Sich Essen liefern lassen? Früher taten das die Großeltern und es hieß Essen auf Rädern. Heute ist es hip. Mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen buhlen Bestell-Start-ups um neue Kunden, etwa um hungrige Großstädter während der Mittagspause. Dr. Sebastian Klöß ist dem Phänomen nachgegangen.
„Schweinebraten mit Nudeln, dazu eine Sternchensuppe und Wackelpudding mit Vanilletunke“ – das war eines der ersten verbrieften Essen-auf-Rädern-Gerichte aus den frühen 1960er Jahren. Damit hat das Angebot heutiger Lieferdiente nichts mehr zu tun, und es muss nicht einmal unbedingt der Lieferklassiker Pizza sein, was der Essensbote vorbeibringt. Inzwischen gibt es fast kein Gericht, das nicht geliefert wird. Vorausgesetzt, man wohnt in einer Großstadt, denn auf dem Land nimmt die Auswahl rapide ab. Gut also, wer ein Büro im Herzen einer Metropole hat. Der kann einfach sein Smartphone zücken, auf kulinarische Streifzüge gehen und Speisen wie „Quinoa Salat mit Rucola & Hähnchen“ oder „Devil’s Soup“ ordern. Pizza natürlich auch.
Dreieinhalb Kategorien lassen sich bei den Diensten, die essenbestellende großstädtische Bürotätige versorgen, unterscheiden.
Kategorie 1: Vermittler
Gibt man in der App oder auf der Webseite von reinen Vermittlern seine Adresse ein, werden Restaurants in der Nähe angezeigt, die über einen eigenen Lieferservice verfügen. Nach Essensvorlieben gefiltert, ausgewählt und auf Wunsch bezahlt wird per App des Dienstes. Gekocht und geliefert wird von den Partnerrestaurants. So funktioniert eine Bestellung beispielsweise bei Lieferheld, Lieferando oder Pizza.de (wo – anders als es der Name nahelegt – nicht nur Pizzerien zu finden sind, sondern zum Beispiel auch Burger King oder Subway). Diese Art Lieferdienste ist in Deutschland am flächendeckendsten verbreitet.
Eine Unterkategorie „anderthalb“ bildet Eatclever. Das ist eigentlich ebenfalls ein reiner Lieferdienst, aber einer, der zusammen mit Partnerrestaurants und Ernährungswissenschaftlern eigene Rezepte entwickelt hat. Wer bei Eatclever bestellt, wählt daher nur zwischen Gerichten, nicht zwischen Restaurants. Dafür kann er nach Kategorien wie „Low-Carb“ oder „High-Protein“ filtern und die Nährwertangaben des Wunschessens checken.
Kategorie 2: Lieferer
Echte Essenslieferdienste bilden die Kategorie zwei. Vor allem zwei Anbieter sind derzeit in Großstädten massiv auf Kundenjagd und versuchen, sich gegenseitig auszustechen: Deliveroo und Foodora. Die beiden vermitteln nicht nur Restaurants, sondern haben auch eigene Flotten von meist radelnden Boten, die das Wunschessen ins Büro bringen. Dadurch kann auch bei kleineren Restaurants ohne eigenen Lieferservice bestellt werden. Bis auf das Kochen wickeln Deliveroo und Foodora das komplette Procedere ab. Sogar das Trinkgeld gibt man dem Fahrer per App. Der Hauptunterschied zwischen Deliveroo und Foodora ist – ihre Farbe: Türkis versus Pink. Bei beiden gibt es einen Mindestbestellwert von meist zwölf Euro, bei beiden fallen Liefergebühren an, die (abhängig vom Bestellort) im Bereich von 2,50 bis 2,90 Euro liegen. Und beide kämpfen während der Hauptbestellzeiten immer mal wieder damit, das Essen in der versprochenen Zeit zu liefern.
Kategorie 3: Vorbesteller
Ganz ohne Lieferung funktioniert ein neuer Bestellservice – Kategorie drei. Der Hungrige wählt beispielsweise bei Lunchio vom Büro aus per Website oder App ein Restaurant aus, entscheidet sich für ein Gericht, gibt an, wann er im Restaurant essen möchte, und bezahlt gleich online. Zur angegebenen Zeit ist für ihn ein Tisch im Restaurant reserviert und das Essen zubereitet. Nach dem Mahl kann er einfach gehen, denn bezahlt ist schon. Damit klappt ein richtiger Restaurantbesuch in einer 30-minütigen Mittagspause. Positive Nebeneffekte: Man bewegt sich auf dem Weg zum Restaurant wenigstens mal ein bisschen und es entfällt das ökologisch bedenkliche Verpackungsmaterial.
Angebote für Unternehmen
Während Essen auf Rädern etwas für Senioren und der Pizzabote für private Film- und Spieleabende ist, zielen die neuen Bestelldienste mit speziellen Firmenprogrammen zusätzlich auf eine Geschäftskundenklientel. Beispiel Lunchio: Unternehmen können ihren Mitarbeitern dort ein Essensbudget zur Verfügung stellen. Da das als steuerfreier Zuschuss für Mahlzeiten gilt, sparen Firmen Lohnnebenkosten (jährlich bis zu 1.364 Euro pro Mitarbeiter), und Mitarbeiter bekommen pro Tag bis zu 6,20 Euro steuerfrei zusätzlich. In der Praxis läuft das so, dass Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber digitale Essensmarken erhalten, die sie beim Bestellen online einlösen.
Foodora hat ebenfalls ein Angebot für Geschäftskunden. Arbeitgeber können für jeden Angestellten einen Budgetrahmen festlegen und angeben, zu welchen Uhrzeiten über den Firmenaccount bestellt werden darf. Wählt der Mitarbeiter ein teureres Essen aus, kann er die Differenz selbst bargeldlos begleichen, oder mehrere Kollegen legen ihre Budgets zusammen. Die Arbeitgeber erhalten von Foodora eine Rechnung sowie Berichte zu den Bestellungen, wahlweise für jeden Mitarbeiter, für Abteilungen, Firmenstandorte oder Projekte. Ähnliche Programme bieten Deliveroo und Lieferando.
Das Aber …
Die neuen Alternativen zur selbstmitgebrachten Stulle oder zum Bäcker um die Ecke haben durchaus ihren Reiz – aber auch ihre Schattenseiten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) warnt bereits davor, dass sich die Restaurants in eine ähnliche Abhängigkeit begeben, wie es die Hotels gegenüber den Onlinebuchungsportalen bereits getan haben. Restaurants müssen den Bestelldienstleistern beispielsweise Provisionen für jedes bestellte Gericht bezahlen, über Foodora heißt es immer wieder, diese liege bei happigen 30 Prozent. Das Essvergnügen trüben können außerdem Berichte über die selbstständigen Kurierfahrer der Unternehmen. Häufig ist das ein Knochenjob, bei dem das Arbeitswerkzeug (Fahrrad und Smartphone) selbst gekauft und repariert werden muss. Ein weiteres Manko des gelieferten Essens ist der Müllberg, den es produziert. Jedes Gericht ist in Einwegbehältern aus Kunststoff, Alu oder Papier verpackt, die nach der Mittagspause im Müll landen müssen. Der gute alte Porzellanteller wäre da besser.
Bleibt noch der Gesundheitsaspekt. Ausgewogen ist das bestellte Essen sicherlich in den meisten Fällen. Doch wenn das Essen ins Büro gebracht wird, geht der Büroarbeiter nicht zum Essen – sprich: Er bewegt sich noch weniger. Ob es auch am dichten Lieferservicenetz in Berlin liegt, dass laut dem Report „Wie gesund lebt Deutschland?“ der Deutschen Krankenversicherung die Berliner mit knapp neun Stunden täglich im Bundesvergleich am meisten Zeit im Sitzen verbringen?