In seiner hier startenden Beitragsreihe widmet sich der New-Work-Experte Jørn Rings, Geschäftsführer von NEU, interessanten Aspekten moderner Büroarbeit. Diesmal geht es um das Thema Vertrauen.
Als man in den 1930er-Jahren versuchte herauszufinden, wie viel Licht ein Büroangestellter benötigt, um besonders produktiv zu sein, stolperte man über eine unerwartete Erkenntnis: Menschen, die sich in der Gemeinschaft wohlfühlen, sind deutlich produktiver als andere. Dabei ist es egal, wie viel Licht sie haben. Und genauso wenig spielen die Qualität der Möbel oder die Luftfeuchtigkeit eine Rolle.
Solange die Gesundheit nicht beeinträchtigt wird, machen wir also auch bei wenig Licht und auf billigen Stühlen einen guten Job – vorausgesetzt, wir fühlen uns wohl. Und zum Wohlfühlen gehören sehr viele Dinge: Ist uns warm genug oder brauchen wir Abkühlung? Sitzen wir bequem? Reicht der Platz zum Arbeiten? Funktioniert der Computer? Schmeckt das Essen? Können wir uns konzentrieren? Haben wir genug Zeit? Diese Liste lässt sich fast endlos fortsetzen.
Doch einige wenige Dinge können dafür sorgen, dass alle anderen nicht mehr so wichtig sind: Wenn wir uns mit den Kollegen nicht verstehen oder der Chef uns Angst macht, helfen auch das gemütlichste Büro und das leckerste Essen nicht. In einer solchen Situation steht man morgens nicht gern auf, um ins Büro zu fahren. Ganz im Gegenteil: Im schlimmsten Fall werden wir aggressiv oder depressiv – und melden uns krank.
Wohlfühlen braucht Vertrauen
In der Sozialwissenschaft gibt es die magische Zahl 15. Dies ist die maximale Gruppengröße, in der wir in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden im Familienverbund zusammengelebt haben. Bis zu dieser Familiengröße sind wir in der Lage, jedes Mitglied der Gemeinschaft einzuschätzen. Bei größeren Gruppen schwindet unsere Fähigkeit, die anderen und deren potenzielle Gefahr uns gegenüber einzuschätzen.
Je größer eine Gruppe ist, desto geringer ist demnach das Vertrauen untereinander – und wir fühlen uns unwohl. Beobachtet zu werden stört uns weniger, wenn es sich um Menschen handelt, denen wir vertrauen. In großen Gruppen, beispielsweise in einem Großraumbüro mit 40, 60 oder 80 Arbeitsplätzen, passiert genau das Gegenteil. Schauen uns andere zu, können wir nicht beurteilen, ob sie das gewonnene Wissen zu unserem Nachteil einsetzen werden. Ein Ur-Instinkt, den wir auch bei Tieren beobachten können. Hunde und Katzen fühlen sich unwohler, wenn Fremde sie anschauen, als wenn Herrchen und Frauchen dies tun.
Beim Team-Office-Prinzip übertragen wir dieses Wissen auf die Planung von Bürolandschaften. Konkret bedeutet dies, dass eine Büroeinheit für Gruppengrößen von maximal 15 gleichzeitig anwesenden Beschäftigten konzipiert wird. Je nach Anteil von mobiler Arbeit/Homeoffice sind dies Verbünde von 20 bis 25 Beschäftigten. Dabei bezeichnet „Büroeinheit“ eine Kombination aus Bereichen für Team-Arbeit, Räumen für konzentrierte Einzelarbeit und Kommunikationszonen. Bei größeren Organisationen lassen sich diese „Familiengruppen“ untereinander intelligent verbinden, um einen idealen Wissens- und Sozialaustausch zwischen den Einzelgruppen zu erzeugen. Nach ähnlichem Prinzip haben sich vor der Industrialisierung die einzelnen Höfe zu Verbünden zusammengeschlossen. Wobei auch hier das Vertrauen im Verbund deutlich geringer war, als gegenüber den eigenen Familienmitgliedern.
Was machen wir mit den ganzen Großraumbüros?
Alle populären Bürokonzepte setzen mehr oder weniger stark auf sogenannte Open Spaces, die nichts anders als schön gestaltete Großraumbüros sind. Berücksichtigt man die Erkenntnis, dass echtes Teamwork aufgrund des erhöhten Misstrauensfaktors hier nicht entstehen kann, lautet die Konsequenz: bauliche Unterteilung der Flächen und Schaffung von Einzelzonen, die Teamarbeit und Miteinander fördern.
Dass auch vorhandene Hierarchien und das damit verbundene Verhalten von Führungskräften starken Einfluss auf das Vertrauen im Team haben, vertiefe ich in der nächsten Folge, wenn es um den Einsatz von mobiler Arbeit und deren menschliche Grenzen geht.
Jørn Rings, Geschäftsführer, |