Ohne Normierung läuft nichts in unserer Welt. Normen schaffen Standards, und Standards schaffen Sicherheit wie Vertrauen. Daran erinnert der Weltnormentag, der jedes Jahr am 14. Oktober begangen wird. Ein Bericht von Martin A. Völker.
Das Wort „Norm“ hat keinen leichten Stand, weil es eine unterschiedliche Wirkung auf uns ausübt. Wir hören es und denken oft an „Gleichmacherei“. Wir fürchten den Verlust unserer Individualität. Mancher argwöhnt, dass er einem Bild entsprechen muss, dem er nicht entsprechen kann. Trotzdem sind wir zugleich große Fans der Norm, wenn es zum Beispiel darum geht, Papier für einen Drucker zu kaufen und dabei festzustellen, dass jedes handelsübliche Papier in jeden Drucker passt. Wie würden wir reagieren, wenn das Papier hier zu lang und dort zu breit wäre, oder der Drucker nach einer je eigenen Größe verlangte? Das würde nicht nur die Büroarbeit ins Chaos stürzen. Der Duden gibt für das Verb „normen“ die Erklärung, dass damit etwas vereinheitlicht wird. Dem Duden dient ebenfalls das Papier, weil es sich im täglichen Gebrauch befindet, als sinnfälliges Beispiel.
Die Feier der Norm
Der Weltnormentag bzw. der World-Standards-Day erinnert jährlich am 14. Oktober an die Erleichterung, welche durch Norm und Normierung in unseren Alltag kommt. Er bezieht sich auf die 1946 international beschlossene Schaffung einer entsprechenden Organisation, die Normungen vom Projekt bis zu ihrer Realisierung auf den Weg bringt. Die ISO, Internationale Organisation für Normung bzw. International Organization for Standardization mit Sitz in Genf, wurde 1947 gegründet. Die jährlich von der ISO ausgegebenen Botschaften für den Weltnormentag lesen sich wie eine Liste der wesentlichen Gesellschaftsfragen und To-dos der letzten Jahre: Normen gegen den Klimawandel (2009), Internationale Normen und globale Vertrauensbildung (2011), Normen als gemeinsame Sprache der Welt (2015). Jede Norm befindet sich am Puls der sich vernetzenden Zeit. In Deutschland bestand schon seit 1917 der sogenannte Normenausschuß der deutschen Industrie, dessen Bedeutung sich bis heute erhalten hat. 1975 erfolgte die Umbenennung in DIN Deutsches Institut für Normung e. V. – dort werden die bekannten DIN-Normen erarbeitet.
Das genormte Büro
Das weltbekannte DIN-A4-Format, ohne das jede Büroarbeit undenkbar wäre, reicht bis auf das Jahr 1922 zurück. In der Zwischenzeit hat sich technisch wie medial natürlich alles grundlegend geändert, aber so, dass neue Normen (zusammen mit altbekannten und überarbeiteten) den Arbeitsalltag erleichtern. Normen schaffen Vertrauen, ordnen den Geschäftsverkehr und sorgen dafür, dass jeder verlässlich dort etwas findet, wo er es sucht. Zum Beispiel gibt die DIN 5008 Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung. Ob Geschäftsbrief oder Bewerbung: Festgelegt wird die gesamte Form von den Seitenrändern über die Schriftgröße bis zur Textanordnung und -ausrichtung. Die Norm macht vor anderen Bereichen und Objekten im Büro nicht halt. Zu den Klassikern der Normen im Büro zählen die DIN EN 527-1 bzw. -2, welche sich auf die Maße der Arbeitstische im Büro beziehen sowie auf die Anforderungen an Sicherheit, Festigkeit und Dauerhaltbarkeit. Die DIN EN 1335-1 bzw. -2 legen Entsprechendes für Bürostühle fest.
Neues Problem, neue Norm
Gerade erarbeitet wird die DIN 4573, die den Titel trägt: „Sitzmöbel für Personen mit höherem Nutzergewicht – Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren“. Die Hintergründe dazu erläutert Julian Pinnig, Pressesprecher DIN Deutsches Institut für Normung: „Die Menschen werden immer schwerer. Die Norm legt sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für Sitzmöbel fest, die für die Nutzung durch Personen mit einem Nutzergewicht über 110 kg bis maximal 180 kg bestimmt sind. In den europäischen Normen orientieren sich die Anforderungen und Prüfverfahren bislang an einem Nutzergewicht von bis zu 110 kg. Es wird aber ein Bedarf für Sitzmöbel gesehen, die ein höheres Gewicht tragen können. Der Norm-Entwurf E DIN 4573 wurde übersetzt und als ein Vorschlag an die Arbeitsgruppe geschickt, die sich auf europäischer Ebene mit dem Thema Sitzmöbel für Personen mit höherem Nutzergewicht befasst. Dieser wird gemeinsam mit Vorschlägen aus weiteren Ländern beraten, um eine einheitliche Europäische Norm zu erarbeiten.“
Regelwerk für die Zukunft
Welche aktuellen und künftigen Bereiche in Normgebungsverfahren einbezogen werden, zeigt die Grafik „Innovative Arbeitswelt“. Erkennbar ist, dass nicht allein technische und wirtschaftliche Entwicklungen im Vordergrund stehen, sondern insbesondere die Schnittstellen zur Gesellschaft Beachtung finden: die Interaktion von Mensch und Maschine in Zeiten der KI, die Verzahnung von unternehmerischer und gesellschaftlicher Teilhabe unter dem Gesichtspunkt neuer Arbeitsformen. Soziokulturelle Werte im Wandel werden berücksichtigt, Wissen und Lernen als Zentralbereiche, die Wirtschaft und Gesellschaft zusammenhalten, erkannt. Die neue Arbeitswelt kann nur innovativ sein, wenn sie bei ihren technologischen wie organisatorischen Lösungen den Menschen in den Mittelpunkt stellt, damit er Herr des Geschehens bleibt. Wird unsere Welt auch immer unsicherer, so ist doch auf eines Verlass: auf die Norm, die von Menschen für menschliche Belange gemacht wird. Der Weltnormentag ist also ein guter Tag, einmal ganz der Norm zu entsprechen.