Bunte Möbel und New-Work-Versprechen ändern nichts daran, dass der Büroalltag manchmal an den Nerven zerrt. Andauernder Stress aber mindert die Leistungsfähigkeit. Was gegen ihn hilft, erläutert Autor und Stressmanager Frank Ritter im Interview.
Das Büro: Herr Ritter, Sie stellen in Ihrem Buch „Kill deinen Stress“ Methoden für ein besseres Leben vor. Wie wird Stress definiert?
Frank Ritter: Stress ist eine komplexe und immer gleich ablaufende Reaktion in unserem Organismus auf unterschiedliche Reize von außen. In Kurzform ist Stress ein Reiz-Reaktions-System. Dieses System hat uns in gefährlichen Situationen beim Überleben geholfen.
Wie macht sich Stress bemerkbar?
Bei einem Stressreiz werden circa 30 Hormone und Neurotransmitter ausgeschüttet. Das stößt ganz viele Veränderungen in unserem Organismus an. Puls und Blutdruck steigen, die Muskulatur spannt sich an, die Verdauung wird heruntergefahren, die Atmung wird schneller und flacher, der Fokus verengt sich, und unser Denken ist eingeschränkt.
In welcher Weise wird unser Körper dabei beeinträchtigt?
Kurzfristig ist das vorteilhaft in Gefahrensituationen und trimmt uns körperlich auf Höchstleistungen. Springt unser Reiz-Reaktions-System langfristig immer wieder an, wird das zum Problem. Aus einem kurzfristigen Blutdruckanstieg wird dauerhaft erhöhter Blutdruck, aus Muskelanspannung entstehen Muskelverspannungen, aus der eingeschränkten Verdauung folgen chronische Verdauungsstörungen. Dauerstress macht krank. In der Jäger-Sammler-Zeit waren es Reize wie gefährliche Tiere, andere Jäger, Witterungsverhältnisse – wenige Reize also, aber lebensgefährliche.
Welche Stressreize hält das Büro für uns bereit?
Heute reizen uns Zeit- und Leistungsdruck, die Informationsflut, Technik, die nicht funktioniert, der nervige Kunde, Kollege oder Chef. Viele Reize, alle nicht lebensgefährlich, aber unser Nervensystem kann das nicht unterscheiden. Es reagiert darauf häufig mit der Stressreaktion und schüttet über den Tag verteilt immer wieder Stresshormone aus.
Gibt es einen Trick, um solche Situationen zu entschärfen?
Bewusstes Wahrnehmen ist der erste Schritt, um Stress zu reduzieren. Begeben Sie sich mehrmals täglich in die Hubschrauberperspektive, und reflektieren Sie sich selbst: „Was tue ich hier gerade? Ist das sinnvoll für mein Stresslevel? Wird das Ergebnis durch Stress besser oder schlechter?“ In der Praxis helfen drei Fragen:
- Ist Ihr Leben durch die Situation, die Sie gerade stresst, akut in Gefahr? Falls ja, unbedingt handeln! Falls nein: weiter.
- Wenn Sie nur noch drei Monate zu leben hätten, würden Sie sich von der Situation, die Sie gerade stresst, stressen lassen? Falls nein: weiter.
- Wenn Sie die Situation, die Sie gerade zu stressen beginnt, einem vierjährigen Kind erklären müssten, würde es verstehen, warum Sie gestresst sind?
Antworten Sie dreimal mit Nein, dürfen Sie sich künftig bewusst entscheiden, ob es wirklich Sinn macht, sich zu stressen. In jedem Fall helfen einige tiefe Atemzüge bei offenem Fenster. Die Atmung bremst unser Stresssystem messbar.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Martin A. Völker
Buchtipp:
Frank Ritter: Kill deinen Stress. Wirkungsvolle Methoden für ein entspannteres Leben, Redline-Verlag, 17,99 €.