Luft ist ein wichtiges Lebensmittel. Doch lange Zeit wurde das vor allem in Büros ignoriert. Seit Corona ist das anders. Wir haben uns bei Raumklima-Experten umgehört, unter welchen Bedingungen sicheres Arbeiten im Büro möglich ist.
Die Coronapandemie hat ein Umdenken bewirkt. Vielen Bürobeschäftigten wurde schlagartig bewusst, wie wichtig die Qualität der Raumluft ist. Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchte, CO2-Werte und VOCs beeinflussen maßgeblich Gesundheit, Wohlbefinden, Konzentration und Produktivität. Grund genug für uns, Experten renommierter Institutionen zu fragen, unter welchen raumklimatischen Bedingungen man noch sicher im Büro arbeiten kann. Wir wollten wissen, was vorgeschrieben und was empfehlenswert ist.
Dr. Simone Peters, Leitung Bereich 3.2 Technische Schutzmaßnahmen, Raumklima, Innenraumarbeitsplätze, Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)
„Bereits vor der Pandemie galt die Arbeitsstättenverordnung mit den beiden Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.6 ‚Lüftung‘ und A3.5 ‚Raumtemperatur‘. Dies hat auch weiterhin Bestand. Für eine gute Raumluftqualität und auch zum Infektionsschutz ist ausreichendes Lüften über weit geöffnete Fenster oder eine technische Lüftung notwendig. Als Maß für eine gute Raumluftqualität kann zum Beispiel ein Kohlendioxidgehalt bis 1.000 ppm in der Raumluft herangezogen werden. Die zurzeit immer öfter eingesetzten mobilen Luftreiniger können als Umluftgeräte das Lüften nicht ersetzen, da sie keine frische Außenluft in den Raum einbringen. Sie können aber dazu beitragen, in schlecht zu belüftenden Räumen eine mögliche Virenbelastung der Raumluft zu verringern und so das Infektionsrisiko zu senken. Wichtig dabei ist ein Nachweis über die Wirksamkeit und darüber, dass keine Gesundheitsgefährdungen von den Luftreinigern ausgehen, zum Beispiel durch freiwerdende Gefahrstoffe oder Strahlung.“
Dr. Carina Jehn, Stellvertretende Leiterin des Sachgebiets Innenraumklima im Fachbereich Verwaltung, DGUV e. V.
„Die Temperatur ist ein wesentlicher raumklimatischer Parameter. Damit Beschäftigte zufrieden und gesund arbeiten können, darf die Lufttemperatur im Büro 20 Grad Celsius nicht unterschreiten und 26 Grad Celsius nicht überschreiten. An heißen Sommertagen sind weitere Maßnahmen notwendig. Die gespeicherte Wärme kann zum Beispiel durch Lüftung in den Morgenstunden oder Nachtlüftung abtransportiert werden. Geeigneter Sonnenschutz verringert ein übermäßiges Erwärmen des Raums. Wird die Lufttemperatur im Raum von 35 Grad Celsius überschritten, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung entsprechend der Technischen Regel ASR A3.5 ‚Raumtemperatur‘ ohne weitere Maßnahmen nicht als Arbeitsraum geeignet. Neben den Grenzen für Lufttemperatur hängt das Klimaempfinden auch von der Luftfeuchte, der Luftbewegung und der Wärmestrahlung ab. Bei höheren Lufttemperaturen wird eine erhöhte Luftbewegung als angenehm empfunden. Die Zusammenhänge dieser raumklimatischen Parameter werden in der DGUV-Information 215-520 beschrieben.“
Dr.-Ing. Kersten Bux, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Gruppe 2.4 Arbeitsstätten, Maschinen- und Betriebssicherheit, BAuA Dresden
„Das Büroklima lässt sich nach heutigem Stand der Technik auf Basis von Arbeitsschutzregelungen und Normen menschengerecht gestalten, sodass Gesundheit, Wohlbefinden und auch die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten dadurch nicht beeinträchtigt werden. Dafür fordert die Arbeitsstättenverordnung eine ‚gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur und Raumluft‘, bei RLT-Anlagen ist Zugluft zu vermeiden. Technische Regeln untersetzen das konkret, zum Beispiel mindestens +20 Grad Celsius, im Sommer sind bis +35 Grad Celsius bei Einhaltung bestimmter Maßnahmen zulässig. Empfehlenswert ist ein optimales Raumklima: Winter +22 Grad Celsius ±2 Kelvin, Sommer +24 Grad Celsius ±2 Kelvin, Luftgeschwindigkeit am Arbeitsplatz <0,15 m/s, zudem regelmäßig kontrolliertes Lüften, ausreichend trinken, bei ‚trockener Luft‘ dem Hauttyp abgestimmte Cremes verwenden. Der Klimawandel kann zur Überwärmung von Innenräumen ohne Klimaanlagen und damit zu einer Hitzebelastung der Beschäftigten führen. Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind daran anzupassen.“
Claus Händel, Technischer Referent, Fachverband Gebäude-Klima e. V.
„Das Interesse an gesunder Raumluft hat enorm zugenommen, seit bekannt wurde, dass Aerosole erheblich zur Übertragung von Coronaviren beitragen – insbesondere in Räumen, in denen sich mehrere Menschen über einen langen Zeitraum aufhalten, wie in Büros. Effektives Lüften reduziert eine mögliche Virenlast in der Raumluft. Die komfortabelste und nachhaltigste Lösung ist eine Raumlufttechnische (RLT-)Anlage, die kontinuierlich ‚verbrauchte‘, aerosolbelastete Raumluft abführt und virenfreie Außenluft in den Raum bringt. Gleichzeitig kann sie Feinstaub und Pollen aus der Zuluft filtern, begrenzt die CO2-Konzentration in der Raumluft, hält die Lüftungswärmeverluste durch eine Wärmerückgewinnung gering und den Straßenlärm draußen. Um die Virenlast in Innenräumen zu verringern, können auch Luftreiniger eingesetzt werden. Sie müssen aber unbedingt mit ausreichender Außenluftzufuhr kombiniert werden, sonst steigt der CO2-Gehalt in der Raumluft auf unzulässige Werte und beeinträchtigt die Konzentrationsfähigkeit. Im FGK Status-Report 52 wird ein vereinfachtes Verfahren vorgestellt, mit dem sich Lüftung und Luftreinigung zur Reduktion des Infektionsrisikos bewerten lassen. Mit der +L-App kann ermittelt werden, ob diese Anforderungen eingehalten werden. Eine absolute Sicherheit lässt sich – wie mit den AHA-Maßnahmen – auch mit der Lüftung nicht erreichen. Das Risiko der Infektionsübertagung ist aber umso geringer, je mehr Maßnahmen kombiniert werden. “
Prof. Dr. Gunnar Grün, Stellvertretender Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
„Raumklimatische Bedingungen haben einen enormen Einfluss auf die Übertragungswahrscheinlichkeit luftgetragener Viren sowie anderer Keime. Insbesondere die Menge der in der Raumluft enthaltenen Viren ist maßgeblich für eine Ansteckung. Daher ist neben dem Tragen von Masken intensives Lüften das A und O für einen sicheren Aufenthalt in Innenräumen. Beim Lüften wird die Raumluft mit unbelasteter Luft verdünnt und damit die Konzentration an Viren verringert. Ist dies nicht oder nur in zu geringem Umfang möglich, sollten Luftreinigungsgeräte eingesetzt werden. Diese entfernen entweder durch Filtration die Viruspartikel aus der Luft oder über inaktivierende Techniken, die die Viren so schädigen, dass sie sich nicht vermehren können. Dabei sollten die Geräte einen stündlichen Luftdurchsatz haben, der in etwa dem Vier- bis Sechsfachen des Raumvolumens entspricht. Sind Geräte allerdings zu laut, ist es ratsam, diese bei niedrigen Lüftungsstufen zu betreiben, um konzentrierte Büroarbeit und Kommunikation ungestört zu ermöglichen.“
Dr. Heinz Fuchsig, Sachverständiger für Arbeits- und Umweltmedizin
„Corona als Mutter vieler Veränderungen hat die Raumluft endlich in Büros zum Thema gemacht: Luftwäscher, CO2-Ampeln zur Überwachung der Lüftungsrate und Homeoffice zur Ansteckungsreduktion werden bleiben. Der häufigste Krankenstandsgrund sind Atemwegsinfekte. Dabei werden ‚guter Raumluft‘ rund 2,5 Tage weniger Abwesenheit zugeschrieben. Wer im Winter stark heizt oder im Sommer stark kühlt, trocknet über die Raumluft seine Schleimhäute aus und stört damit die Immunabwehr stark. Stoßlüften statt Kippen und notfalls Luftbefeuchter sollten für mindestens 30 Prozent relative Feuchte sorgen, bei Sprechberufen sollten es 40 Prozent sein. CO2-Werte unter 1.200 ppm zeigen eine gute Luft an, ab 2.000 ppm sind Kopfschmerzen und Müdigkeit häufig. Luftwäscher reduzieren im direkten Umfeld Keime in der Luft, können aber laut und teuer im Unterhalt sein. Besser ist das Lüften ins straßenferne Freie. Pflanzen sind gut, außer das Büro wird bei Hitze feucht: 29 Grad Celsius und 60 Prozent Luftfeuchte werden wie 32 Grad Celsius und 40 Prozent Feuchte empfunden. Damit ist die Klimakrise im Büro angekommen.“
Mehr Informationen rund um das Thema Verbesserung der Innenraumluft – etwa durch Messung, Lüftung, Reinigung, Befeuchtung und Begrünung – liefert die Initiative PrimaBüroKlima.