Tillmann Strohbach coacht Unternehmen in Sachen Agilität. Dabei hilft ihm seine langjährige Vertriebserfahrung im Bereich IT-Lösungen. In seiner hier startenden Reihe über agile Arbeitsmethoden erklärt er zunächst einmal, was das eigentlich ist: agiles Arbeiten.
Bei meiner Tätigkeit für verschiedene Hersteller in unterschiedlichen nationalen und internationalen Märkten war es oft so, dass IT-Lösungen nur von IT-lern beschafft bzw. in bestehende Infrastrukturen eingeführt wurden. Die Mitarbeiter der IT-Abteilung waren aber in der Regel nicht diejenigen, die diese Lösungen am Ende nutzen sollten. Weil verabsäumt wurde, die normalen Nutzer – die Mitarbeiter der Organisationen – einzubeziehen, sind viele Projekte gescheitert.
Vor ein paar Jahren begegnete mir dann zum ersten Mal bewusst das Thema Agilität. Einer meiner Kunden hatte seine internen Prozesse mit der KVP-Methode (Kontinuierlicher Verbesserungs-Prozess) optimiert und ich war Teil des Teams.
Mein erster Gedanke: „Klasse! Wie cool ist das denn!? Ein Handwerkskoffer, um Kommunikation mit Respekt auf Augenhöhe und wertschätzend zu organisieren und weiterzuentwickeln!“ Das genau sind agil, Agilität und die unterschiedlichen agilen Methoden in agilen Strukturen bis heute für mich!
Agile Methoden gibt es eigentlich schon sehr lang. Firmen wie Toyota arbeiten seit zig Jahren mit Kanban-Methoden, um ihre Produktionsprozesse immer wieder anzupassen und zu optimieren.
Schluss mit der 100-prozentigen Funktionalität
Als die Entwicklung von Software Anfang dieses Jahrtausend durch die exponentiell steigenden Anforderungen sprunghaft zunahm, die Anwender aber immer weniger verstanden, wie Software funktioniert, entstand die Situation, dass Software so kurzlebig wurde, dass eine 100-prozentige Funktionalität gar nicht mehr zu gewährleisten war und auch immer weniger notwendig wurde.
Software-Entwickler sind bis heute ganz oft sehr kreative Künstler. Das Problem bei Künstlern und ihren Kunstwerken: Wann ist etwas fertig? Wann kann ein Kunde endlich eine Rechnung stellen und eine funktionierende Software erwarten?
Es wird zeitlich begrenzt und gemeinsam entwickelt
So sind aus dieser Entwicklung und den sich immer dynamischeren Anforderungen an und Funktionen von Software das agile Manifest und die Methode Scrum entstanden. Ziel ist es heute, Software zeitlich begrenzt zu entwickeln. Was man in einem begrenzten Zeitraum, einem sogenannten Sprint, an Funktionalität schafft, ist dann die fertige Funktion der Software. Dazu später mehr.
Im Unterschied zur Vergangenheit, wo nach der sogenannten Wasserfall-Methode gearbeitet wurde, wird nun zwischendurch auch noch der Kunde oder Anwender angesprochen, um ihm regelmäßig, also nach jedem Sprint, die Ergebnisse zu präsentieren. Ziel ist, immer wieder die Anforderungen an die aktuellen Prozesse des Kunden anzupassen.
Es wird auch zunehmend darauf Wert gelegt, dass die Kommunikation innerhalb der Teams und der Teams zur Organisation und zum Kunden, funktioniert. Dafür gibt es sogenannte Retrospektiven, die regelmäßig nach jedem Sprint stattfinden.
Agile Methoden oder agiles Arbeiten erfordert einen sehr hohen Grad an Disziplin von allen Beteiligten. In agilen Teams arbeiten alle eigenverantwortlich. Sie wollen etwas gemeinsam für den Kunden gestalten, neu entwickeln oder optimieren. Das setzt voraus, dass permanent mit allen Beteiligten kommuniziert wird, um dann wertschätzend nach Lösungen für „die Sache“ zu suchen. Für diese Kommunikation gibt es immer wiederkehrende Workshops. Wer hier unvorbereitet und abwartend hineingeht, verhält sich wenig wertschätzend, sowohl gegenüber den Kollegen als auch gegenüber den Kunden. Das ist dann auch nicht mehr agil. Agile Arbeitsmethoden funktionieren nur, wenn man sich gemeinsam über die Konsequenzen im Klaren ist.
Mit anderen agilen Methoden, wie etwa Design Thinking und Open Space, werden Räume für Kreativität geschaffen, um aktuelle Prozesse und Produkte zu hinterfragen oder neu zu entwickeln. Kreativität braucht Raum, frei von Zwängen. Somit kann Agilität die persönliche Entwicklung genauso wie die einer Organisation fördern und begünstigen. Auch dazu später mehr.
Agile Arbeitsmethoden nehmen die Mitarbeiter mit
Für mich ist es dabei wichtig, dass wir hier über die Arbeit von Menschen sprechen. Es kommt darauf an, wie es dem Einzelnen geht, wenn wir in Teams erfolgreich sein wollen.
Mit der aktuell zunehmenden Agilität in Organisationen haben wir die Chance, mehr denn je auf den „MENSCHEN als Mitarbeiter“ Rücksicht zu nehmen. Was in unserer Zeit, wo zum einen immer mehr Menschen von Maschinen ersetzt werden sollen und zum anderen immer mehr Informationen auf die Menschen einstürzen, immer deutlicher in den Vordergrund tritt: Mitarbeiter, also Menschen, sind der wichtigste Teil einer jeden Organisation. Somit glaube ich, dass die Kommunikation mit agilen Arbeitsmethoden ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist.
Tillmann Strohbach,
Agile Coach. agile-process.de |