Großraumbüros sind für eine bessere Zusammenarbeit gemacht. Das galt lange als unumstritten. Eine Übersichtsstudie der Hochschule München kam nun zu einem anderen Ergebnis. Wir sprachen mit Prof. Dr. Marcel Hülsbeck, Initiator der Studie, über die neuen Erkenntnisse und über ideale Büroumgebungen.
OFFICE ROXX: Prof. Dr. Hülsbeck, was zählt für Sie zu den wichtigsten Erkenntnissen Ihrer Studie?
Marcel Hülsbeck: In unserer Übersichtsarbeit „Die Produktivitätssteuer der neuen Bürokonzepte“ haben wir uns intensiv mit verschiedenen Bürokonzepten auseinandergesetzt. Einer der wichtigsten Punkte ist, dass Open-Plan-Büros, also Großraumbüros, zwar anfangs Geld einsparen können, aber auf lange Sicht die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden beeinträchtigen. Wir nennen das eine „Produktivitätssteuer“. Das heißt, die anfänglichen Einsparungen werden durch die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsleistung wieder zunichtegemacht. Dagegen können Activity-Based-Working-Umgebungen die Zusammenarbeit und Kommunikation fördern. Allerdings ist hier entscheidend, wie gut das Management diese Arbeitsweise unterstützt und umsetzt. Am besten abgeschnitten in unserer Studie haben jedoch Einzelbüros. Sie bieten Rückzugsmöglichkeiten und die nötige Ruhe, um konzentriert und effizient zu arbeiten.
Welche konkreten Faktoren verursachen im Großraumbüro Produktivitätsverluste?
Einer der Hauptfaktoren ist die Geräuschkulisse. Die ständigen Hintergrundgeräusche wie Gespräche und Telefonate können die Konzentration erheblich stören. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Mangel an Privatsphäre. In Großraumbüros fühlen sich viele Mitarbeitende beobachtet, was den Stress erhöhen kann. Auch visuelle Ablenkungen spielen eine Rolle. Das ständige Kommen und Gehen von Kollegen kann sehr ablenkend sein. Ein oft unterschätzter Faktor ist die Temperaturregelung. In einem Großraumbüro eine für alle angenehme Temperatur zu finden, ist eine Herausforderung. Zu warme oder zu kalte Temperaturen können Unbehagen verursachen. Hinzu kommt, dass in Großraumbüros das Risiko der Krankheitsübertragung höher ist, was zu vermehrten Fehlzeiten führen kann.
Wie sieht eine ideale Büroumgebung für Sie aus?
Eine ideale Büroumgebung ist eine, die Flexibilität und Vielfalt bietet. Sie sollte verschiedene Arbeitsbereiche für unterschiedliche Aufgaben und Bedürfnisse umfassen. Für konzentriertes, ungestörtes Arbeiten sind ruhige Bereiche oder Einzelbüros wichtig. Für Teamarbeit und kreativen Austausch sollten offene, gemeinschaftliche Bereiche vorhanden sein. Ergonomische Möbel und eine gute Beleuchtung sind entscheidend für den physischen Komfort. Ebenfalls wichtig: eine angenehme Raumtemperatur und ausreichende Belüftung. Zudem sollten Pausenräume und Bereiche für informellen Austausch zur Verfügung stehen, um das Wohlbefinden und die soziale Interaktion zu fördern.
In der Studie ist die Rede von einem optimalen Mix aus ruhigen Bereichen und Raum für Zusammenarbeit. Wie lässt sich dieser erreichen?
Um diesen optimalen Mix zu erreichen, ist eine durchdachte Bürogestaltung erforderlich. Für konzentriertes Arbeiten sollten spezielle Zonen geschaffen werden, die akustisch und räumlich von belebteren Bereichen getrennt sind. Schallabsorbierende Materialien, Trennwände oder schalldichte Kabinen können dabei helfen, Störungen zu minimieren. In den offenen, flexiblen Bereichen sind beispielsweise variable Sitzgelegenheiten für Meetings und kreativen Austausch wichtig. Aber auch eine klare Kennzeichnung und Regelung der Nutzung dieser Bereiche unterstützt das reibungslose Zusammenspiel.
Haben Sie konkrete Tipps für Unternehmen, die ihr Bürokonzept überarbeiten wollen?
Unternehmen, die ihr Bürokonzept überarbeiten wollen, empfehle ich einen pragmatischen und schrittweisen Ansatz. Zunächst gilt es, die bestehende Bürosituation zu analysieren. Man muss verstehen, was gut funktioniert und was verbessert werden kann. Im zweiten Schritt sollten die Mitarbeitenden per Umfrage oder Workshop zu ihren Bedürfnissen und Wünschen befragt werden. Auf Basis dieser Informationen wird ein detailliertes Konzept entwickelt, das verschiedene Arbeitsbereiche wie Ruhe- und Gemeinschaftszonen umfasst. Wichtig dabei: Mitarbeitende während des gesamten Planungsprozesses einbeziehen, um deren Akzeptanz und Zufriedenheit zu sichern. Nach der Fertigstellung des Konzepts gilt es, regelmäßiges Feedback einzusammeln und darauf aufbauende Anpassungen vorzunehmen. So entsteht ein dynamischer Prozess, der das Bürokonzept kontinuierlich verbessert und an neue Bedürfnisse angepasst.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Christian Marx.