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Brandschutz bei Polstermöbeln

Schwer ent­flamm­bar klingt gut – daher for­dern Aus­schrei­bun­gen oft die Brand­schutz­klas­se B1 für Pols­ter­mö­bel. Die gibt es aber nicht. Ver­meint­lich schwer ent­flamm­ba­re Ses­sel und Sofas kön­nen sogar brand­ge­fähr­lich wer­den, erfuhr Sebas­ti­an Klöß wäh­rend eines Brand­schutz­se­mi­nars beim Sitz­mö­bel­her­stel­ler SMV.

Ses­sel mit bren­nen­dem Papier­kis­sen in dem, was nach einem Brand von einem Zim­mer übrig­bleibt. Abbil­dung: SMV

Vor dem Ver­such: das genorm­te Papier­kis­sen auf dem Sitz.

Das kann pas­sie­ren, wenn sowohl der Bezug als auch das Pols­ter für sich jeweils schwer ent­flamm­bar (B1) sind. In der Kom­bi­na­ti­on bren­nen sie lichterloh.

Direk­ter Ver­gleich: links die Stan­dard­va­ri­an­te des Sit­zes, rechts die Aus­füh­rung mit schwer ent­flamm­ba­rem Pols­ter und Fire­blo­cker-Schicht zwi­schen Pols­ter und Bezug.

Das Ergeb­nis: Ganz links ist der Sitz mit B1-Bezug und B1-Pols­ter. Der schwar­ze und der grü­ne Sitz jeweils in Stan­dard­aus­füh­rung (rechts) und nach DIN 66084 P-a zertifiziert.

Nach der Defi­ni­ti­on der DIN 4102-1 bedeu­tet die Brand­schutz­klas­se B1 schwer ent­flamm­bar. Damit ein Bau­stoff die­ses Zer­ti­fi­kat erhält, muss er einen exakt vor­ge­schrie­be­nen Test in einem Abbrenn­ofen bestehen: Vier Pro­ben wer­den kamin­för­mig auf­ge­hängt, jede zehn Sekun­den lang mit einem defi­nier­ten Bren­ner unten ange­zün­det. Am Ende muss eine unver­brann­te Rest­län­ge des Mate­ri­als von min­des­tens 15 cm übrig­blei­ben, kei­ne der vier Pro­ben darf kom­plett ver­brannt sein und die Rauch­ga­se dür­fen nicht hei­ßer als 200 °C sein. Besteht ein Mate­ri­al – bei­spiels­wei­se ein Stoff – die­sen Test, gilt es als schwer ent­flamm­bar und ent­hält das ent­spre­chen­de Zertifikat.

Mythos B1 beim Brandschutz

Ist der Brand­schutz bei Pols­ter­mö­beln somit nicht ganz easy? Ein­fach einen Ses­sel aus­schließ­lich aus je für sich B1-zer­ti­fi­zier­ten Mate­ria­li­en zusam­men­bau­en, also B1-zer­ti­fi­zier­ter Bezug über B1-zer­ti­fi­zier­tem Pols­ter? Tat­säch­lich wird das in der Pra­xis oft fälsch­li­cher­wei­se getan. Kei­ne gute Idee, wie ein Expe­ri­ment spä­ter zei­gen soll­te. Eigent­lich wür­de es sogar rei­chen, das B1-Zer­ti­fi­kat genau zu lesen, um zu erken­nen, war­um es für Pols­ter­mö­bel kei­ne Rele­vanz besitzt: Dort steht näm­lich expli­zit: „Der Abstand zu ande­ren flä­chi­gen Mate­ria­li­en muss ≥ 40 mm sein.“ Ein KO-Kri­te­ri­um für Pols­ter­mö­bel, in denen alle Mate­ria­li­en dicht auf dicht lie­gen. „Der Nach­weis B1 ist für Pols­ter­mö­bel nicht zu füh­ren“, brach­te es Hol­ger Bräu­er vom Brand­haus Rhein-Main auf den Punkt.

Brandschutznormen für Polstermöbel

Wäh­rend die DIN 4102-1 auf Bau­stof­fe wie bah­nen­för­mi­ge Mate­ria­li­en, Dämm­stof­fe, Roh­re und Vor­hän­ge aus­ge­legt ist, gibt es spe­zi­el­le Nor­men, um Möbel auf ihr Brand­ver­hal­ten zu tes­ten. Mit der DIN EN 1021 wird unter­sucht, wel­che Aus­wir­kun­gen eine bren­nen­de Ziga­ret­te und eine 35 mm gro­ße Gas­flam­me (die ein Streich­holz simu­liert) auf der Sitz­flä­che des Möbels haben. Anspruchs­vol­ler ist der soge­nann­te Papier­kis­sen­test, der in der Prüf­norm DIN 54341 defi­niert ist. Bei ihm wird auf die Sitz­flä­che ein genorm­tes Papier­kis­sen gelegt. In des­sen Inne­ren befin­den sich fünf norm­ge­recht geknäul­te Papier­knäu­el aus einem vor­ge­schrie­be­nen Papier, um das ein eben­falls vor­ge­schrie­be­ner Papier­bo­gen gelegt und norm­ge­recht zusam­men­geta­ckert wird. Die­ses 100 g schwe­re Papier­kis­sen wird angezündet.

B1 mit B1 brennt

Was dann pas­siert, offen­bar­te bei SMV ein Ver­such im Frei­en. Zunächst mit einem Sitz, der aus einem B1-zer­ti­fi­zier­ten Bezug und einem B1-zer­ti­fi­zier­ten Pols­ter bestand. Also zwei­mal schwer ent­flamm­bar. Doch schwer ent­flamm­bar war die­se Kom­bi­na­ti­on kei­nes­wegs. Schnell fing sie Feu­er, das Pols­ter brann­te durch. Dunk­ler, bei­ßen­der Rauch stieg in gro­ßen Men­gen auf. Ein Raum, in dem sich die­ser bren­nen­de Sitz befän­de, wäre in Null-Kom­ma-Nichts total ver­raucht – und eine töd­li­che Fal­le. Im Expe­ri­ment muss­te mit Was­ser gelöscht werden.

Schwer entflammbare Polster

Von allei­ne und schnell erlosch der Brand hin­ge­gen auf zwei brand­schutz­op­ti­mier­ten Pols­ter­auf­bau­ten. Einer bestand aus schwer­ent­flamm­ba­rem Pols­ter und schwer­ent­flamm­ba­rem Bezug, die auf­ein­an­der abge­stimmt waren. Beim ande­ren befand sich zwi­schen schwer­ent­flamm­ba­rem Pols­ter und nor­ma­lem Bezug eine Fire­blo­cker-Schicht. Die­se Sit­ze über­zeug­ten nicht nur im Frei­luft­ex­pe­ri­ment, son­dern auch im Labor­test nach DIN 54341. Um den zu bestehen und damit die Klas­si­fi­zie­rung nach DIN 66084 P-a zu erhal­ten, muss die Flam­me spä­tes­tens nach 15 Minu­ten selbst ver­lö­schen. Außer­dem darf sie die Rücken­leh­ne nicht mehr als 45 cm über­stei­gen und kei­nen der Sei­ten­rän­der errei­chen. Das soll ver­hin­dern, dass das Feu­er auf benach­bar­te Möbel, Wän­de oder Vor­hän­ge übergreift.

Erschreckende Erkenntnis

B1 + B1 gibt nicht zwangs­läu­fig B1, son­dern mit­un­ter B2 (nor­mal ent­flamm­bar) oder sogar B3 (leicht ent­flamm­bar). Das war die erschre­cken­de Erkennt­nis am Ende des Tages. Eini­ge der anwe­sen­den Fach­händ­ler beschlich dadurch ein mul­mi­ges Gefühl, hat­ten sie doch bis­lang mit gutem Gewis­sen Pols­ter­mö­bel aus ein­zel­nen, nicht gemein­sam brand­schutz­ge­tes­te­ten B1-Mate­ria­li­en als schwer ent­flamm­bar ver­kauft. Ob solch ein Möbel tat­säch­lich schwer ent­flamm­bar ist, zeigt jedoch erst die Prü­fung im Materialverbund.

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