Der Architekt und Mitgründer von Loop, Veit Knickenberg, blickt zurück in die „gute alte Bürowelt“ und voraus auf das, was nun in Büro & Co. möglich und notwendig geworden ist.
Kennen Sie das? Sie sprechen mit Freunden oder Kollegen über Ihr Büro, zukünftige Arbeitswelten, New Work, hybrides Arbeiten und Fluch oder Segen des Homeoffice. Ihr Gegenüber schwärmt von der alten Welt. Wie war das eigentlich, ungeschönt und bei der Mehrheit aller Arbeitnehmenden? Machen wir eine kurze Reise zurück in die alte heile Bürowelt.
6:00 Uhr morgens, der Wecker klingelt und man quält sich aus dem Bett. Mit einem kochend heißen Kaffee im Becher und strubbeligen Haaren rannte man zu seinem Auto, geparkt irgendwo in der Nachbarschaft. Bei lauter Radiobeschallung raste man durch die Gassen, um sich auf der erstbesten Hauptstraße einzureihen. Einzureihen in eine Blechlawine, die sich wie eine Muräne aus dem Umland in die Stadt gräbt. Langsam kämpfte man sich von Ampel zu Ampel und versuchte noch einen der letzten freien Parkplätze auf dem firmeneigenen Parkplatz zu ergattern. Angekommen ging man lange Wege hin zu dem imposanten Gebäude, in dem man arbeitete. Vorbei an dem gelangweilten Empfangspersonal stellte man sich in den Fahrstuhl, drückte auf eine der zahlreichen Etagentasten und ging dann noch mal Hunderte Meter durch Labyrinthe aus Stahl, Stein und Beton. Man passierte viele kleine Namensschilder verschlossener Türen, auf denen wichtig klingende Titel standen.
Dann fand man seinen Arbeitsplatz vor, legte seine Tasche ab und ging in eine der kleinen Teeküche, um dort aus einer vollautomatischen Kaffeemaschine zwischen Tee, Kaffee oder heißer Schokolade auszuwählen. Ausgestattet mit Kaffee und Keksen ging man an seinen Arbeitsplatz zurück und hackte in die Tasten. Entweder hinter verschlossener Tür oder in einem „Großraumbüro“. Wenn man Glück hatte, saß der nette Kollege nebenan. Wenn man Pech hatte, war es jemand, der laut schmatzte, zu kräftig in die Tasten haute, viel zu laut und euphorisch telefonierte oder im schlimmsten Fall sogar ein süßlich unangenehmes Rasierwasser trug.
Kämpfte man sich durch die morgendliche Müdigkeit und die ersten 50 E-Mails, hatte man es vielleicht ohne viel Aufmerksamkeit bis in die Mittagspause geschafft. Dann rannte man in die hauseigene Kantine, stellte sich erneut in eine lange Schlange und ließ sich eine Mahlzeit aufs Tablett legen. Nach tiefgründigen Gesprächen und einer vorzüglichen Speise ging man wieder den Weg zurück an seinen Arbeitsplatz. Jetzt galt es, das Mittagskoma zu überwinden und in den nächsten Stunden die sogenannte Arbeitszeit produktiv zu nutzen. Wenn der Chef nicht schon das Büro verlassen hatte, blieb man noch ein Weilchen, um nicht der Erste zu sein, der trotz erfolgreich getaner Arbeit das Büro verlässt. War der richtige Zeitpunkt erreicht, traute man sich und schlich zurück zum Parkplatz, stieg in sein Auto und fuhr erneut in einer Blechlawine nach Hause. Das war dann also ein Arbeitstag in der guten alten Welt, in der noch alles so toll war, wie viele meinen. Damals, als es noch hieß: Wie steigern wir die Flächeneffizienz und bekommen noch mehr Menschen in unseren Büros unter?
Und heute – keine drei Jahre später? Vieles ist passiert. Gezwungen durch äußere Einflüsse haben wir uns eingelassen auf Homeoffice und permanenten digitalen Austausch. Es liegen nun Jahre zurück und wie es das menschliche Gehirn nun mal gerne tut, beginnen wir, die positiven Dinge in Erinnerung zu halten. Dennoch ist eine Diskussion angefacht, die es in sich hat.
Wir sprechen plötzlich von Lagerfeuer, Identität und Unternehmenskultur. Das Office sei tot! Unternehmen wollen überschüssige Flächen abmieten und ihre Menschen im Homeoffice belassen. Hier liegt doch großes Potenzial oder etwa nicht?
So viel sei vorab gesagt: Auch ich strebe den effizienten Umgang mit Flächen an und unterstütze täglich dabei, Raum in seiner Art und Menge mit den Anforderungen der Menschen in Einklang zu bringen. Sinnvoll damit umzugehen ist eine unternehmerische, aber auch kulturelle Verantwortung.
Also sage ich: Nein, das Office ist nicht tot. Und wir müssen auch nicht anfangen, in unseren Teeküchen die Möbel abzufackeln und im Kreis zu sitzen. Wir müssen lediglich zuhören, lernen, welche Bedürfnisse unsere Mitarbeitenden haben. Wir müssen verstehen, welche Herausforderungen man im Alltag bewältigen muss, und sollten anfangen, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die es uns ermöglicht, sich auch außerhalb der Arbeitszeit zu verwirklichen und ein gutes Leben zu führen.
Dafür braucht es auch weiterhin Büros. Orte und Räume, die in Kombination mit unserem Zuhause und guten dritten Orten in und außerhalb der Städte eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten, gut, kreativ und produktiv zu arbeiten. Es ist an der Zeit, unsere Mitarbeitenden nicht mehr wie Schafe in einer Herde auf Sicht zu führen und in die Schranken zu weisen. Es ist an der Zeit, unsere gewonnene Freiheit und Flexibilität zu fördern, zu unterstützen, zu prägen und daraus Kraft und Potenzial zu schöpfen. Dafür müssen sich Büros in Zukunft denselben Fragen stellen, wie es gute Restaurants, Geschäfte oder Cafés und Bars tun. Denn sie stehen in Konkurrenz hinsichtlich Aufenthaltsqualität und Angebot. Die Schlussfolgerung daraus heißt, dass unsere Büros mithalten können müssen mit der Qualität und Attraktivität anderer Orte, dritter Orte. Das bedeutet, dass wir zukünftig mehr auf das Angebot, das Design und das Erlebnis lenken werden, um besondere Umfelder zu kreieren, in denen unsere Mitarbeitenden erfüllter sind. Das wiederum kann nur funktionieren, wenn wir uns gegenseitig Vertrauen schenken, gut führen und den Raum bieten, sich in dem Umfeld frei zu entfalten.
Also müsste das Büro der Zukunft flexibler sein, kreativer, inspirierender. Es wäre vorbei mit maximaler Effizienz und der üblichen Weise, Bürogebäude zu entwickeln. Schluss mit monothematischer Blockbebauung. Hin zu multifunktionalen, kleinteiligeren Umgebungen, die Vielfalt ausstrahlen. Diese Vielfalt und eben diese Varianz, die Menschen das Gefühl gibt, nicht ersetzbar und Teil einer Masse zu sein, gilt es, bis in das Mobiliar, bis in die Details umzusetzen. Kuratiert und entstanden aus der Identität einer Marke, eines Produktes und des Unternehmens entsteht so ein besonderer Raum. Ein wenig wie die eigenen vier Wände, in denen wir wohnen und die ein Spiegelbild des eigenen Charakters sind. Dann können sich die Menschen mit dem Unternehmen identifizieren. Das kann zu positiven, aber auch negativen Überraschungen führen. Es wird aber sicherlich zukünftige Mitarbeitende anziehen und begeistern. Diejenigen, die zu einem Unternehmen passen.
Es entsteht die gebaute Identität. Wir nennen das Placemaking. Das Potenzial und die Besonderheiten eines Ortes zu erkennen und darauf ein stimmiges, sich selbst belebendes Umfeld zu schaffen. Konsequent und durchdacht in jedem Maßstab entsteht so ein nachhaltiges Erlebnis. Ein Ort mit Seele. Kennen Sie einen solchen Ort?
OFFICE-ROXX-BürotrendforumVeit Knickenberg zählt zu den Referenten des OFFICE-ROXX-Bürotrendforums zum Thema Hybrid Working am 3. Februar auf der Ambiente 2023 in Frankfurt/M. Bei Anmeldung ist der Zugang zu Forum und Messe kostenfrei. Mehr Informationen finden Sie hier. |