Tillmann Strohbach coacht Unternehmen in Sachen Agilität. Dabei hilft ihm seine langjährige Vertriebserfahrung im Bereich IT-Lösungen. In seiner Kolumne über agiles Arbeiten geht es diesmal um die Scrum-Methode.
Als ich vor Kurzem gefragt wurde, was Scrum eigentlich heißt, musste ich noch einmal nachschauen. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet es „Gedränge“. Es wurde aus dem Rugby abgeleitet. Das finde ich ziemlich unpassend, wenn ich ehrlich bin. Impliziert es doch, dass man so „als Haufen“ vor sich hintreibt und entwickelt, immer auf dem gerade vermeintlich besten Weg, ohne Plan und Struktur.
Ganz im Gegenteil erfordert Scrum viel Disziplin. Nur dann ist es eine Chance. Nur dann entwickelt man verschiedenste Möglichkeiten und handelt im Sinne des Kunden, ohne dabei sich und sein Team zu verbrennen.
Scrum: Ohne Plan nur kurzer Elan
Wer etwas – und ich will zur Illustration bei der Entwicklung von Anwendungen bleiben – neu gestalten will, braucht zuerst den Raum und die Zeit, eine Vision von einem Ziel, Produkt oder einer neuen Lösung zu erstellen. Man sollte sich ausgiebig Zeit dafür nehmen, um mit allen Beteiligten darüber zu sprechen, was am Ende eigentlich rauskommen soll und warum und für wen.
Am Anfang sollte ein Plan stehen, der unter anderem enthält, was für Ressourcen, Material und Know-how benötigt werden. Man benötigt einen Rahmen von Zeit und natürlich auch Budget, um dem Ganzen eine Struktur zu geben.
Damit Plan und Struktur auch im Sinne des Kunden entstehen, bieten sich zu Beginn eines Projekts – für das sogenannte Backlog – verschiedenste Methoden an, etwa Design Thinking oder Open Space. Mit ihrer Hilfe wird eine Liste der Wünsche, Funktionen und Prioritäten mit den Umrissen von zu bewältigenden Aufgaben erstellt, eben ein Backlog. In diesem finden sich nicht nur die Visionen wieder, sondern auch die Beschreibungen spezifischer Schritte. Die Planung und Voraussetzungen sowie die Priorisierungen und entsprechende Konsequenzen, um das Handeln des oder der agilen Teams steuern zu können.
Nach der Erstellung solch einer „Liste der Meilensteine“ macht es Sinn, die kommenden Tage und Wochen so zu planen, dass jeder im Team weiß, was er zu tun hat oder beitragen kann und mit wem er sich dazu abstimmen sollte. Eine Planung der kommenden Wochen, um „das Richtige“ zu tun, indem man sich durch Rückfragen vergewissert.
Nachdem begonnen wurde, die ersten Aufgaben abzuarbeiten, sollte immer wieder gemeinsam, auch mit dem Kunden bzw. Anwender, reflektiert werden, was bereits wie erreicht wurde. Was denkt der Kunde über den Zwischenstand? Denn es kann ja durchaus passieren (passiert jeden Tag!), dass sich Prozesse beim Kunden verändern und somit auch die neue Lösung entsprechend angepasst werden muss.
Wenn man sich nun noch die Zeit nimmt, einmal zu schauen, wie die Mitarbeiter im Team miteinander „funktionieren“, ob die Kommunikation klappt, ob es allen wirklich gut geht oder jemand vielleicht durch andere Dinge von der Arbeit abgelenkt wird, dann kann es eine wertschätzende und somit richtig gute Arbeit und Entwicklung werden.
Scrum: Von Backlog bis Retrospektive
Die Scrum-Methode besteht also aus 1) Backlog, 2) Sprint Planing, 3) Sprint Review und 4) Retrospektive. Die Stärke von Scrum liegt aus meiner Sicht in der regelmäßigen, gemeinsamen Reflexion.
Voraussetzung für den Erfolg von Scrum ist zum einen, dass alle Beteiligten eigenverantwortlich arbeiten und etwas bewegen bzw. verändern WOLLEN. Zum anderen müssen sie sich ihres Handelns immer wieder vergewissern WOLLEN.
Die Methode lebt vom Mitmachen
Wer in ein Planing oder einen Review-Workshop geht und sich nicht vorbereitet hat, geht wenig wertschätzend mit der Zeit der Kollegen und des Kunden/Anwenders um. Schlimmer noch: Wer (weiter) darauf wartet, dass jemand kommt, um ihm zu sagen, was er zu tun und was er zu lassen hat, der wird mit Scrum die Empfindung haben, dass er zusätzlich arbeiten muss, weil es ja nun „noch viel mehr Workshops“ für das Projekt gibt!
Mit Scrum haben alle die Chance, nicht mehr mit „Kann’ste mal eben“ arbeiten zu müssen, was mehr Qualität und Motivation zur Folge hat. Wer Scrum lebt und damit seine Projekte voranbringen will, geht wertschätzend mit seinen Kunden, seinen Mitarbeitern und sich selbst um. Dafür gibt es bei der Scrum-Methode zusätzliche Tools, die letztlich vor allem dazu dienen, aufeinander zuzugehen und zu kommunizieren.
Um mit Scrum erfolgreich zu werden, reicht es aber nicht, die Methode nur einzuführen. Man muss üben, trainieren, immer wieder daran arbeiten. Wie beim Sport sind es die Wiederholungen und Reflexionen, die voranbringen. Weil es um die Kommunikation zwischen Menschen geht, wo jeder mal gute und mal schlechte Tage hat, was sich natürlich auch auf die Qualität der Arbeit des gesamten Teams auswirkt.
Scrum-Master, der Hüter der Methode
Deshalb gibt es den Scrum-Master, der Wiederständen begegnet, die sich im Team und durch die Kommunikation mit der Organisation auftun, und der gemeinsam mit den Beteiligten nach Lösungen sucht und diese erarbeitet. Als „Hüter der Methode“ ist es seine Aufgabe, darauf acht zu geben, dass Kommunikation stattfindet und diese auf Augenhöhe und mit Respekt erfolgt. Es sollte immer um die Sache, weniger um persönliche Befindlichkeiten gehen. Es sei denn, man sitzt gemeinsam geschützt in der Retrospektive … Ohne eine Moderation durch den Scrum-Master würde ein wesentlicher Teil der Methode in der Umsetzung fehlen.
Tillmann Strohbach,
Agile Coach. agile-process.de |