Im zweiten Sammelband „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“ werden weitere 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Eingangs thematisieren renommierte Architekten die neuen Herausforderungen der modernen Büroarbeitswelt. Mike Herud und Oliver Kettenhofen von Scope sind mit diesem Beitrag dabei.

Mike Herud und Oliver Kettenhofen, Architekten & Gründungspartner, Scope. Abbildung: Philip Kottlorz
Die letzten Jahre haben die Art und Weise, wie wir über Arbeit denken, radikal verändert. Flexible Arbeitsmodelle, digitale Tools und veränderte Erwartungen haben bestehende Strukturen herausgefordert. Doch diese Entwicklung ist mehr als nur ein Trend – sie steht für einen grundlegenden Wandel in unserer Lebens- und Arbeitsweise. Die Diskussion um den Sinn und Zweck physischer Arbeitsorte ist aktueller denn je: Wo wollen wir arbeiten? Warum sollten wir noch ins Büro kommen? Welche Rolle spielen reale Orte in einer digitalisierten Welt, die uns vermeintlich alle miteinander verbindet, aber uns dennoch auch oft auseinanderdriften lässt?
In dieser neuen Realität ist Arbeit mehr als nur Funktion – sie ist Beziehung, Haltung, Kultur. Und genau diese menschliche Komponente braucht der Raum: offen, wandelbar, einladend. Räume, die mehr als nur Funktion erfüllen – die Begegnung ermöglichen, Zugehörigkeit schaffen und Innovation anregen. Für uns als Architekturbüro steht fest: Der Arbeitsort von morgen ist kein statischer Ort mehr. Er ist dynamisch, hybrid, sozial aufgeladen. Er muss mehr können als funktional zu sein. Er muss verbinden, motivieren und Sinn stiften. Denn in einer Arbeitswelt, die sich in Geschwindigkeit und Tiefe so gravierend verändert wie seit der industriellen Revolution nicht mehr, braucht es neue Konzepte, die den Menschen ins Zentrum stellen, ohne den Blick auf die Organisation und Gesellschaft zu verlieren.
The social Office
Das Büro der Zukunft wird nicht mehr primär über individuelle Arbeitsplätze definiert, sondern durch seine Rolle als sozialer Ankerpunkt. Es wird ein Ort, der die Menschen eines Unternehmens miteinander verbindet, ihnen ein starkes Netzwerk bietet und die Grundlage für Zusammenarbeit, Innovation und Gemeinschaft schafft. Während klassische Büroarbeitsräume in der Vergangenheit oft rein funktionalen Anforderungen genügten, rückt heute eine andere Perspektive in den Fokus: das Büro als Ort der Begegnung, der Zusammenarbeit und der Community.

Im Zentrum des SAP Labs Munich Campus in Garching: das lichtdurchflutete Atrium als öffentlich zugänglicher Raum für Begegnung und Innovation. Abbildung: Zooey Braun
Zahlreiche Untersuchungen zeigen: Menschen, die in ein stabiles und unterstützendes Netzwerk eingebunden sind, sind produktiver, kreativer und resilienter. Solche Netzwerke fördern nicht nur den Wissensaustausch, sondern auch emotionale Unterstützung und Innovationskraft. Besonders in hybriden Arbeitswelten, in denen viele Aufgaben digital oder remote erledigt werden können, wird das physische Büro zum Ort für echte Verbindung – für Kultur, Werte und Identifikation. Es wird zu einem Raum, in dem Gemeinschaft sichtbar und erlebbar wird. Community-Spaces wie Lounges, flexible Meeting-Zonen und offene Bereiche fördern spontane Interaktionen und stärken die Unternehmenskultur. Zentral gelegene, gut erreichbare Räume symbolisieren Offenheit und Zugehörigkeit, machen das Büro zum Herzstück moderner Arbeitsumgebungen und tragen zur Resilienz von Mitarbeitenden und Organisationen bei. Das Büro wird damit mehr als ein Ort der Arbeit – es wird zur Bühne gelebter Unternehmenskultur.
Wie das gelingen kann, zeigt der SAP Labs Munich Campus in Garching bei München. Als „Campus im Kleinen“ konzipiert, vereint der neue Innovationsstandort Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in einem offenen Ökosystem. Rund 600 Mitarbeitende von SAP und 120 Forschende der Technischen Universität München arbeiten hier gemeinsam an Schlüsselthemen wie künstlicher Intelligenz und neuer Mobilität. Herzstück des Gebäudes ist das lichtdurchflutete Atrium – ein Ort der Begegnung, der zusammen mit öffentlich zugänglichen Bereichen wie der Vitalbar, dem Auditorium und der SAP-Experience-Fläche Raum für interdisziplinären Austausch und neue Impulse bietet. Die Architektur wird hier zum lebendigen Vermittler zwischen Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft – und zeigt, wie vielfältig der Beitrag gebauter Räume zur Innovationskultur sein kann.
Wenn Räume Haltung zeigen
Der Anteil an Flächen für Begegnung, Austausch und gemeinschaftliches Erleben nimmt bei der Gestaltung von Büroflächen weiter zu. Diese Räume fördern Interaktion und Zufallskontakte, die im klassischen Büroalltag kaum stattfinden. Sie sind entscheidend dafür, dass sich Unternehmenskultur entfalten und Innovation entstehen kann. Architektur übernimmt hierbei eine wesentliche Rolle für Identität und soziale Dynamik.
Das Wacker House im Münchner Werksviertel übersetzt diese Haltung in ein räumliches Konzept. Mit seinem neuen Headquarter setzt das Unternehmen einen bedeutenden Schritt in Richtung einer zukunftsorientierten Arbeitswelt. Der Leitgedanke „Connect – Collaborate – Create“ wurde architektonisch umgesetzt: Flexibel nutzbare Arbeitsumgebungen, Work-Lounges, ein Work-Café und ein öffentlich einsehbarer Showroom ermöglichen Austausch und kreatives Arbeiten. Gleichzeitig wird durch gezielte Gestaltung und Materialwahl die Unternehmenskultur emotional erlebbar gemacht.
Das physische Büro wird zum Ort für echte Verbindung – für Kultur, Werte und Identifikation. Es wird zu einem Raum, in dem Gemeinschaft sichtbar und erlebbar wird.“
Mike Herud und Oliver Kettenhofen,
Scope.
Crossfunktionale Nutzungskonzepte werden zum Schlüssel für lebendige und resiliente Bürogebäude. Statt Gebäude für eine einzige Funktion zu planen, werden heute vielfältige Angebote kombiniert: Coworking-Spaces, öffentliche Cafés, Restaurants, Fitnessbereiche oder Bildungsräume. Diese Vielfalt macht Büros attraktiver – nicht nur für Mitarbeitende, sondern auch für die Gesellschaft. Sie öffnen sich nach außen, werden zu Begegnungsräumen und stärken die Verbindung von Arbeit und Alltag.
Dabei wird deutlich: Die Grenzen zwischen Arbeit, Lernen, Freizeit und sozialem Miteinander verschwimmen zunehmend. Räume, die diese Übergänge mitdenken, bieten mehr als nur Infrastruktur – sie ermöglichen neue Denk- und Arbeitsweisen. Crossfunktionale Architekturkonzepte leisten hier einen wichtigen Beitrag. Indem sie verschiedene Nutzungsformen wie Arbeiten, Erholen, Lernen und Begegnen kombinieren, entstehen hybride Raumgefüge mit hoher Resilienz. Diese Vielfalt fördert nicht nur die Lebensqualität, sondern macht Gebäude auch langfristig anpassungsfähig gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen.
Auch gastronomische Zonen übernehmen in diesem Kontext neue Aufgaben. Die klassische Kantine wird zu einem Social Hub für interdisziplinären Austausch, Identifikation und Erholung. Hochwertiges Design, flexible Möblierung und digitale Infrastruktur ermöglichen hier nicht nur Pausen, sondern auch Meetings, spontane Begegnungen oder kreative Formate. Solche Räume stärken die Bindung, fördern Gemeinschaft und steigern Produktivität, wodurch sie strategisch wertvoll für Unternehmen werden.
Die Zukunft der Arbeit liegt also in einem dynamischen Ökosystem, das Flexibilität, Vielfalt und Bewegung ermöglicht. Mitarbeitende brauchen nicht mehr den einen festen Arbeitsplatz, sondern unterschiedliche Raumangebote für wechselnde Anforderungen. Dies fördert Autonomie, Kreativität und soziale Verbundenheit. Agile Arbeitsweisen und eine Unternehmenskultur, die Innovation ermöglicht, werden gestärkt.

Connect – Collaborate – Create: Mit dem Wacker House ist ein flexibles Arbeitsumfeld entstanden, das Tradition und Innovation vereint. Abbildung: Zooey Braun
Besonders Innovationsprozesse profitieren von solchen Strukturen. Kreative Ideen entstehen oft an Schnittstellen – durch Austausch, Zufall und Perspektivwechsel. Räume, die informelle Kommunikation und interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern, sind entscheidend für die Innovationsfähigkeit. Deshalb gewinnen Innovationszentren, Labs und kreative Denkzonen an Bedeutung. Sie schaffen die räumliche Voraussetzung für Fortschritt, indem sie gezielt Austausch, praxisorientierte Forschung und Co-Creation ermöglichen – und damit das Innovationspotenzial einer Organisation heben. Zugleich entstehen durch die räumliche Nähe von Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen wertvolle Synergien, die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit langfristig stärken.
Bestand weiterdenken
Nicht zuletzt kommt auch dem Bestand eine besondere Rolle zu. Die Sanierung und Transformation vorhandener Bürogebäude wird immer wichtiger – ökologisch, ökonomisch und kulturell. Bestandsbauten bieten nicht nur wertvolle Substanz und zentrale Lagen, sondern sind Teil des kulturellen Gedächtnisses eines Unternehmens. Sie erzählen Geschichten, stiften Identität und schaffen Kontinuität. Umso bedeutender ist es, diese Potenziale zukunftsfähig zu nutzen.
Wie flexibel und zukunftsgerichtet Bestandsflächen heute genutzt werden können, zeigt der New-Work-Space auf dem Bosch-Forschungscampus in Renningen. Dort haben wir eine ehemalige Laborfläche in ein modernes Open-Space-Büro verwandelt, das kreatives Arbeiten, Austausch und Rückzug gleichermaßen ermöglicht. Statt klassischer Einzelbüros prägen heute zonierte Bereiche das Bild: Von konzentriertem Arbeiten (Concentrate) über Orte der Kommunikation (Communicate) bis hin zu Flächen für Regeneration (Recover) bietet der Raum vielfältige Möglichkeiten für ein agiles und selbstbestimmtes Arbeiten. Auch der ursprüngliche Laborcharakter der Fläche bleibt erlebbar – ein bewusst gesetztes Gestaltungselement, das Authentizität und Kontinuität erzeugt. So wird aus dem Bestand ein Arbeitsumfeld, das den Wandel der Arbeitswelt aufgreift – flexibel, gemeinschaftlich und inspirierend. Mehr denn je zeigt sich: Bestandsgebäude sind nicht nur gebaute Vergangenheit, sie sind Träger von Identität, Ressourcen und Zukunftspotenzial. Ihre nachhaltige Transformation verbindet ökologisches Verantwortungsbewusstsein mit kultureller Kontinuität und macht Architektur zum aktiven Beitrag für eine lebenswerte Zukunft.
Architektur: Impulsgeber der Arbeitswelt
Die Anforderungen an Arbeitsorte haben sich nachhaltig verändert. Heute sind es vor allem die Orte der Begegnung, der Kommunikation und der Kultur, die für Unternehmen an Bedeutung gewinnen. Architektur kann diese Prozesse nicht nur unterstützen, sie kann sie auch sichtbar und erlebbar machen.
Unsere Projekte zeigen: Wenn Räume menschlich gedacht und gestaltet sind, werden sie zu Impulsgebern. Sie stiften Identität, fördern Gemeinschaft und bieten den Rahmen für Innovation. Sie sind nicht für den Moment gebaut, sondern für eine Zukunft, in der Arbeit immer auch Leben bedeutet – und Architektur die Bühne für beides.
![]() BUCHTIPP: OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern. Band 2Im zweiten Sammelband „OFFICE+OBJEKT“ werden weitere 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Es handelt sich um besonders gelungene Planungs- und Einrichtungsbeispiele, „Lieblingsprojekte“ namhafter Architekten, Planer und Hersteller. Auch dieser im Berliner PRIMA VIER Nehring Verlag erschienene Sammelband hat 208 hochwertig produzierte Seiten. Nach den Autorenbeiträgen renommierter Architekten folgen die bilderreich dargestellten Referenzbeiträge: Top-Projekte, die den Architekten, Planern und Herstellern besonders am Herzen liegen und die Redaktion beeindruckt haben. Zusammen mit Band eins liegen nun 88 Leuchtturm-Projekte vor, bilderreich dokumentiert auf 416 Seiten – zwei Werke voll mit Impulsen und Inspirationen für neue Räume in Büroumgebungen. „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“, Band 2, Robert Nehring (Hg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2025, 208 Seiten, DIN A4, 79,90 € (Hardcover), 64,90 € (E-Book). Erhältlich unter office-roxx.de/shop. |