Tillmann Strohbach coacht Unternehmen in Sachen Agilität. Dabei hilft ihm seine langjährige Vertriebserfahrung im Bereich IT-Lösungen. In seiner Kolumne über agiles Arbeiten geht es diesmal um die Kanban-Methode.
Kanban ist eine Methode der Steuerung von Produktionsprozessen. Bei ihr wird sich ausschließlich am tatsächlichen Verbrauch von Materialien am Bereitstell- und Verbrauchsort orientiert. Das Wort „Kanban“ kommt aus dem Japanischen. Dort heißt dies so viel wie „Karte“, „Tafel“ oder „Beleg“.
Bis heute arbeiten einige Fahrzeughersteller mit dieser Methode „auf Zuruf“. Es geht einerseits darum, nichts auf Halde zu lagern und zu produzieren. Andererseits aber auch darum, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich einschätzen sollen, was sie am Tag oder in einer Woche schaffen können, wenn sie alle Voraussetzungen und Ressourcen berücksichtigen.
Kanban Boards werden heute vielerorts sehr schnell installiert. Sie dienen aber leider oft nur der Kontrolle des Managements über die Mitarbeiter. So führt ein Kanban Board allein nicht automatisch zum Arbeiten mit agilen Methoden. Erst wenn man es dem Team, den Teams überlässt, sich mit diesem Hilfsmittel Transparenz eigenverantwortlich und selbstständig zu organisieren, kann daraus eine agile Arbeitsweise werden.
Worauf kommt es bei Kanban an?
Agile Methoden dienen dazu, MITEINANDER ins Gespräch zu kommen, aufeinander zuzugehen, um, bevor man eine Aufgabe beginnt, sich noch einmal gemeinsam zu vergewissern, was man verstanden hat, was der Auftraggeber gemeint hat und welche aktuellen Einflüsse mögliche Veränderungen zur Folge haben.
So kann ein Kanban Board schon bei der Benennung der Spalten entsprechend der Notwendigkeiten für das Team vor allem dazu dienen, dass man die Visionen, Funktionen und deren Nutzen sowie die sich daraus ergebenden Aufgaben visualisiert. All diese Aspekte können durch die Erstellung von Zetteln oder Post-its erfasst oder sprichwörtlich begriffen werden. So kann sich alles einmal vorgestellt, mit Worten beschrieben, überdacht und können gemeinsam Wege zur Lösung erarbeitet werden.
Wichtig erscheint mir die Frage: Was wollen wir mit dem Board erreichen? Warum wollen wir dies erreichen und welche hilfreichen Ansätze gibt es bereits? Genauso wichtig finde ich es nachzufragen, wer mit welchen Ansprüchen und welcher Motivation heute schon arbeitet und zukünftig arbeiten will. Vorab sollte mit allen Beteiligten – vom Manager bis zum Mitarbeiter – die Frage geklärt werden, was diese agile Arbeitsweise mit ihnen macht. Was muss ich wie und warum ändern, um nicht plötzlich ‚mehr‘ machen zu müssen und so noch frustrierter zu werden und weiter zu verbrennen? Welche Konsequenzen haben diese Methoden? Und wie geht man mit Mitarbeitern um, die dann am besten sind, wenn man ihnen sagt, was zu tun ist?
Arbeiten mit einem Kanban Board
Wie und wonach kann man nun ein solches Kanban Board erstellen? In der ersten Spalte könnte sich zum Beispiel ein sogenanntes Backlog befinden. Hier werden alle Gedanken, Ideen, Funktionen, Wünsche, ja vielleicht sogar Visionen sowie deren Nutzen und deren Priorisierung gesammelt und somit auch besprochen, wann was und warum dran ist.
Für die Befüllung und Aktualisierung sollte man sich immer wieder sehr viel Zeit nehmen, um aktuelle Einflüsse und Veränderungen berücksichtigen zu können.
In der zweiten Spalte könnte man sich auf ein ‚Commitment‘ einigen. Sprich, der Nutzen und daraus resultierende Aufgaben sind erarbeitet, Ressourcen eingeplant und eine Reihenfolge, Priorisierung durch das Team hat stattgefunden. Mit dem Commitment übernehmen die Mitarbeiter des Teams die Aufgaben für die kommende Woche oder Wochen. Sie schätzen selbstständig ein, was sie schaffen können, wenn die entsprechenden, besprochenen(!) Voraussetzungen dafür geschaffen und allen klar sind.
Die dritte Spalte könnte eine sogenannte WIP-Spalte sein. WIP steht hier für „Work in Progress“, also für die Aufgaben, mit denen sich die Mitarbeiter tagesaktuell beschäftigen. In einem täglichen Update (Daily) könnte in aller Kürze (15 Minuten) jeder ansprechen, erklären, was ihn gerade beschäftigt und was ihn gegebenenfalls aufhält.
Die Zettel mit den einzelnen Aufgaben werden dabei sprichwörtlich in die Hand genommen und von Spalte zu Spalte eigenverantwortlich bewegt.
Eine weitere Spalte könnte eine Erledigt-Spalte sein. Hier werden alle Aufgaben, die in einer Woche, einem Monat erledigt wurden, gesammelt und natürlich als solche auch benannt.
Separate Kanban-Workshops
Wichtig ist es, dass es für die Planung der Woche oder des Monats einen separaten Workshop gibt, um noch einmal gemeinsam zu besprechen, ob das, was man verstanden hat, auch das ist, was gemeint war und ob man für die Einschätzung wirklich alles berücksichtigt hat.
Deshalb sollte es natürlich vorab auch eine Art Review geben, wo man alle Ergebnisse der letzten Wochen, des letzten Monats noch einmal gemeinsam bespricht. Sich anschaut, wie die Ergebnisse aussehen und welche Abhängigkeiten sich nun wirklich daraus ergeben.
Meine letzte Spalte heißt meistens Archiv. Hier sammle ich alle erledigten Aufgaben, aber auch Aufgaben, die es, aus welchen Gründen auch immer, nie in eine Priorisierung geschafft haben. Warum? Es könnte doch sein, dass diese später wieder aktuell und wichtig werden und so verliert man sie nicht aus dem Blickfeld. Aber ja, auch dafür sollte man sich in einem Backlog-Workshop immer wieder Zeit nehmen, um final zu klären, was man mit diesen Aufgaben machen will, und gemeinsam darüber zu entscheiden.
Kein Kanban ohne Moderator
Wichtig ist es hierbei immer, dass es eine Moderation gibt. Gern verlieren sich technisch versierte Menschen in Diskussionen über Details. Gern spricht man detailliert und ausschweifend über die Fehler der anderen, ohne selbst etwas beitragen zu können oder zu wollen. Ein Moderator kann und sollte so etwas steuern und verhindern, dass das Team unnötig aufgehalten wird.
Somit kann auch ein Kanban Board als Grundlage für Kommunikation entscheidend dazu beitragen, Aufgaben transparent zu machen, eigenverantwortliches Handeln zu fördern und damit Mitarbeiter zu motivieren. Dies setzt vor allem Vertrauen in die eigene Organisation, in die Mitarbeiter durch das Management voraus. Wenn dies nicht immer wieder vorgelebt und unterstrichen wird, vom Management der Beweis erbracht wird, dass sie ihren Mitarbeitern trauen, Fehler nichts Schlimmes, sondern nur Grenzen bedeuten, das Board also nicht als Kontroll-Instrument missbraucht wird, dann wird man hier sehr bald eigenverantwortliche und selbstständige Mitarbeiter bekommen.
Wenn ein Kanban Board dazu dient, dass Mitarbeiter das Richtige machen können, weil sie sich vorher durch aktive Rücksprache vergewissert haben und ihre Zeit nicht mit „Kann’ste mal eben“ verbringen müssen, dann ist Kanban eine sehr motivierende und schlussendlich auch effektive Methode, um seine Arbeit zu organisieren.
Tillmann Strohbach,
Agile Coach. agile-process.de |