Die XING-Tagung „New Work Experience“ vermittelte am 6. März in Hamburg rund 1.600 Teilnehmern vielfältige Impulse zur Arbeitswelt von morgen. Einer davon war das acht Quadratmeter große „New Work Studio“, vorgestellt vom Industrieverband Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA). Wir waren dabei.
Für nahezu jeden Berufstätigen ist es wichtig, sich mit den Zukunftstrends der Arbeitswelt zu beschäftigen. Warum das so ist, beleuchteten namhafte Experten und Visionäre in über 80 Vorträgen und Workshops. So habe jede industrielle Revolution stets auch drastische gesellschaftliche Veränderungen gebracht, betonte der Philosoph und Buchautor Richard David Precht. Mit der ersten industriellen Revolution sei beispielsweise nicht nur die Dampfmaschine gekommen, sondern auch eine vollkommen neue Gesellschaft mit Demokratie und Gewaltenteilung. „Wir können davon ausgehen, dass auch die vierte industrielle Revolution nicht nur die Wirtschaft und unsere Kommunikation verändert, sondern auch unsere Gesellschaft“, so Precht. Es werde immer weniger gearbeitet – weil Maschinen viele Aufgaben übernehmen. Die klassischen Arbeitsmodelle mit festen Bürozeiten seien überholt, Flexibilität und Zielorientierung dafür zunehmend wichtige Persönlichkeitsmerkmale, auf die auch das Bildungssystem stärker hinarbeiten müsse. Nur einen – heute besonders bei Digitalisierungsanhängern zu beobachtenden – Fehler dürfe man nicht machen: den messbaren Teil der Welt für die Welt halten.
Künstliche Intelligenz – was bleibt für den Menschen?
Dass der Mensch in vielen Bereichen von der Künstlichen Intelligenz (KI) nicht nur ersetzt, sondern sogar übertroffen werden kann, hob Prof. Jürgen Schmidhuber hervor. Als einer der führenden Entwickler von KI-Algorithmen prognostizierte er, dass lernfähige KI in der Medizin schon in einigen Jahren übermenschlich gute Diagnosen herbeiführen könnten. Richtig eingesetzt bringe KI die Menschheit also eher voran, selbst emotionale Intelligenz könne Robotern antrainiert werden.
„Ein Herz ist das Einzige, was Maschinen niemals haben werden“, zitierte Janina Kugel, Siemens-Personalchefin, den US-Journalisten Thomas Friedman. Vor allem komplexe Tätigkeiten, die Empathie erfordern, werden auch künftig noch von Menschen ausgeführt. In der Arbeitswelt sei „Diversity“ mehr als nur ein Schlagwort. Vielmehr rücken Vielfalt und Inklusion in den Fokus zukünftiger Erfolge von Unternehmen, beispielsweise in Form der Teamzusammenstellung aus unterschiedlichen Charakteren. Auch partnerschaftliches Arbeiten und selbstmotiviertes Lernen in digitalen Lernwelten seien wichtig, die Rolle von Führungskräften müsse entsprechend neu definiert werden. Insofern werde agiles Arbeiten ein wichtiges Thema bei der neuen Arbeit – doch in manchen Bereichen brauche man vor allem Sicherheit, so Kugel. „Wir bei Siemens entwickeln Kraftwerke oder schnelle Züge, die tausende Menschen sehr schnell transportieren – da brauchen wir absolute Sicherheit und die Anwendung bestehender Prozesse.“
Welche Trends bewegen deutsche Unternehmen?
Gerade einmal sechs Prozent der deutschen Unternehmen haben bisher die Transformation in Richtung New Work vollzogen, können die Vorzüge nutzen und darauf basierend Hochleistung erreichen, analysierte Dr. Heike Bruch. Sie ist Professorin und Direktorin am Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen. Erfolgsrezepte in der neuen Arbeitswelt seien die Fokussierung auf die richtigen Leute, gemeinsame Kulturregeln sowie nachvollziehbarer Sinn und Freiräume zur Selbstentwicklung der Mitarbeiter.
Transformation der Arbeitswelt als Treiber für neue Raumkonzepte
Wie dann ein Paradigmenwechsel in der Zusammenarbeit auch die Arbeitsräume verändert, zeigten Raphael Gielgen, Head Research & Trend Scouting bei Vitra und Michael O. Schmutzer, Gründer und Geschäftsführer der auf Coworking-Spaces spezialisierten Design Offices. „Alle reden über agile Arbeit, aber wie schafft man dafür die richtige Plattform?“ fragte Gielgen. Wie er ausführte, sei die neue Wirtschaft mitunter ein „Playground“, auf dem man mit jedem Schritt dazulernt. Daher brauche das neue Arbeiten mitunter keine mit Designmöbeln eingerichteten Räume, sondern einfache Begegnungsflächen. Was aktuell in der Arbeitswelt geschieht, ist für Michael O. Schmutzer die Begründung, auch die Arbeitsräume neu zu denken. In seinen Coworking-Spaces gehe es immer gleichermaßen um Raum für fokussiertes Arbeiten, Zusammenarbeit, Wissensvermittlung und Begegnung. Gerade neue Methoden wie Scrum würden auch neue Räume erfordern. Wichtig sind laut Schmutzer vor allem Begegnungsorte, denn: „Kreativität entsteht nicht im Raum, sondern im Zwischenraum.“
Herausforderungen: Flow und Inspiration
„Wer seine Komfortzone verlassen soll, muss in der neuen Arbeitswelt dafür eine neue finden“, sagte die Trendforscherin Birgit Gebhardt. Sie beschäftigt sich schon seit Jahren mit den Treibern des Wandels in der Arbeitswelt, zu denen sie Kommunikation, Automatisierung, Inspiration und Transformation zählt. Wo die Raumgestaltung allerdings sehr auf Begegnung und multiperspektivisches Arbeiten ausgerichtet sei, fehle der Raum für konzentriertes Arbeiten, um in einen „Flow“ zu kommen. Dies sei eine zentrale Herausforderung. Der zunehmende Anteil an automatisierten Tätigkeiten werde zudem einen Trend zu neuartigen Raumkonzepten auslösen, in denen neben einer attraktiven Einrichtung auch VR-Technologien die Inspiration fördern könnten. Denn für den Menschen werden vor allem kreative Tätigkeiten verbleiben, so Birgit Gebhardt.
Neues „New Work Studio“ für kreatives Arbeiten
Dass Kreativität dabei praktisch überall und auch auf kleinstem Raum möglich ist, demonstrierten XING und der Industrieverband Büro und Arbeitswelt (IBA) gemeinsam mit Dell und SAP. In dem unter Federführung der Werkstatt Edgar Reinke, Berlin, entwickelten Tiny House ist auf acht Quadratmetern nicht nur modernste Konferenztechnik verbaut, es bietet mit einem vorgelagerten Podest auch Raum für die kreative Interaktion. „Das neueste New Work Studio haben wir gebaut, um Unternehmen die Chance zu geben, mit geringem Aufwand neue Formen des Arbeitens auszuprobieren“, erklärt Barbara Schwaibold, Expertin für Arbeitsplatzgestaltung
im IBA. Das Studio eigne sich für Design-Thinking-Prozesse ebenso wie für kleine Workshops unter Einbeziehung von Teilnehmern über mehrere Standorte hinweg. Ab April soll das mobile New Work Studio auf Tour gehen und dann ausgewählten Unternehmen und Organisationen
als Kreativraum auf Zeit zur Verfügung stehen.
Auf der Messe ORGATEC vom 23. bis 27. Oktober 2018 in Köln haben Interessierte ebenfalls die Chance, Einblicke in die neuesten Trends der Arbeitswelt zu erhalten und Arbeit neu zu denken. Die „New Work Session ORGATEC“ wird ein besonderes Highlight am ersten Messetag.