Die Wirtschaft entdeckt Großzügigkeit
Ein gutes Geschenk baut eine Beziehung auf. Die Wirtschaftspsychologin Dr. Alexandra Hildebrandt geht der Frage nach, wie Geschenke nicht nur lange wirken, sondern auch sozial und ökologisch nachhaltig sind.
In seinem wegweisenden Buch „Die Gabe“ (1983), das sich der Kunst und ihrem Verhältnis zur Wirtschaft widmet, schreibt der amerikanische Dichter und Kulturkritiker Lewis Hyde, dass Geschenke, anders als Wirtschaftsgüter, immer Beziehungen herstellen. Inzwischen hat auch die Wirtschaft begonnen, Schenken und Großzügigkeit „in ihren transaktionalen Bezugsrahmen einzubinden“. So geht Adam Grant, Professor an der Wharton Business School, in seinem Buch „Geben und Nehmen“ (2013) auch den Vorteilen von Großzügigkeit am Arbeitsplatz nach. Seiner Ansicht nach wird Altruismus als Motivationsquelle noch immer unterschätzt. „Firmen sollten ein starkes Interesse daran haben, freigiebiges Verhalten zu fördern, weil es Schlüsselaspekte ihrer Performance, wie effektive Zusammenarbeit, Innovation, herausragenden Service und Qualitätssicherung, verbessert.“ Dies postuliert auch der Marketingexperte Tim Leberecht in seinem Buch „Business-Romantiker“ (2015), in dem er die Sehnsucht nach einem anderen Wirtschaftsleben beschreibt.
Schenken ergibt Sinn
Für viele Unternehmen ist dieser Ansatz bereits selbstverständlich. So wird beispielsweise das Budget für die Weihnachtsgeschenke bei der memo AG für einen guten Zweck gespendet. Claudia Silber, die hier die Unternehmenskommunikation leitet, verweist darauf, dass Geschenke von Lieferanten und Geschäftspartnern zur Weihnachtszeit vor Ort gesammelt werden: „Im Dezember findet dann jedes Jahr eine Versteigerung statt, von deren Erlös das Unternehmen im Sommer eine Party für alle Mitarbeiter und deren Familien veranstaltet.“
Von Herzen
Aber Schenken ist mehr als nur Geben – es ist auch Denken. Viele Geschenke sind leider nicht nachhaltig. Und wahrscheinlich machen sich auch die wenigsten Menschen darüber Gedanken, solange anderen eine Freude gemacht wird. Dass aber bei zahlreichen Geschenken an anderer Stelle Menschen und Umwelt leiden müssen, ist vielen nicht bewusst. Ähnliches gilt übrigens für Werbeartikel, die ja letztlich auch Geschenke sind. „Bei den meisten Unternehmen zählt ausschließlich der Preis“, betont Silber. Ein nachhaltiges Geschenk ist für sie nicht nur im eigentlichen Sinn umwelt- und sozialverträglich, sondern auch ein Geschenk, das von Herzen kommt „und bei dem der Beschenkte merkt, dass sich der Schenkende Gedanken gemacht hat.“
Was uns zusammenhält
Wir brauchen Dinge und Symbole für unsere Identität. Auch Freundschaft ist ohne eine zusätzliche Bedeutungsdimension nicht wirklich greifbar. Hochwertige Schreibgeräte sind beispielsweise schöne Freundschaftsgeschenke, die zugleich für Entschleunigung stehen, kein Ablaufdatum haben und vielleicht sogar ein Leben lang halten. Sie symbolisieren eine besondere Form der Zuneigung: Du bedeutest mir etwas. Auch wenn du nicht da bist, so denke ich an dich und mache die Welt wieder ganz. Auch das ist Nachhaltigkeit, greifbar und im Kleinen.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Sachbuchautorin, Hochschuldozentin sowie Mitinitiatorin der Initiative „Gesichter der Nachhaltigkeit“. |