Arbeitsunterbrechungen prägen den Büroalltag. Doch welche Auswirkungen haben sie auf die Produktivität und wie hoch sind die dadurch verursachten Kosten für Unternehmen? Eine Tagebuch-Studie des Thinktanks Next Work Innovation (NWI) ist diesen Fragen nachgegangen.
In der Studie auf Grundlage regelmäßiger Arbeitsprotokolle von 637 Personen aus 25 deutschen Unternehmen haben die Wirtschaftspsychologin Vera Starker und ihr Team Arbeitsunterbrechungen quantifiziert. Der Befragungszeitraum erstreckte sich von Dezember 2021 bis Februar 2022. Im Anschluss wurden die Ursachen der Unterbrechungen ermittelt und die Produktivitätsverluste berechnet.
Gigantische Mehrkosten
Durchschnittlich alle vier Minuten und insgesamt drei volle Arbeitstage im Monat werden Wissensarbeiter laut der Studie von Next Work Innovation bei ihrer Tätigkeit unterbrochen. Die Hauptursachen sind E-Mails, unwichtige Telefonate und Messenger-Dienste. Zweimal pro Stunde versuchen Mitarbeitende Aufgaben parallel zu bearbeiten, die hohe Konzentration beanspruchen. Der ständige Aufgabenwechsel erhöht die Fehlerquote um bis zu 18 Prozent. Da das Gehirn nach jeder Störung Refokussierungszeit braucht, verlängert sich die Bearbeitungszeit um mindestens 15 Prozent.
Mit der stark gestiegenen Anzahl an Online-Meetings ist seit der Coronapandemie ein weiterer Faktor hinzugekommen. Hochqualifizierte Sach- und Wissensarbeiter verbringen in einer 40-Stunden-Woche durchschnittlich 1,5 Tage in Meetings. 35 Prozent dieser persönlichen oder virtuellen Mitarbeitertreffen könnten nach Ansicht der Befragten entfallen. Durch die Gesamtheit aller Arbeitsunterbrechungen entstehen für deutsche Unternehmen jährliche Mehrkosten von 114 Milliarden Euro.
„Damit liegt uns zum allerersten Mal eine valide und repräsentative Datenbasis über das wichtige Thema Fragmentierung im Arbeitsalltag vor“, so Vera Starker. Sie hofft, dass die Ergebnisse zu einem Umdenken in der deutschen Arbeitswelt führen: „Bis heute sind immer noch viele überzeugt, dass mehr Work-Life-Balance oder Homeoffice, mehr Entspannungsübungen oder Tischkicker zu einer besseren Performance führen. Jetzt wissen wir: Viel Produktivität verschwindet in einem schwarzen Loch.“
Wissensarbeit neu denken
Je höher der Digitalisierungsgrad in einem Unternehmen, desto größer sind laut Studie die Fragmentierung und das Multitasking. Führungskräfte haben außerdem einen noch stärker zersplitterten Arbeitsalltag zu bewältigen als ihre Kollegen. „Ob ich als Arbeitsrechtlerin, Wirtschaftspsychologin oder Organisationsberaterin auf diese Daten schaue – klar ist, dass wir Wissensarbeit im digitalen Zeitalter neu denken und anders organisieren müssen“, sagt Starker.
Ansatzpunkt Arbeitskultur
Um Abhilfe zu schaffen, sollten die Unternehmen der Studie zufolge bei der eigenen Arbeitsstruktur und Arbeitskultur ansetzen. Die Autoren empfehlen, konzentrierte Einzelarbeit in Form von täglicher Fokuszeit zu implementieren. Außerdem sollten digitale Arbeitsmittel reduzierter und zielgerichteter verwendet, eine grundsätzliche Meeting-Inventur eingeführt sowie Smartphone und Wertschöpfungsprozesse entkoppelt werden.