In dem Sammelband „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“ werden 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Eingangs thematisieren renommierte Architekten die neuen Herausforderungen der modernen Büroarbeitswelt. Wilfried Lembert ist mit diesem Beitrag dabei.
Dieses Buch präsentiert Ihnen eine Auswahl an Bürokonzepten, die für die Wissensarbeit von heute als besonders gelungen erscheinen. Auch wir von mintdesign gestalten Orte der Arbeit und freuen uns, in diesem Umfeld einen Beitrag teilen zu dürfen. Unser Tun ist die Begleitung eines Prozesses, an dem am Ende ein Ort oder eine Hülle für bessere Arbeit als Ergebnis stehen sollte.
Zukunft braucht Herkunft
Unsere Reise beginnt damit, wie Arbeit bisher definiert wurde. Neben der physikalischen Definition dominierte die betriebswirtschaftliche Betrachtung der Arbeit als eine Tätigkeit, für die Menschen bezahlt werden, also eine Beschäftigung, bei der Zeit und Fähigkeiten im Austausch für Geld oder andere Entschädigungen eingesetzt werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder einen Wert zu produzieren.
Der Begriff „New Work“ hat seine Wurzeln in den 1970er-Jahren, als sich der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann mit der wachsenden Unzufriedenheit mit diesem traditionellen Arbeitsmodell beschäftigte. Im philosophischen Zusammenhang ist Arbeit eine wesentliche Komponente menschlichen Lebens und der menschlichen Gesellschaft. Sie ist oft eng mit Konzepten der Produktivität, der Selbstverwirklichung und der gesellschaftlichen Integration verknüpft, wobei Arbeit, die Sinn stiftet und als erfüllend empfunden wird, ein zunehmend wichtiger Aspekt unseres Verständnisses von New Work geworden ist. Menschen streben danach, einen Beitrag zu leisten und einen positiven Einfluss mit ihrer Arbeit zu erzielen. Unternehmen, die eine klare Vision und Mission haben, welche über reine Profitmaximierung hinausgehen, können ihre Mitarbeitenden stärker motivieren und binden.
Ein zentrales Element unserer heutigen Arbeit ist die Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und -ort. Mit der zunehmenden Digitalisierung und der Verbreitung von Technologien wie Cloud-Computing ist es für viele Menschen möglich geworden, ihre Arbeit unabhängig von einem festen Bürostandort zu verrichten. Homeoffice und mobiles Arbeiten sind zu beliebten Optionen geworden, die es Arbeitnehmern erlauben, ihre Arbeit und ihr Privatleben besser in Einklang zu bringen.
Unsere Büroräume werden nur temporär genutzt, bleiben aber zur Förderung eines sozialen Miteinanders und zur Schaffung einer Unternehmensidentität nach wie vor sehr wichtig.“
Wilfried Lembert,
minimum einrichten und mintdesign.
Unsere Schlussfolgerung: Wir stellen unsere individuellen Fähigkeiten in Zeiteinheiten im Tausch gegen Geld für die Erreichung von Unternehmenszielen zur Verfügung und möchten dabei ein Gefühl von Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Teilhabe verspüren. Die Balance zwischen privater Zeit und Arbeitszeit ist uns wichtig. Wir möchten unsere Zeiteinheiten nicht durch Unproduktivität wie zum Beispiel bei unnötigen und vor allem unbezahlten Fahrwegzeiten verschwenden.
Als Briefing für unsere „Büroräume“ bedeutet dies: Sie werden im Rahmen der Individualität und Selbstverwirklichung nur temporär genutzt und sind gleichzeitig zur Förderung eines sozialen Miteinanders und zur Schaffung einer Unternehmensidentität nach wie vor sehr wichtig.
Die Bedeutung von Werkzeugen
Unser Gehirn versucht permanent, unsere Arbeitsabläufe in Routinen zu bringen, um die notwendige Gehirnleistung und die körperliche Anstrengung zu minimieren. Deshalb sind Werkzeuge schon immer ein Ausdruck der Arbeit und Symbol unserer gesellschaftlichen Entwicklung. An Werkzeugen lassen sich Tätigkeitsfelder ablesen. Sie machen unsere Arbeit leichter, schneller und effizienter. Die Geschichte der Arbeit ist eine Art Kulturgeschichte unserer Werkzeuge.
Mit KI haben wir ein neues mächtiges Werkzeug für die Zukunft unserer Arbeit bekommen. Mit dem Internet haben wir eine Plattform unseres bisherigen Wissens geschaffen, um uns zu informieren, zu recherchieren, zu diskutieren, uns darzustellen, alles Erdenkliche einzukaufen und unsere Urlaube zu buchen. Das Internet wurde eine Art Einkaufsmall mit Enzyklopädie, kulturellen Angeboten und am Eingang einem Helpdesk für die werbeunterstützte Hilfe bei der Suche. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, das Internet ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Die exponentielle Weiterentwicklung der Rechenleistung von Computerchips macht es möglich, dass nun das Internet selbst zum ultimativen Werkzeug wird. Es mutiert zur von uns allen geschaffenen künstlichen Intelligenz. Diese Entwicklung bedeutet einen unglaublichen gesellschaftlichen Umbruch. Wir erleben einen Bedeutungsverlust des Einzelwissens. Der Intelligenzquotient (IQ) des Einzelnen geht in einer Art Schwarmintelligenz auf. Der WeQ des Teams, entstanden durch Vernetzung und Austausch, ist der Schlüssel für das, was wir in Zukunft unter New Work verstehen sollten. Keine neuen Räume für alte Arbeitsmodelle. KI wird Fähigkeiten wie Lernen, Verstehen, Probleme lösen, Sprachverständnis, visuelle Wahrnehmung und die Anpassung an neue Situationen entwickeln, also Aufgaben lösen können, die menschliche Intelligenz erfordern. Zukünftige Betriebssysteme unserer Computer und Mobiltelefone werden KI-Bots sein. Das System von einzelnen voneinander unabhängigen Apps auf unserem Telefon wird zu einem KI-Betriebssystem. Im ersten Schritt werden Sie Ihrem „Butler“ zum Beispiel die Passwörter Ihrer Booking.com-, Lufthansa-, Deutsche-Bahn-, Uber- und Sixt-App geben und er wird diese zu einem Reisetool verschmelzen. Ihr Butler wird Ihre Reisen organisieren, Streiks und Ausfälle mit einplanen und die richtigen Verkehrsmittel und Orte auswählen, Ihre Tickets kaufen und auf Basis der Prioritäten Ihrer früheren Buchungen das richtige Hotelzimmer finden. Sie werden nur noch wissen müssen, wann Sie wo sein wollen.
Wer fragt, der führt
Die KI freut sich auf unsere Fragen. Wir müssen lernen, wie Kinder wieder Fragen zu stellen. Die richtigen Fragen, um Antworten zu bekommen, die uns weiterbringen. Menschliche Kreativität und Fantasie sind notwendig, um aus einer Vorstellung beschreibende Fragen zu entwickeln. Wir alle müssen wieder in die Lehre gehen und den Umgang mit einem neuen Werkzeug lernen. Orte, in denen wir uns aufhalten, sind der Rahmen für diese Entwicklung. Unternehmenssitze müssen zu Meetingzentralen der Kreativität und Fantasie werden. Der Google-Konzern machte es schon vor vielen Jahren mit seinem Youtube-Space in Los Angeles vor. Ein Unternehmenssitz als Serviceplattform, um Youtuber auf ein neues Level zu heben. Man kann dort Schulungen buchen, um das eigene Filmhandwerk kontinuierlich zu verbessern, den Green Room nutzen, neueste Technik ausleihen und sich in der Community weiterentwickeln. Youtube filtert die zukünftigen „Stars“ heraus und entwickelt diese im eigenen Space zum eigenen Unternehmensvorteil weiter. Diesen Servicegedanken müssen wir für unsere Unternehmen übernehmen. Welche Tools werden die Mitarbeitenden unserer Unternehmen in unseren zukünftigen Orten der Arbeit vorfinden müssen, um das Unternehmen weiterzuentwickeln? Wie sieht der „Gabentisch“ für Mitarbeitende aus, welcher sie dazu bewegt, regelmäßig im Unternehmen sein zu wollen, um neue Ideen zu entwickeln und optimierte Prozesse anzustoßen, damit gesetzte Unternehmensziele schneller erreicht werden können? Wir brauchen Orte der Möglichkeiten, so inspirierend, dass man sich dort unbedingt aufhalten möchte. Dieses Dort-sein-Wollen wünschen wir uns als Ergebnis der Zusammenarbeit mit unseren Kunden.
Eine Zusammenarbeit mit uns
Innenarchitektur ist mehr, als einen Ort hübsch zu machen. Unternehmensorganisationen müssen sich schneller wandeln und sich den Veränderungen der Gesellschaft anpassen. Unsere Arbeit beginnt deshalb bereits mit der Grundrissentwicklung während der Erstellung des Bauantrags für neue Gebäude oder parallel zu geplanten strukturellen Veränderungen in Bestandsgebäuden. Wir verstehen uns als Fachplaner im Team mit Architekten und Bauherren. Wir bauen auf den Ergebnissen von vorangegangenen Unternehmensworkshops auf, die die Entwicklung der zukünftigen Organisationsstruktur im Sinne der Zukunft der Arbeit zum Ziel hatten.
Zu der begleitenden Abbildung: Natürlich haben wir uns zu diesem Artikel mit unserem neuen Freund, dem Midjourney-Bot, ausgetauscht und ihn gebeten, uns ein Bild eines kreativen New-Work-Interiors zu generieren. Beim Ergebnis geht es nicht um die genaue Gestaltung, sondern um das Warum des Bildes. Welche Aspekte hat der Bot im World Wide Web entdeckt, die Relevanz für seine Vorstellung von New Work haben könnten? Die Architektur von New-Work-Interiors ist optimalerweise eine offene, rohe Struktur, die Veränderung auch im Umgang mit der Haustechnik erlaubt. Diesen Punkt hat der Midjourney-Bot erfasst. Studien zur freien Platzwahl in Desk-Sharing-Großraumbüros haben gezeigt, dass sich die Mitarbeitenden am liebsten in der Nähe von Pflanzen platzieren. Auch diesen Aspekt hat der Bot aufgegriffen. Für die Arbeit am Schreibtisch sollten zumindest ergonomische Bürodrehstühle vorhanden sein – wurde vom KI-Bot so umgesetzt. Da wir uns zunehmend mit digitalen Medien haptisch auf Plastik-Tastaturen oder Glasscheiben im virtuellen Raum bewegen, wünschen wir uns im Gegensatz dazu Materialien, die uns erden. Menschen möchten das natürliche Material spüren, echtes Holz mit Maserung oder wie in diesem Bild eine Tischplatte mit unbesäumter, natürlicher Kante. Hat hier der Bot im Detail schon weiter gedacht, als wir es tun würden? Schließlich inspiriert uns Kunst im Raum und die Art der Auswahl fördert die Geborgenheit im Dschungel. Auch das ist selbstständig umgesetzt. Bleibt noch die Inspirationsvitrine, die eine Ansammlung von Gegenständen und Literatur beinhaltet, welche ebenfalls helfen, die Gedanken fliegen zu lassen. Man könnte sie auch als den Gabentisch oder den Aufbewahrungsort des Inspirationsfundus interpretieren. Viel Wissen in einem einfachen Bild. Die KI wird nicht unsere Arbeit ersetzen, sondern sie als Werkzeug beschleunigen und uns Zeit für mehr Fantasie geben.
BUCHTIPP: OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, HerstellernIn dem Sammelband „OFFICE+OBJEKT“ werden 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt und ausgezeichnet. Es handelt sich um besonders gelungene Planungs- und Einrichtungsbeispiele, „Lieblingsprojekte“ namhafter Architekten, Planer und Hersteller. Auch dieser im Berliner PRIMA VIER Nehring Verlag erschienene Sammelband stellt mit seinen 208 hochwertig produzierten Seiten ein opulentes Kompendium dar. Nach Grußworten von Prof. Carsten Wiewiorra (BDIA) und Helmut Link (IBA) sowie Autorenbeiträgen renommierter Architekten folgen die bilderreich dargestellten Referenzbeiträge: Top-Projekte, die den Architekten, Planern und Herstellern besonders am Herzen liegen und die Redaktion beeindruckt haben. „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“, Robert Nehring (Hg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2024, 208 Seiten, DIN A4, 79,90 € (Hardcover), 64,90 € (E-Book). Erhältlich unter office-roxx.de/shop. |