Videocalls sind aus dem beruflichen Alltag der allermeisten Wissensarbeiter nicht mehr wegzudenken. Gerrit Krämer wagt eine Prognose zur Entwicklung von Technik, Software und Nutzerzahlen.
Auch wenn die Boomphase der Videocalls laut Nils Britze vom Digitalverband Bitkom mittlerweile vorbei ist, nutzen aktuell doch beachtliche 72 Prozent der Unternehmen in Deutschland häufig oder sehr häufig Videocalls. Dieses hohe Niveau wird sich in den kommenden Jahren sicher verstetigen, schon weil sich Homeoffice sowie hybrides und mobiles Arbeiten trotz einer schrittweisen Rückkehr ins Büro fest etabliert haben.
Durch das hybride Arbeiten wird es in den kommenden Jahren für Unternehmen auch entscheidend sein, die Gleichberechtigung aller Mitarbeitenden auf allen Ebenen sicherzustellen. Egal, wo und wann sie ihrer Arbeit nachgehen. So muss auch die Teilnahme an und die Qualität von virtuellen Meetings für alle Mitarbeitenden gleich(-berechtigt) sein. Die sogenannte „Meeting Equity“ wird sich mit großer Sicherheit in den nächsten Jahren vom Trend zum Standard entwickeln.
Technische Voraussetzungen für gleichberechtigte Videocalls
Um diese Gleichberechtigung zu ermöglichen, ist vor allem die technische Ausstattung der Teilnehmenden an Videocalls in den Unternehmen, unterwegs und zu Hause wichtig. Im Homeoffice könnte immer hochwertigere Ausstattung zum Einsatz kommen: Fotoboxen, leistungsstarke Webcams, Tischmikrofone, große Bildschirme und eventuell auch Akustikpaneele. Wer unterwegs arbeitet, muss sich künftig nicht nur mit im Notebook integrierter Kamera und Mikrofon begnügen. Längst sind hochwertige, portable Webcams samt Mikrofon erhältlich, die überzeugende Resultate liefern. Diese Entwicklung dürfte sich hin zu immer leistungsstärkeren und kleineren Geräten fortsetzen.
Die Teilnahme an Videocalls per Smartphone wird im Arbeitsalltag voraussichtlich stagnieren, vielleicht sogar zurückgehen, und eher als Notfallmöglichkeit genutzt werden. Zum einen, weil auf Businessebene die Mehrzahl der User über größere Devices verfügt. Zum anderen, weil der Komfort in Sachen Sound, Optik und Handling, vor allem bei Meetings mit vielen Teilnehmenden, beim Smartphone vergleichsweise gering ist.
Auf die Technik kommt es an: Videocalls in KMU
Aktuell eher noch großen Unternehmen und Konzernen vorbehalten, werden auch in immer mehr KMUs vollwertig ausgerüstete Räume für Videocalls entstehen. Dies ermöglicht, dass immer mehr Geschäftsreisen und Außer-Haus-Präsentationen durch virtuelle Treffen ersetzt werden. Die neuen Videokonferenzräume lassen sich über ausgereiftere Apps und Buchungssysteme reservieren. Obwohl eine Vorhersage schwierig ist, werden sich wahrscheinlich kleine und mittlere Räume für bis zu zehn Personen durchsetzen.
Die Erfahrung zeigt, dass es bei größeren Gruppen schnell unübersichtlich werden kann. Verschiedene Hersteller wie Jabra, Logitech oder Poly bieten aktuell Videobars (All-in-one-Kamera- und Audiosysteme) an, die garantieren, dass bei hybriden Konferenzen mit hohen Teilnehmerzahlen alle – im Raum Anwesende und hybrid Teilnehmende – gleichberechtigt aufgenommen und abgebildet werden. Die Technik dürfte sich rasant weiterentwickeln und immer flüssigere Videocalls für alle Teilnehmenden ermöglichen.
Multiple Funktionen werden weiter verfeinert
Mittlerweile funktionieren das Erstellen von sowie das Einladen und Beitreten zu Videocalls – in den allermeisten Fällen – ohne Hürden. Die technische Entwicklung innerhalb der Videocall-Software wird sich weiter verfeinern. Es wird mehr personalisierte Funktionen und visuelle Effekte geben. Das Einbinden von externen Inhalten jeglichen Formats wird für Nutzer weiter vereinfacht. Lösungen wie mmhmm, die sich in alle gängigen Apps einbinden lassen, bieten aktuell schon zahlreiche Features zur Individualisierung der eigenen Darstellung und Präsentation. Hier ist das Ende der Entwicklung sicher noch nicht erreicht.
Künstliche Intelligenz in Videocalls
KI-Features wie simultanes Übersetzen, Transkribieren usw. werden stetig besser und präziser. Programme wie ChatGPT werden bei virtuellen Konferenzen über Länder- und Sprachgrenzen hinweg global agierende Teams unterstützen, indem sie Informationen zu Schlagworten und Themen in verschiedenen Sprachen bereitstellen. Microsoft hat solche Funktionen bzw. die Technik von ChatGPT bereits in die Premium-Version von Teams integriert. Andere Hersteller ziehen nach: Mit Zoom IQ bietet Zoom eine KI-Lösung an, die dabei hilft, geäußerte Ideen zusammenzufassen, Meeting-Agendas zu erstellen usw. Die Implementierung von KI in Videocalls steht gerade erst am Anfang und wird sich in den kommenden Jahren sicher stark weiterentwickeln.
Metaverse und holografische Meetings
Obwohl es in den letzten Monaten etwas stiller um das Thema Metaverse bzw. Virtual Reality wurde, ist auch in diesem Bereich davon auszugehen, dass Innovationen unser Verhalten in Videocalls beeinflussen werden. Vielleicht wird in einer etwas weiter entfernten Zukunft auch der Bereich holografische Meetings relevant sein. Es gibt bereits Schritte in diese Richtung, wie zum Beispiel Logitechs „Project Ghost“ oder Googles „Project Starline“. Aktuell ist die Technik aber noch zu teuer und aufwendig für eine weitverbreitete Nutzung.
Einen weiteren Entwicklungsschritt könnten Videocalls durch die neue, im Frühjahr 2024 erhältliche Apple Vision Pro vollziehen. Denn der erste räumliche Computer (laut Apple-Chef Tim Cook), der das Aussehen einer AR-/VR-Datenbrille hat, ermöglicht das Abbilden aller Videocall-Teilnehmer als lebensgroße Kacheln im virtuellen Raum. Vielleicht klappt es ab 2024 ja mit der nächsten, erheblich weiterentwickelten AR-/VR-Datenbrille.