­ti­on wer­den blei­ben. Der häu­figs­te Kran­ken­stands­grund sind Atem­wegs­in­fek­te. Dabei wer­den ‚guter Raum­luft‘ rund 2,5 Tage weni­ger Abwe­sen­heit zuge­schrie­ben. Wer im Win­ter stark heizt oder im Som­mer stark kühlt, trock­net über die Raum­luft sei­ne Schleim­häu­te aus und stört damit die Immun­ab­wehr stark. Stoß­lüf­ten statt Kip­pen und not­falls Luft­be­feuch­ter soll­ten für min­des­tens 30 Pro­zent rela­ti­ve Feuch­te sor­gen, bei Sprech­be­ru­fen soll­ten es 40 Pro­zent sein. CO2-Wer­te unter 1.200 ppm zei­gen eine gute Luft an, ab 2.000 ppm sind Kopf­schmer­zen und Müdig­keit häu­fig. Luft­wä­scher redu­zie­ren im direk­ten Umfeld Kei­me in der Luft, kön­nen aber laut und teu­er im Unter­halt sein. Bes­ser ist das Lüf­ten ins stra­ßen­fer­ne Freie. Pflan­zen sind gut, außer das Büro wird bei Hit­ze feucht: 29 Grad Cel­si­us und 60 Pro­zent Luft­feuch­te wer­den wie 32 Grad Cel­si­us und 40 Pro­zent Feuch­te emp­fun­den. Damit ist die Kli­ma­kri­se im Büro angekommen.“


PrimaBüroKlimaMehr Infor­ma­tio­nen rund um das The­ma Ver­bes­se­rung der Innen­raum­luft – etwa durch Mes­sung, Lüf­tung, Rei­ni­gung, Befeuch­tung und Begrü­nung – lie­fert die Initia­ti­ve Pri­ma­Bü­ro­Kli­ma.

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