Wie soll es nun weitergehen mit Homeoffice, multilokaler Arbeit und den Büroflächen? Wir haben die Dax-Unternehmen gefragt, wie sie diese Themen handhaben. Paul Svihalek fasst die Statements zusammen.

Das Homeoffice wird in den Dax-Unternehmen auch nach der Pandemie eine wesentliche Rolle spielen. Abbildung: Ricardorv30, Pixabay
Den Deutschen Aktienindex (Dax) bilden die 30 (in Kürze 40) größten und liquidesten Unternehmen des deutschen Aktienmarktes. Aufgrund ihrer Größe haben sie in vielem Vorbildcharakter für unsere Wirtschaft, auch wenn das Gros der hiesigen Unternehmen nicht über deren Möglichkeiten verfügt. Während der Corona-Pandemie ist Deutschland zu einem Versuchsraum neuer Arbeitsweisen geworden. Grund für uns, alle Dax-Unternehmen zu fragen, wie sie es mit diesen halten. Sechs haben geantwortet. 20 Prozent sind hier zwar nicht repräsentativ, die Auskünfte haben aber dennoch Aussagekraft. Sie bestätigen allgemeine Trends.
Wir hatten bereits vor Corona mobiles Arbeiten eingeführt und waren deswegen gut vorbereitet auf den Wechsel unserer Belegschaft ins Homeoffice. In den vergangenen Monaten haben wir sehr viel gelernt, und diese Erfahrungen in der virtuellen Zusammenarbeit werden wir für die Zeit nach Corona nutzen. Wir bereiten uns auf die neue Normalität in der Arbeitswelt vor, mit Fokus auf mehr Flexibilität für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Investitionen in Digitalisierung, Gesundheit und Lernmöglichkeiten. Unser Ziel ist eine hybride Arbeitswelt, denn wir sind überzeugt: Wir-Gefühl, Innovationen und die Kreativität der Teams entfalten sich gemeinsam vor Ort und in attraktiven Bürokonzepten am stärksten. Es ist entscheidend, die richtige Mischung zwischen digital und persönlich zu finden, und dazu sind wir auch mit unseren Arbeitnehmervertretungen im Gespräch.“
Ulrike Zeiler, Ressortbereichsleiterin Personal bei der Allianz Deutschland AG &
Vorstandsmitglied bei der Allianz Versicherungs-AG
Bürobeschäftigte versus Werksarbeitenden
Zunächst wollten wir wissen, wie hoch der Anteil von Bürobeschäftigten und Werksarbeitenden in Dax-Unternehmen ist. Die Allianz teilte mit, dass der „überwiegende Teil“ der über 26.000 Mitarbeitenden Wissensarbeitende seien. Bei der Deutsche Post DHL Group werden nur rund 30 Prozent der etwa 570.000 weltweit Beschäftigten zu diesen gezählt. Am Stammsitz von BASF zählt rund die Hälfte der rund 39.000 Mitarbeitenden zu den Knowledge-Workern. Ebenso verhält es sich bei Siemens hinsichtlich der Mitarbeitenden weltweit.
Arbeitssituation vor und während der Corona-Pandemie
In allen sechs Unternehmen war mobile bzw. multilokale Arbeit bereits vor der Pandemie ein Bestandteil des Arbeitsalltags. Bei Siemens ging im Jahr 2010 das „Siemens-Office“-Konzept mit mobiler, flexibler und selbstbestimmter Arbeit an den Start. Seitdem wurde das Model von circa 80.000 Mitarbeitenden genutzt. Bei BASF gibt es seit 2012 eine Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten. Die Allianz Deutschland hat seit 2019 Betriebsvereinbarungen, die es allen Mitarbeitenden ermöglichen, bis zu 49 Prozent der Arbeitszeit mobil zu arbeiten. Die Deutsche Post „bietet vielen Mitarbeitenden in Verwaltungsfunktionen bereits seit mehreren Jahren die Möglichkeit des mobilen Arbeitens“. Henkel teilte mit: „Schon vor der globalen Pandemie waren bei Henkel flexibles Arbeiten, ‚remote work‘ und virtuelle Zusammenarbeit gelebte Realität.“
Eine Flächenreduktion war für uns kein ausschlaggebender Treiber für das neue, mobile Arbeitskonzept. Wir planen zum Teil eine architektonische Umgestaltung unserer Büroflächen. Einzelbüros wird es dabei tendenziell weniger geben. Stattdessen wird es mehr Raum für kollaboratives Arbeiten und den Austausch mit Kollegen geben.“
Statement Siemens Aktiengesellschaft
Während der Pandemie variiert der Anteil mobiler Arbeit unter den genannten Dax-Unternehmen abhängig vom Anteil der Wissensarbeiter. Es lässt sich jedoch erkennen, dass auch nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht am 1. Juli 2021 mobiles Arbeiten ermöglicht wird. Bei der Allianz haben während der Pandemie teilweise bis zu 90 Prozent der Beschäftigten dauerhaft von zu Hause gearbeitet. Aktuell sind es immer noch rund 80 Prozent. Bei Siemens liegt die weltweite Bürobelegungsquote seit Beginn der Pandemie bei circa fünf bis 15 Prozent. In Deutschland arbeiten aktuell etwa 61.000 von insgesamt 86.000 Siemens-Mitarbeitenden im Homeoffice. Die Beschäftigten der Deutschen Post sind nach dem 1. Juli „weiterhin angehalten, nach Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten, wann immer es betrieblich möglich und sinnvoll ist“. Auch bei Henkel arbeitet zurzeit noch „ein Großteil“ der Mitarbeitenden, deren Aufgaben dies zulassen, remote. BASF teilte lediglich mit, dass die Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten von 2012 in der Pandemie an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst wurde. Adidas verwies auf „Sonderregelungen, die ein flexibles, den eigenen Bedürfnissen entsprechendes Arbeiten ermöglichen“.
Wir freuen uns, langsam wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unseren Standorten begrüßen zu dürfen – natürlich unter Einhaltung entsprechender Hygieneregeln. Die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat für uns weiterhin höchste Priorität. Durch unser neues, globales ‚Smart Work‘-Konzept, das in Deutschland noch mit den Mitbestimmungsgremien final ausverhandelt wird, werden wir noch flexibler und unabhängiger von Ort und Zeit arbeiten. Wir haben jedoch festgestellt, dass der persönliche Kontakt für die Teams unerlässlich ist und vielen unserer Kolleginnen und Kollegen fehlt. Der direkte Dialog, das Miteinander oder das spontane Gespräch auf dem Flur – all das fehlt im Homeoffice. Umso mehr freue ich mich, dass wir mit dem globalen Konzept einen Rahmen haben, der das Beste aus beiden Welten vereint: einen attraktiven Arbeitsplatz vor Ort und die Möglichkeit, bis zu 40 Prozent mobil zu arbeiten.“
Oliver Wilhelms, Head of HR Germany/Switzerland and Labor Law, Henkel AG & Co. KGaA
Rückkehr zum New Normal?
Hinsichtlich einer Rückkehr der Mitarbeitenden ins Büro gaben vier Unternehmen Auskunft. Sie betonten, dass die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens maßgeblich sei. Bei der Allianz könnten bereits wieder 50 Prozent der Arbeitsplätze – im Open-Space-Bereich bis zu 30 Prozent – belegt werden. Bei Henkel ist eine Rückkehr ins Büro in Abstimmung mit den Vorgesetzten seit 1. Juli möglich. Vorerst werden jedoch viele Beschäftigte aufgrund angepasster Belegungskapazitäten weiterhin mobil arbeiten. Siemens und BASF teilten mit, dass die weitere Rückführung in kleinen Schritten angegangen werde. Adidas verwies erneut auf die „Sonderregelungen“.
Deutlich zeigt sich, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden bei der Rückkehr ins Büro für die genannten Dax-Unternehmen höchste Priorität hat: Auf die strikte Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln wird penibel geachtet. Die Allianz empfiehlt zudem allen Büro-Rückkehrern, „dringend vorab einen Schnell-/Selbsttest durchzuführen“. Für die Zukunft zeichnet sich ein Trend in Richtung hybrides Arbeiten ab. Vier der Konzerne gaben explizit an, dass eine Kombination von mobilem Arbeiten und Präsenz im Büro das angestrebte Modell sei. Siemens hat bereits 2020 angekündigt, mobile Arbeit „als Kernelement der neuen Normalität dauerhaft als Standard zu etablieren“. Aktuell wird das Ziel verfolgt, „dass alle Beschäftigten weltweit im Schnitt stets zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können“. Die Deutsche Post teilte mit, dass durch die Pandemie-Erfahrungen die Bedeutung hybrider Arbeitsmodelle gestiegen sei. Henkel hat mit seinem „Smart Work“-Konzept ein auf hybride Arbeit setzendes holistisches Konzept erarbeitet, dass ein kulturelles Umfeld schaffen soll, in dem die Bedürfnisse der Mitarbeitenden nach orts- und zeitunabhängiger Arbeit berücksichtigt werden: Tätigkeiten, die keine vollständige Präsenz im Büro verlangen, dürfen mobil erledigt werden – insgesamt bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit. Die Allianz strebt einen Anteil der mobilen Arbeit von 49 Prozent für alle Mitarbeitenden an.
Auf die virtuelle Zusammenarbeit haben sich die Mitarbeitenden sehr schnell eingestellt. Viele Adidas-Mitarbeitende haben bereits vor der Pandemie regelmäßig von zu Hause gearbeitet, digitale Tools wie Microsoft Teams oder Yammer wurden von den Beschäftigten intensiv genutzt und waren als Kommunikationswege etabliert.“
Statement Adidas AG
Erfahrungen im Homeoffice
Die Erfahrungen in der pandemiebedingten Homeoffice-Zeit wurden fast durchgehend positiv zusammengefasst: Keines der Unternehmen klagte über eine Abnahme der Produktivität. Siemens zum Beispiel betonte, dass es diesbezüglich keine Einbußen gab und die Geschäfte auf hohem Niveau weiterliefen. In einer internen Umfrage von BASF gaben viele Mitarbeitende an, dass sie beim mobilen Arbeiten produktiver seien und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie wertschätzten.
Auch hinsichtlich der Kommunikation waren die Erfahrungen insgesamt positiv. Vier Unternehmen hoben die Bedeutung ihrer digitalen Infrastruktur sowie von virtuellen Settings und Tools hervor. Da diese bei Adidas schon vorher fest etabliert waren, konnten sich die Mitarbeitenden dort schnell auf die virtuelle Zusammenarbeit einstellen. Auch Siemens kamen neben der guten IT-Infrastruktur die „bisherigen Erfahrungen mit mobilem Arbeiten und virtuellen Tools zugute“, sodass alle Meetings virtuell abgehalten werden konnten.
Mitarbeiterbefragungen (unter allen Mitarbeitenden der BASF SE) zeigen, dass sich Mitarbeitende und Führungskräfte vermehrt wünschen, die vielfach positiven Erfahrungen flexiblen Arbeitens für die Zukunft zu berücksichtigen. Unter anderem gaben viele Mitarbeitende an, dass sie beim mobilen Arbeiten produktiver sind und die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie wertschätzen. Andererseits eignen sich bei BASF nicht alle Tätigkeiten für mobiles Arbeiten. Ein Versuch im Labor oder das Betreiben und die Reparatur einer Anlage lassen sich nicht virtuell von daheim erledigen. Auch haben nicht alle Mitarbeitende geeignete Voraussetzungen, um von zu Hause aus zu arbeiten. Wiederum andere schätzen gerade die klare räumliche Trennung von Büro und privatem Bereich. Und ganz besonders wenn es um die kreative Entwicklung von Ideen geht, sind die persönliche Nähe und der direkte Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen oft der Schlüssel zum Erfolg.“
Statement BASF SE
Bei den Mitarbeitenden der auskunftswilligen Dax-Unternehmen zeichnete sich eine grundsätzliche Zufriedenheit mit der Homeoffice-Situation ab. So teilten Siemens und die Allianz mit, dass die Beschäftigten internen Befragungen zufolge die Arbeit von zu Hause sehr schätzten. Bei Siemens schlägt sich dies zudem darin nieder, dass die Mehrheit sich dafür ausgesprochen hat, weiterhin an bis zu drei Tagen pro Woche mobil zu arbeiten. Gleichwohl hebt etwa die Allianz hervor, dass der soziale Kontakt im Büro wichtig bleibt: „Viele Mitarbeitende vermissen den persönlichen Kontakt und den Austausch und freuen sich bereits, auch wieder im Büro zu arbeiten.“ Die BASF weist ebenfalls auf diesen Aspekt hin: „Wenn es um die kreative Entwicklung von Ideen geht, sind die persönliche Nähe und der direkte Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen oft der Schlüssel zum Erfolg“.
Zukünftige Nutzung der Büroflächen
Wie geht es bei all den hybriden Arbeitsmodellen nun weiter mit den Büroflächen? Der Trend bewegt sich in Richtung einer Umgestaltung zugunsten kollaborativen Arbeitens. Vier Unternehmen teilten uns mit, dass entsprechende Veränderungen geplant oder bereits umgesetzt sind. So hat die Allianz die Homeoffice-Zeit genutzt, um ihr Bürokonzept „Neues Arbeiten“ – mit Projekträumen für aktives Teamwork und agilen Flächen für interdisziplinäre Teams – an ihren Standorten baulich schneller umzusetzen. Siemens betont, „dass die Zeit im Büro verstärkt für Teamarbeit und zum Anschieben von Innovationsprozessen genutzt werden wird“. Der Fokus der Umgestaltung liege daher auf Open Spaces und Coworking-Areas. BASF verwies auf sein Projekt FlexWork@LU, bei dem der Teamarbeit entscheidende Bedeutung zukommt.
Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie haben die Deutsche Post DHL Group darin bestärkt, dass hybride Arbeitsmodelle, die sowohl das Arbeiten im Büro, aber auch von zu Hause umfassen, zukünftig noch stärker an Relevanz gewinnen werden. Der persönliche Kontakt wird sicherlich auch in Zukunft durch digitale Formate ergänzt, aber nicht gänzlich ersetzt werden können, und der Arbeitsplatz ein Ort der persönlichen Begegnung bleiben.“
Statement Deutsche Post DHL Group
Eine Reduzierung der Büroflächen im Zuge mobiler Arbeit teilte uns nur die Allianz mit. Die nicht mehr selbst benötigten Flächen werden aktuell konzernintern oder fremd untervermietet. Siemens gab hierzu an, dass eine Flächenreduktion „kein ausschlaggebender Treiber für das neue, mobile Arbeitskonzept“ war.
Ausstattung im Homeoffice
Weiter wollten wir wissen, wie es sich mit der Unterstützung der Mitarbeitenden bei der Ausstattung des Heimarbeitsplatzes verhält. Fünf der Unternehmen teilten uns mit, dass sie IT-Equipment wie Notebook, Headset und Mobiltelefon zur Verfügung stellen. Nur die Deutsche Post machte keine Angabe. Von der Allianz wurden bislang mehr als 15.000 Pakete mit Hardware ausgeliefert. Die Mitarbeitenden können eine Einmalzahlung von bis zu 300 Euro erhalten, die für die mobile Arbeit eingesetzt werden kann. Der Kauf eines hochwertigen Bürodrehstuhls wird mit 150 Euro bezuschusst. Adidas-Mitarbeitende erhalten neben dem IT-Equipment einen Bürostuhl als Leihgabe. BASF-Beschäftigte können in Absprache mit ihren Vorgesetzten große Monitore, Tastaturen und Bürostühle für die Zeit mitnehmen, in der sie zu Hause arbeiten.