Die New-Work- und New-Office-Expertin Martina Rahmfeld unterstützt Unternehmen im Wandel der Arbeitswelt. In ihrer OFFICE-ROXX-Kolumne zeigt sie Vorteile der „New Ways of Working“ auf. Im zweiten Teil erläutert sie, wie Räume die Wissensarbeit positiv beeinflussen können.
Wusstet ihr, dass es laut Archilyse klare statistische Zusammenhänge zwischen dem Grundriss einer Wohnung und der Wahrscheinlichkeit von häuslicher Gewalt gibt? Oder zwischen dem Tageslichteinfall und der kognitiven Leistungsfähigkeit bei Kindern? Aber lasst uns am Anfang beginnen.
Die Digitalisierung und die Entkopplung der Arbeit vom Ort haben die heutigen Anforderungen an ein Büro verändert. Künftig werden 73 Prozent der Teams hybrid arbeiten, was dazu führt, dass es immer mehr Satelliten als alternative Arbeitsorte rund um das Headquarter gibt. Schnell leidet die Identifikation mit dem Unternehmen darunter. Die Aufgaben, die das Büro heute hat, sind deutlich andere als noch vor zehn Jahren. Wir gehen nicht mehr „zur Arbeit“, die Arbeit ist, wo wir sind. Wie wir arbeiten, verändert den Raum, den wir benötigen.
Räume verändern das Arbeiten und umgekehrt
Andersherum verändert der Raum, der uns umgibt, wie wir arbeiten. Was wohl jeder nachempfinden kann, ist das Gefühl abzuschalten, wenn wir im Wald spazieren gehen. Das liegt daran, dass unser Körper auf die uns umgebende Natur reagiert und den Cortisol- und Adrenalinspiegel, also unsere beiden Stresshormone, senkt – bei Frauen übrigens stärker als bei Männern. Wir entspannen und unsere Konzentrations- und Leistungsfähigkeit steigt. Das funktioniert auch bei Assoziationen mit der Natur wie viel Grün, natürliche Materialien etc.
Über unsere Sinne interagieren wir permanent mit unserer Umgebung und verarbeiten deren Signale. Wir können „Task-Hopping“ reduzieren, Konzentration und Kreativität steigern, zufällige Begegnungen provozieren und Kommunikation verbessern – wenn wir die Wirkung des Raumes kennen und nutzen.
Wir alle haben schon einmal gehört, dass Bewegung unsere Kreativität anregt. Tatsächlich sind wir um 400 Prozent kreativer, wenn wir spazieren gehen, anstatt die Aufgaben sitzend zu bewältigen. Das bezieht sich nicht nur auf die Anzahl, sondern auch auf die Qualität der Ideen. Auch hier genügen schon das Bewegen eines Vorhangs oder von Möbeln, dynamische Sitzmöglichkeiten usw., um den Effekt anzuregen.
Wir können durch psychologische Aspekte der Arbeitsumgebung den Erfolg eines Teams fördern.“
Martina Rahmfeld
Und doch verfallen wir so oft der Gewohnheit und treffen uns im Meetingraum oder zu einer VC, der wir natürlich sitzend beiwohnen. Warum nutzen wir diese natürliche Veranlagung nicht stärker? Ich kenne viele „schöne“ Büros, in denen der Fokus auf der Identifikation und dem Wohlfühlen liegt. Zwei wichtige Aspekte, aber der Raum kann mehr.
Stellt euch vor, ihr haltet ein Meeting in einem klassischen Konferenzraum ab. Und nun stellt euch das gleiche Meeting vor, aber ihr steht an einem Stehtisch. Oder ihr sitzt in einer Lounge. Die drei Meetings werden einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Welches Ziel verfolgt ihr mit diesem Meeting? Welche Stimmung ist dazu dienlich, euer Ziel zu erreichen? Wählt das Setting mit Bedacht, es kann euch beim Erreichen eures Ziels unterstützen.
Wirkung des Raums positiv nutzen
Das funktioniert nur, wenn man sich dieser Wirkungen bewusst ist. Womit wir wieder bei dem großen Thema „Befähigung“ der Mitarbeitenden sind: Lerne deine Werkzeuge zu bedienen und einzusetzen – auch das Büro. Durch die Entkopplung der Arbeit vom Ort hat das Büro in den letzten Jahren Konkurrenz bekommen. Und das ist gut so, denn durch Konkurrenz wird Bestehendes hinterfragt und das ist der Antrieb von Fortschritt. Genau das passiert gerade: Wir hinterfragen den Nutzen des Büros, wie wir es kennen, und fragen nach den Aufgaben des Raums in hybriden Zeiten. Das Büro muss daher mehr bieten als nur einen Platz zum Arbeiten.
Es muss als Lern- und Erfahrungsort dienen, denn lebenslanges Lernen ist die Kernkompetenz der Zukunft. Gleichzeitig muss es Rituale und Teambuilding stärken und uns zu besserer Arbeit verhelfen. Gerade dem letzten Aspekt wird viel zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl er so mächtig ist – wir erinnern uns an den Zusammenhang von Grundrissen und häuslicher Gewalt? Dies ist also ein Appell zu mehr Bewusstsein für die Korrelation zwischen Raum und Arbeit.
Wie sagte Churchill? „First we shape our buildings, thereafter our buildings shape us“. Lasst uns bewusst mehr Räume schaffen, mit denen wir aktiv unsere Art zu arbeiten formen. Denn später formen unsere Räume, wie wir arbeiten. Und das dann bitte in unserem Sinne.