Mit der Initiative #Weknowhow berät das Fraunhofer IAO Unternehmen, die Klimaneutralität anstreben. Ein Interview mit den beiden Experten Dr. Daniel Stetter und Steffen Braun über theoretische Grundlagen und die praktische Umsetzung auf dem Weg zu einer klimaneutralen Organisation.
OFFICE ROXX: Was hat es mit der Initiative #Weknowhow auf sich?
Steffen Braun: Die Kunden oder Partner des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO sind Unternehmen verschiedenster Größe und sie stammen aus unterschiedlichen Branchen. Aus diesem Grund haben wir viel Erfahrungswissen gesammelt und können Unternehmen wissenschaftlich-fundiert unterstützen. Zudem fungieren wir als Mittler und bieten mit dem Innovationsnetzwerk „Klimaneutrale Unternehmen“ einen Rahmen, um im Austausch mit den Unternehmen ganzheitliche, praxisnahe und interdisziplinäre Lösungen zu entwickeln.
Wie sieht Ihr Quick Check Klimaneutralität konkret aus?
Dr. Daniel Stetter: Unternehmen, die einen positiven Beitrag zum Klima leisten wollen, stehen viele Ansatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund haben wir den Quick Check Klimaneutralität entwickelt. In Form eines Online-Fragenkatalogs unterstützen wir Unternehmen bei den ersten Schritten im Bereich Klimaschutz, indem wir eine Übersicht über relevante Handlungsfelder geben, wo ein Unternehmen mit seinen Klimabestrebungen ansetzen, eine unternehmensspezifische Standortbestimmung ermöglichen sowie die Planungsbasis aufbereiten kann, um relevante und praktikable Klimaschutzmaßnahmen zu definieren.
Unterstützt das Fraunhofer IAO auch bei der konkreten Umsetzung?
Steffen Braun: Selbstverständlich unterstützen wir auch bei der konkreten Umsetzung. Unser Ansatz erstreckt sich von der initialen Analyse der Einsparpotenziale über die Definition der Handlungsfelder bis hin zu einem konkreten Umsetzungsfahrplan. Insbesondere bei letztgenanntem Punkt begleiten wir die Unternehmen auch vor Ort, moderieren Workshops und halten die Ziele gemäß Zeitplan im Auge. Bei langfristiger Zusammenarbeit unterstützen wir im Sinne einer iterativen Begleitung, um kontinuierlich Verbesserungen herbeizuführen.
Gehen die Fraunhofer-Experten dafür auch in die einzelnen Unternehmen?
Dr. Daniel Stetter: Vor-Ort-Termine sind sowohl im Rahmen der Erstanalysen wie auch für Workshops vorgesehen. Gerne laden wir interessierte Unternehmen aber auch zu uns ans Institut ein, damit diese sich in unseren Einrichtungen einen Überblick zum Beispiel beim Thema Ladeinfrastruktur und -betrieb verschaffen können. Dabei können wir unser Fraunhofer-Ladenetzwerk vorstellen, verschiedene Bausteine unseres Energiemanagementsystems oder auch unser innovatives Institutsgebäude, welches im Plusenergie-Hausstandard errichtet wurde und innovative Arbeitswelten sozusagen im heute erlebbar macht. Bei der Ladeinfrastruktur werden wir oft auf die Themen Lastmanagement oder Zugang für Dienstwagen, Mitarbeitende wie auch sonstige Externe nebst Roaming und Abrechnung angesprochen. Bei all diesen Themen greifen wir auf jahrelange Erfahrung und unsere eigene Hard- und Softwarelösungen zurück.
In welchen Bereichen neben Energie und Mobilität gibt es großes Potenzial für mehr Nachhaltigkeit?
Steffen Braun: Das Fraunhofer IAO bündelt im Forschungsfeld „Klimaneutrale Arbeitswelt“ die Kompetenzen aus allen zehn Forschungsbereichen des Instituts – von neuen Arbeitsformen und hybrider Arbeit über neue Dienstleistungen, Mensch-Maschine-Interaktion, intelligenten Produktionsprozessen, virtueller Gebäude- und Prozessmodellierung, Kreislaufstrategien bis hin zu gesellschaftlichen Innovationsprozessen und Akzeptanzforschung. Unsere Themenbandbreite rund um Klimaschutz und Innovation in Organisationen geht damit weit über klassische CO2-Einsparungsziele einzelner Sektoren hinaus. Letztendlich besteht im Kontext der Klimaziele auch die große Chance, das eigene Unternehmen oder den eigenen Standort neu auszurichten, ein neues Mindset einzunehmen und natürlich eine klimaneutrale Zukunft mitzugestalten.
Wie können die Mitarbeitenden bei dem Prozess zum klimaneutralen Unternehmen abgeholt werden?
Dr. Daniel Stetter: In unseren Forschungs- und Industrieprojekten bauen wir auf arbeits- und organisationswissenschaftlichen Methoden auf. Da stehen einzelne Mitarbeitende immer im Fokus und sind damit Ausgangsbedingung für wirksame Klimaneutralitätsstrategien und -maßnahmen. Beispielsweise werden frühzeitig eine gemeinsame Team-Charta und strategische Leitplanken erarbeitet, die das fixieren.
Was sind die größten Hindernisse auf dem Weg zur Klimaneutralität in Unternehmen?
Steffen Braun: Aus unserer bisherigen Erfahrung sind es meist die eigenen Verwaltungsprozesse, einseitige Bewertungsmodelle, fehlendes Umsetzungswissen oder eingeengte Denkweisen auf dem Weg zur Klimaneutralität. In der Regel stellen sich viele Unternehmen folgende Fragen: Wie fange ich an? Wie bewerte ich Maßnahmen im Lebenszyklus? Wo schaffe ich Mehrwerte? Welche Partner können helfen?
Eine Frage zum Schluss: Wie klimaneutral arbeitet eigentlich das Fraunhofer IAO?
Dr. Daniel Stetter: Im Rahmen einer internen Initiative verfolgt die Fraunhofer-Gesellschaft das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. Die zentrale Anforderung an die Initiative „Fraunhofer Klimaneutral 2030“ lautet: Bereits vorhandene Lösungen müssen mit neuen Ansätzen zu einem funktionierenden Gesamtkonzept zusammengeführt werden. Deshalb sollen an geeigneten Standorten, dazu gehört mit fünf Fraunhofer-Instituten auch das Fraunhofer-Institutszentrum Stuttgart, spezifische Fraunhofer-Modellstandorte etabliert werden, um den Einsatz von Energieeffizienz- und Klimaschutztechnologien anhand von konkreten Beispielen zu optimieren. An diesen Standorten wird erprobt, welche vorhandenen Einzeltechnologien kombiniert und angewandt werden müssen, um tatsächliche Klimaneutralität kosteneffizient zu erreichen. Ziel ist es, ganzheitliche, auf öffentliche Liegenschaften zugeschnittene Lösungsansätze zu entwickeln. Als Organisation für angewandte Forschung entwickelt Fraunhofer damit Strategien für einen klimaneutralen Betrieb von Organisationen, die auf die öffentliche Verwaltung und private Unternehmen übertragen werden können.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Gerrit Krämer.
Der Digital Green Office Summit 2021 von OFFICE ROXX präsentiert acht Vorträge renommierter Experten, die das Thema ökologische Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Videos mit einer Gesamtlänge von fast zwei Stunden stehen für Sie bereit. Kostenlos, wann immer Sie wollen, ohne Anmeldung, ohne Werbung.