Unsere Körperzellen orientieren sich meist an Tag und Nacht. Man spricht daher vom circadianen Rhythmus, abgeleitet von lateinisch circa (ungefähr) und dies (Tag). Er muss regelmäßig synchronisiert werden.
Im Körper sind retinale melanopsinhaltige Ganglienzellen in den tiefen Schichten der Augennetzhaut für die Synchronisation zuständig. Während Zapfen (für das Farbsehen) und Stäbchen (für das Dämmerungssehen) schon lange bekannt sind, wurden diese Fotorezeptoren erst 2002 entdeckt. Sie haben eine direkte Verbindung zu einem speziellen Gehirnbereich, dem suprachiasmatischen Nucleus (SCN) des Hypothalamus. Er vermittelt zwischen Lichtreizen und den körperlichen Reaktionen darauf. Daher wird er als „Master Clock“ bezeichnet, die alle inneren Uhren im Körper synchronisiert. Fällt morgens das erste Licht auf ihn, wird die Produktion von Melatonin, das die Körperaktivitäten senkt, in der Hypophyse unterdrückt und Serotonin ausgeschüttet, das motivierend wirkt. In der Dämmerung produziert die Zirbeldrüse wieder Melatonin, die Körperfunktionen fahren herunter.
Zu wenig Licht
So weit die theoretische Biologie in der freien Wildbahn – in der sich der Büromensch selten aufhält. Selbst an klaren Sonnentagen sinkt im Büro die Beleuchtungsstärke 1,5 m vom Fenster entfernt oft auf nur 15 Prozent der Außenbeleuchtungsstärke. Gerade im Winter führt das dazu, dass der Büromensch zu wenig Licht erhält. Dadurch fällt der Melatoninspiegel niedriger aus, wir schlafen schlechter, fühlen uns unausgeruht und antriebslos.
Künstliche Sonne
Viele Hersteller von Bürobeleuchtung versuchen daher, im Büro das Sonnenlicht und den natürlichen Tagesverlauf zu simulieren. Das menschliche Auge ist darauf ausgelegt, dass über ihm der Himmel mit der Sonne ist, deren Strahlen (nahezu) parallel auf der Erde auftreffen. Entsprechend sind die sensibelsten melanopsinhaltigen Ganglienzellen im hinteren und unteren Bereich des Auges angeordnet. Deshalb bieten sich im Büro großflächige Leuchten oder Lichtdecken an. Weitere wichtige Kriterien sind Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur. Um am Vormittag den Körper zu aktivieren, ist helles tageslichtweißes Licht ideal. Besonders empfindlich reagieren die Fotorezeptoren auf blaues Licht mit einer Wellenlänge von etwa 460 Nanometern. Für eine biologisch wirksame Bürobeleuchtung empfiehlt die DIN SPEC 67600 daher am Morgen eine vertikale Beleuchtungsstärke am Auge von 250 Lux und eine Farbtemperatur von 8.000 Kelvin, am Abend etwa 200 Lux und höchstens 3.000 Kelvin.
Manipulation mit Licht?
Es wurde nachgewiesen, dass sich Büroarbeiter bei einer biologisch wirksamen Beleuchtung wacher fühlen und sie leistungs- und konzentrationsfähiger sind. Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird verstärkt, was sich positiv auf das Wohlbefinden auswirkt. Die biologisch wirksame Beleuchtung könnte aber auch Nachteile haben. Derzeit geht die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) der Frage nach, ob bei dieser Art der Beleuchtung Blendung, Schleierreflexion oder Ablenkung durch Farbunterschiede auftreten. Daneben wirft die BAuA eine medizinisch-ethische Frage auf. Denn mit einer Erhöhung des Blaulichtanteils könnten Arbeitgeber die Leistung ihrer Angestellten manipulativ erhöhen. Außerdem kann eine falsch eingestellte oder defekte Tageslichtbeleuchtung falsche Signale an die innere Uhr senden. Mit der Folge, dass das Zeitsystem des Menschen aus den Fugen gerät.
Literaturtipps:
Weitere Informationen zur biologisch wirksamen Beleuchtungen und zum Einfluss des Lichts auf den Menschen geben die Broschüren „licht.wissen 19. Wirkung des Lichts auf den Menschen“ von licht.de und „LightFusion. Neue Ansätze für Licht und Display am Arbeitsplatz“ des Fraunhofer IAO sowie der Beitrag von Jan Krüger in „baua: Aktuell 2/14″ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. |