Social Engineering ist eine effektive Methode, um Menschen auszutricksen und Unternehmen zu schaden. Angreifer nutzen dafür nicht die Schwachstellen in der IT-Infrastruktur, sondern im menschlichen Verhalten. Autor Thomas Wilken zeigt, wie Mitarbeitende selbst zu einer wirksamen Gegenmaßnahme werden können.
Mit dem Etablieren einer Unternehmenskultur, in der Sicherheit nicht die Aufgabe einzelner Experten ist, sondern in der Mitarbeitende aller Abteilungen gemeinsam auf dieses Ziel hinarbeiten, können Unternehmen einen wirksamen Schutzschild aufbauen.
Was ist Social Engineering?
Im Kern geht es beim Social Engineering darum, Menschen zu manipulieren, damit sie vertrauliche Informationen preisgeben oder bestimmte Handlungen ausführen. Die Angreifer machen sich dabei ganz natürliche menschliche Verhaltensweisen und Reaktionsmuster zunutze. Oft wird auf Vertrauen und Hilfsbereitschaft abgezielt, aber auch Unsicherheit und Angst können im Fokus der Angreifer stehen. Während viele Cyber-Bedrohungen technische Schwachstellen wie unsichere Software oder Netzwerklücken ausnutzen, zielt Social Engineering auf den „Faktor Mensch“ ab, der häufig das schwächste Glied in der Sicherheitskette ist. Viele Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls, Antivirensoftware oder Verschlüsselung bieten oft keine direkte Abwehr gegen Social-Engineering-Angriffe.
Beispiele für Social-Engineering-Angriffe
Verfolgt man das Thema in den Medien, entsteht leicht der Eindruck, dass Cyber-Angriffe auf Unternehmen bestimmt sind von raffinierten Hackerangriffen mit modernster Technik. Doch die Realität sieht oft ganz anders aus. Schauen wir uns einige der von Angreifern am häufigsten genutzten Schwachstellen und spezifischen Techniken an.
- Phishing (E-Mai, SMS, Social Media): eine der bekanntesten Formen, bei der Angreifer gefälschte E-Mails oder Nachrichten versenden, die vertrauenswürdig aussehen. Das Ziel ist es, den Empfänger dazu zu bringen, auf einen Link zu klicken oder Informationen preiszugeben.
- Vishing (Voice Phishing): Hierbei handelt es sich um Betrugsversuche am Telefon, bei denen Angreifer vorgeben, eine vertrauenswürdige Person oder Institution zu sein, um sensible Informationen zu erlangen.
- Spear-Phishing: Im Unterschied zum allgemeinen Phishing sind diese Angriffe gezielt und auf eine bestimmte Person oder Personengruppe innerhalb eines Unternehmens ausgerichtet. Die Angreifer sammeln vorab spezifische Informationen, um den Angriff glaubwürdiger zu gestalten.
- Pretexting: Eine Technik, bei der der Angreifer eine falsche Identität oder eine erdachte Geschichte verwendet, um das Vertrauen der Zielperson zu gewinnen und sie dazu zu bringen, in seinem Sinne zu handeln.
- Baiting: Beim Baiting setzen Angreifer auf die menschliche Neugier oder Gier. Eine oft verwendete Methode besteht darin, einen USB-Stick an einem öffentlichen Ort „zu verlieren“. Die Neugier kann durch eine passende Aufschrift wie „Gehaltslisten“ noch verstärkt werden. Nimmt ein Mitarbeitender den Stick mit und öffnet ihn an einem Firmencomputer, können Daten gestohlen oder Schadsoftware installiert werden. Auch vermeintlich attraktive Download-Angebote im Netz können als Köder dienen.
- Tailgating: In diesem Artikel stehen Cyber-Bedrohungen im Mittelpunkt. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass es Social-Engineering-Attacken durchaus auch im „Real Life“ gibt. Beim sogenannten Tailgating zum Beispiel verschafft sich ein Angreifer physischen Zugang zu einem gesicherten Bereich, indem er sich einfach hinter einen befugten Mitarbeitenden „hängt“, der gerade das Gebäude oder einen gesicherten Bereich betritt.
Auswirkungen erfolgreicher Social-Engineering-Angriffe
Was passiert, wenn ein Social-Engineering-Angriff auf ein Unternehmen erfolgreich ist? Die Folgen können verheerend sein:
- Datendiebstahl: Sensible Daten wie Kundendaten oder Firmengeheimnisse können in falsche Hände geraten.
- Datenverlust: Daten aller Art können im Zuge eines Angriffs verloren gehen. Ransomware-Attacken zielen sogar direkt darauf ab, Daten mittels einer Verschlüsselung unzugänglich für das angegriffene Unternehmen zu machen.
- Finanzielle Schäden: Entwendete Daten können für Betrugszwecke genutzt werden oder direkt zu finanziellen Verlusten führen. Auch verlorene Daten können finanzielle Schäden verursachen. Wenn kein Back-up existiert, müssen die Kosten einer Datenrettung getragen werden.
- Reputationsverlust: Ein Datenleck kann das Vertrauen von Kunden und Geschäftspartnern massiv schädigen.
- Rechtliche Folgen und Compliance-Verletzungen: Unternehmen könnten haftbar gemacht werden und rechtliche Konsequenzen sowie Strafen erleiden, wenn sie nicht ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben.
Präventions- und Abwehrmaßnahmen gegen Social Engineering
Oft stehen technische und infrastrukturelle Maßnahmen im Fokus, wenn es darum geht, Unternehmen besser gegen Cyber-Angriffe abzusichern. Das ist nicht falsch, der eigentliche Schlüssel zur Abwehr solcher Angriffe liegt aber oft bei den Mitarbeitenden. Im Folgenden werfen wir deshalb einen Blick auf verschiedene Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um Mitarbeitende resilienter gegen Social-Engineering-Angriffe zu machen.
#1 Regelmäßige Schulungen und Workshops: Eine der effektivsten Maßnahmen zur Prävention von Social-Engineering-Angriffen sind kontinuierliche Schulungen. Diese sollten praxisnah und interaktiv gestaltet werden, um das Bewusstsein für die Thematik zu schärfen. Inhalte könnten beispielsweise sein:
- Erkennen von Phishing-E-Mails und verdächtigen Anhängen
- Umgang mit unerwarteten Telefonanrufen, die nach vertraulichen Informationen fragen
- Verhaltensregeln für den sicheren Umgang mit Social Media
Regelmäßige Auffrischungskurse helfen, das Wissen aktuell zu halten und das Bewusstsein stetig zu schärfen.
#2 Simulierte Angriffe mit Phishing-Tests: Ein weiteres wirksames Mittel zur Sensibilisierung können simulierte Angriffe sein wie Phishing-Tests. Hierbei versendet die IT-Abteilung oder ein externer Anbieter gezielt Phishing-E-Mails an Mitarbeitende, um deren Reaktionen zu testen. Solche Übungen tragen dazu bei, Weiterbildungsbedarf besser abschätzen zu können, und können darüber hinaus eine Kultur der Wachsamkeit fördern.
#3 Richtlinien für den Umgang mit sensiblen Daten: Klare und umfassende Sicherheitsrichtlinien sind essenziell. Diese sollten eindeutige Vorgaben dazu beinhalten, wie mit sensiblen Daten umzugehen ist, wie Zugänge verwaltet und wie auf verdächtige Aktivitäten reagiert wird. Umso mehr potenziell kritische Entscheidungen im Rahmen eines definierten Prozesses fallen, desto geringer wird das Risiko, dass ein Mitarbeitender eine folgenschwere Einzelentscheidung trifft.
#4 Klare Kommunikationswege und Verifikationsprozesse: Wir an so vielen Stellen der modernen Arbeitswelt ist eine gelingende Kommunikation im Büro auch hier einer der Schlüssel zu Erfolg. Es ist beispielsweise wichtig, dass Mitarbeitende wissen, welche Kommunikationswege für welche Anliegen geeignet sind und wie sie ggf. die Identität von Anrufern oder E-Mail-Absendern verifizieren können. Unternehmen sollten klare Prozesse für die Verifizierung von Anfragen etablieren, wie:
- Rückruf bei der offiziellen Nummer des Anrufers
- Bestätigung von Anfragen durch eine zweite, unabhängige Person
- Nutzung offiziell deklarierter Kommunikationskanäle
#5 Notfallpläne und Reaktionsstrategien: Ein ausgearbeiteter IT-Notfallplan kann den Schaden im Falle eines Angriffs minimieren. Mitarbeitende sollten wissen, wie sie verdächtige Aktivitäten melden und welche Schritte sofort eingeleitet werden müssen, um die Auswirkungen eines Vorfalls zu begrenzen.
#6 Implementierung technischer Schutzmaßnahmen
- E-Mail-Filter und Spam-Erkennung: Technische Lösungen allein können Social-Engineering-Angriffe nicht verhindern, doch sind selbstverständlich ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil jeder Sicherheitsstrategie. Moderne E-Mail-Filter und Spam-Erkennungssysteme können potenziell schädliche E-Mails identifizieren und isolieren, bevor sie ihr Ziel erreichen.
- Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA): Die Implementierung von Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) ist eine weitere wichtige Schutzmaßnahme. Selbst wenn Angreifer Zugangsdaten durch Social Engineering erlangen, können sie ohne den zweiten Authentifizierungsfaktor – wie eine Bestätigung über das Smartphone oder einen speziellen Sicherheits-Token – keinen Zugang zu den Systemen erhalten.
- Zugriffskontrollen und Berechtigungsmanagement: Eine effiziente Verwaltung von Zugriffsrechten stellt sicher, dass Mitarbeitende nur auf die Informationen und Systeme zugreifen können, die sie für ihre Arbeit benötigen. Dies minimiert das Risiko, dass vertrauliche Informationen in die falschen Hände gelangen, wenn Mitarbeitende Opfer eines Social-Engineering-Angriffs wird.
Best Practices für Unternehmen
Zusammenarbeit mit externen Sicherheitsexperten und -diensten: Externes Fachwissen kann wertvoll sein, um die eigenen Sicherheitsstrategien zu überprüfen und zu verbessern. Sicherheitsexperten können Schwachstellen identifizieren und maßgeschneiderte Schulungsprogramme entwickeln, die speziell auf die Bedürfnisse und Schwächen Ihres Unternehmens zugeschnitten sind.
Kontinuierliche Weiterbildung und Anpassung der Sicherheitsmaßnahmen: Die Bedrohungslandschaft ändert sich ständig. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass ihre Schulungen und Sicherheitsmaßnahmen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Dies kann durch Teilnahme an Fachkonferenzen, den Austausch mit anderen Unternehmen und die Einbeziehung von Experten geschehen.
Förderung einer Unternehmenskultur der Wachsamkeit und Verantwortung: Mehr als jede technische Lösung kann eine Unternehmenskultur der Wachsamkeit und Verantwortung dazu beitragen, Social Engineering zu bekämpfen. Ein ausgeprägtes Bewusstsein für Sicherheit unter den Angestellten trägt nicht nur dazu bei, die Wahrscheinlichkeit von Sicherheitsvorfällen zu verringern, sondern schafft auch eine Atmosphäre des Vertrauens und der Teamarbeit, in der alle Mitarbeitenden aktiv daran beteiligt sind, die Datensicherheit aufrechtzuerhalten.