Im zweiten Sammelband „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“ werden weitere 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Eingangs thematisieren renommierte Architekten die neuen Herausforderungen der modernen Büroarbeitswelt. Frank Dittel von Dittel Architekten ist mit diesem Beitrag dabei.

Frank Dittel, Dipl.-Ing. Architekt, Geschäftsführer, Inhaber, Dittel Architekten. Abbildung: Victor Goico
Wollen wir wirklich zukunftsfähige Arbeitswelten gestalten, brauchen wir ein tiefes Verständnis für die sich wandelnden Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Unternehmen. Werte wie Gemeinschaft, Flexibilität, Nachhaltigkeit und Technologieintegration spielen dabei eine zentrale Rolle. Besonders die Generationen Y, Z und Alpha, die nach 1980 Geborenen, prägen diesen Wandel, indem sie ihre Erwartungen an die Sinnhaftigkeit der Arbeit, die Flexibilität in der Ausübung und an innovative Arbeitsumgebungen stellen. Die Zukunft der Arbeit entsteht an der Schnittstelle von Architektur, Technologie und den Werten jüngerer Generationen – und erfordert ein Um-die-Ecke-Denken bei der Gestaltung von Räumen für die Zukunft der Arbeit.
Arbeit neu definieren
Unsere Arbeitswelt verändert sich grundlegend: Wo früher produktive Stille herrschte, stehen heute Kommunikation und soziale Bindungen im Vordergrund. Die kommenden Generationen suchen mehr als nur einen Arbeitsplatz – sie wünschen sich einen Ort, an dem sie als Individuen erkannt und respektiert werden, der Austausch auf Augenhöhe ermöglicht und ihre Werte widerspiegelt. Arbeit wird zunehmend als identitätsstiftender Bestandteil des Lebens verstanden. Architektur sollte daher Räume schaffen, die diese Werte vermitteln und Mitarbeitende emotional anbinden. Tatsächlich geht es dabei neben alternativen Arbeitsmodellen und Selbstverwirklichung vor allem um eine grundsätzliche Neudefinition von Arbeit in einer vernetzten und dynamischen Welt. Dies bestätigen die Forschungsergebnisse des Zukunftsinstituts im Bereich des Megatrends Future of Work. „Arbeit ist nicht mehr nur Mittel zum Zweck, sondern ein zentraler Bestandteil menschlicher Identität.“
Moderne Designkonzepte definieren Arbeitswelten als „dritte Orte“. Ende der 1980er-Jahre prägte der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg diesen Begriff. Er beschreibt damit einen Ort, der – neben dem Zuhause als erstem und dem klassischen Arbeitsplatz als zweitem Ort – als elementarer Sozialraum fungiert. Da die Grenzen zwischen Arbeiten und Freizeit zunehmend verschwimmen, „konkurriert“ das Büro als „dritter Ort“ mit klassischen Treffpunkten wie Cafés, Lounges und Fitnessklubs. Designkonzepte für moderne Arbeitswelten übernehmen daher bewusst Elemente aus öffentlichen sozialen Treffpunkten, um sich als attraktive dritte Orte zu positionieren. Statt nur funktionale Arbeitsplätze zu bieten, schaffen sie Gelegenheiten für spontane Interaktion, kreativen Austausch und ein Gefühl der Zugehörigkeit in Selfservice-Küchen, Fitnessbereichen und Rückzugszonen für Ruhe und Erholung. Im Vergleich zu Cafés, Lounges und Coworking-Spaces bieten sie im Idealfall Exklusivität und eine stärkere Identifikation mit der Unternehmensgemeinschaft.

Flexible Arbeitsplätze ermöglichen es den Mitarbeitenden, den Raum nach ihren Bedürfnissen zu wählen – sei es für konzentriertes Arbeiten oder kollaborativen Austausch. Abbildung: Dittel Architekten
In entspannter Atmosphäre und guter Energie wird der Austausch zum Teil der Arbeit. Frei-Räume bieten den notwendigen Spielraum, um abseits von vorgefertigten Strukturen und starren Hierarchien innovative Ideen zu entwickeln. In diesen Räumen können unkonventionelle Denkansätze gefördert und vielfältige Perspektiven zusammengeführt werden – was gerade in einer komplexen, sich ständig verändernden Welt von unschätzbarem Wert ist. Hier entsteht eine Umgebung, in der Fehler als Lernchancen verstanden werden und kreative Lösungsansätze in einem offenen, experimentellen Kontext erprobt werden können.
Gleichzeitig fördern solche Frei-Räume den interdisziplinären Austausch und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen von Unternehmen. Durch die Kombination von unterschiedlichen Erfahrungen und Fachwissen werden tiefgreifende Einsichten gewonnen, die zur Entwicklung nachhaltiger und zukunftsweisender Lösungen beitragen. Letztlich ermöglichen diese flexiblen, inspirierenden Umgebungen nicht nur kurzfristige Problemlösungen, sondern auch den langfristigen Aufbau einer innovationsfreundlichen Kultur, die den Herausforderungen unserer Zeit wirkungsvoll begegnet. Büros, die Arbeits- und Lebensraum zugleich sind, werden zum Schlüssel für Motivation und langfristige Bindung junger Talente.
Effektiv anpassen an Herausforderungen
Flexibel sein bedeutet, sich den Herausforderungen in einer sich rasant verändernden Welt effektiv anpassen zu können – sowohl im Privatleben als auch in der Arbeitswelt. Das ist elementar wichtig, um Veränderungen aktiv mitgestalten zu können. Architekturschaffende stehen daher in der Verantwortung, Konzepte zu entwickeln, die sowohl die unterschiedlichen Arbeitssituationen gestalterisch abbilden und ihre Ziele fördern als auch eine sinnvolle Führung der Mitarbeitenden an unterschiedlichen Orten ermöglichen. Der Fokus liegt auf einer flexiblen Gestaltung, die sowohl den Anforderungen der Arbeit als auch den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht wird – ohne an Charakter zu verlieren. In der Arbeitswelt von morgen geht es darum, den Menschen die Freiheit zu geben, ihre Umgebung selbst zu gestalten. Mitarbeitende können dadurch aktiv entscheiden: Brauche ich einen Ort für konzentriertes Arbeiten, einen technisch optimal ausgestatteten Bereich für eine fokussierte Online-Besprechung oder einen inspirierenden Raum für Kommunikation und Austausch?
Büros, die Arbeits- und Lebensraum zugleich sind, werden zum Schlüssel für Motivation und langfristige Bindung junger Talente.“
Frank Dittel,
Dittel Architekten.
Berücksichtigt die Gestaltung eines Raums neben den funktionalen Anforderungen auch die psychologischen Bedürfnisse der Mitarbeitenden, entsteht emotionale Resonanz. Sie zeigt sich besonders dann, wenn Architektur, Design und Nutzung eine harmonische Einheit bilden – eine Atmosphäre schaffen, die intuitiv „stimmt“.
Grundsätzlich entsteht eine hohe Resonanz, wenn Mitarbeitende
- individuelle Anpassungsmöglichkeiten erhalten (zum Beispiel flexible Möblierung, personalisierbare Bereiche),
- authentische Bezüge vorfinden (lokale Materialien, Darstellungsmöglichkeiten der Unternehmensgemeinschaft) und
- Autonomie in der Raumnutzung erleben (Selbstbestimmung über Arbeitsmodi).
Räume mit emotionaler Tiefe wirken wie ein „unsichtbares Teammitglied“. Sie unterstützen Arbeitsprozesse, stiften Gemeinschaft und helfen Menschen, ihre beste Leistung zu entfalten und einzubringen.
Nachhaltigkeit als Leitprinzip
Organisationen, die Nachhaltigkeit aktiv leben und fördern, schaffen nicht nur eine positive Arbeitsumgebung, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung. Dabei geht Nachhaltigkeit als Leitprinzip in der Arbeitswelt über den reinen Einsatz ressourcenschonender Materialien hinaus. Unternehmen setzen zunehmend auf Konzepte, die den ökologischen Fußabdruck minimieren und zugleich langfristige Effizienz und Kosteneinsparungen ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise eine energieeffiziente Beleuchtung als Ergänzung zu einer optimalen Versorgung mit Tageslicht, der Einsatz erneuerbarer Energien sowie innovative Abfall- und Recyclingstrategien, die den gesamten Lebenszyklus eines Arbeitsplatzes berücksichtigen.
Diese nachhaltigen Ansätze schaffen nicht nur umweltfreundliche Arbeitsräume, sondern prägen auch eine grüne Unternehmenskultur, die vor allem bei jungen Talenten auf starke Resonanz stößt. Indem nachhaltige Praktiken in den Arbeitsalltag integriert werden, entsteht ein Bewusstsein für Umweltverantwortung, das Mitarbeitende motiviert und zugleich das Image des Unternehmens als verantwortungsvoller Akteur stärkt. Letztlich tragen solche Konzepte dazu bei, dass Arbeitswelten zukunftsfähig und resilient gegenüber globalen Herausforderungen bleiben.

Die CI-Farben spiegeln die Identität des Unternehmens wider, während Sitzinseln und Pflanzen Komfort und Wohlfühlatmosphäre schaffen. Abbildung: Dittel Architekten
Wenn Mensch und Technik interagieren
Die Einführung neuer Technologien markiert zunächst den Auftakt zu weitreichenden Veränderungen. Entscheidend ist, diese Technologien so zu integrieren, dass sie den menschlichen Bedürfnissen und den Anforderungen einer dynamischen Arbeitswelt gerecht werden. Unternehmen benötigen hybride Arbeitsmodelle, die Flexibilität und Individualität fördern, ohne dabei die Effizienz oder den Teamzusammenhalt zu beeinträchtigen. Können Innovationen flexibel integriert und dabei die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Blick behalten werden, entsteht eine Arbeitskultur, die Offenheit für Veränderung und soziale Verantwortung vereint. Diese Philosophie spiegelt sich auch in der Gestaltung der Arbeitsräume wider, die technische Unterstützung mit adaptiven, menschengerechten Elementen kombinieren, um verschiedene Arbeitsweisen optimal zu fördern. Dabei wird Technologie als fester Bestandteil des sozialen und beruflichen Lebens verstanden – sie soll nicht nur akzeptiert, sondern aktiv gestaltet werden.
Um mit dem rasanten Wandel Schritt zu halten, sind Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und lebenslanges Lernen essenziell. Arbeitsorte müssen daher hybride Modelle, digitale Tools und inspirierende, interaktive Umgebungen bieten, die Effizienz, Kreativität und soziale Interaktion miteinander verbinden und so den Anforderungen einer zukunftsfähigen Arbeitswelt gerecht werden.
Fazit
Ein Büro ist heute ein Ort der Identifikation, der Inspiration und der Gemeinschaft. Ein Umfeld, das Entwicklung, Kreativität und Zusammenarbeit fördert, wird zum entscheidenden Faktor, um Mitarbeitende langfristig zu binden und neue Talente zu gewinnen. Die Zukunft der Arbeit erfordert eine enge Verzahnung von Architektur, Technologie und den Werten neuer Generationen. Kreativität, Problemlösung und soziale Intelligenz werden an Bedeutung gewinnen, während klassische Hierarchien an Einfluss verlieren. Die Generation Alpha wird ein zentraler Treiber für diesen Wandel sein: Sie fordert Sinnhaftigkeit, Flexibilität und innovative Ansätze in der Gestaltung von Arbeitsumgebungen, die mehr und mehr zu Lebensräumen werden. Architekten und Innenarchitekten können durch adaptive Konzepte nicht nur attraktive Räume schaffen, sondern auch die Arbeitgebermarke stärken – ein entscheidender Vorteil im Wettbewerb um Talente in einer dynamischen Welt.
![]() BUCHTIPP: OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern. Band 2Im zweiten Sammelband „OFFICE+OBJEKT“ werden weitere 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Es handelt sich um besonders gelungene Planungs- und Einrichtungsbeispiele, „Lieblingsprojekte“ namhafter Architekten, Planer und Hersteller. Auch dieser im Berliner PRIMA VIER Nehring Verlag erschienene Sammelband hat 208 hochwertig produzierte Seiten. Nach den Autorenbeiträgen renommierter Architekten folgen die bilderreich dargestellten Referenzbeiträge: Top-Projekte, die den Architekten, Planern und Herstellern besonders am Herzen liegen und die Redaktion beeindruckt haben. Zusammen mit Band eins liegen nun 88 Leuchtturm-Projekte vor, bilderreich dokumentiert auf 416 Seiten – zwei Werke voll mit Impulsen und Inspirationen für neue Räume in Büroumgebungen. „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“, Band 2, Robert Nehring (Hg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2025, 208 Seiten, DIN A4, 79,90 € (Hardcover), 64,90 € (E-Book). Erhältlich unter office-roxx.de/shop. |