Das Büro durchlebt einen grundlegenden Wandel. Es erhält neue Funktionen und steht vor neuen Herausforderungen. Das Beratungs- und Planungsstudio loop aktiviert Orte und entfesselt deren Potenzial. In dieser Kolumne fragt Dr. Sandra Breuer, ob Büros nicht viel mehr Ruhepol als Rummelplatz sein sollten.
Auf die Frage, wie es ihr gehe, antwortet meine Kollegin begeistert: „Ich hatte einen großartigen Vormittag: Das Büro war leer, nach und nach wurden meine Termine abgesagt, und so konnte ich in aller Ruhe arbeiten. Herrlich!“ Ihre Begeisterung und ihre Zufriedenheit sind direkt spürbar, und ich frage mich, wann ich das letzte Mal dieses Gefühl hatte. Auf einer Zugfahrt durch die Republik lasse ich Laptop und Handy in der Tasche und schreibe den Grobentwurf dieser Kolumne mit der Hand. Der Blick schweift immer wieder und verliert sich in der vorbeiziehenden, Nebel verhangenen Landschaft.
Wir Wissensarbeiter sind „always on“. Die digitale Kollaboration hat massiv zugenommen. Wir kommunizieren auf mehreren Kanälen gleichzeitig über unterschiedliche Themen und checken permanent den Eingang neuer Nachrichten. Unsere Kalender sind von morgens bis abends voll mit Videocalls und Onlinemeetings. Viele sind auch nach Feierabend und im Urlaub für die Arbeit erreichbar. Konzentration oder gar Kontemplation werden durch die Überbetonung von Kollaboration zunehmend unmöglich. Die meisten Menschen haben die Fähigkeit verloren, in die Tiefe zu gehen. Stattdessen verbringen wir Tage in einem hektischen Wirrwarr von E-Mails und sozialen Medien, ohne zu erkennen, dass es einen besseren Weg gibt.
Wer die Wahl hat, hat die Qual, so heißt es. Und tatsächlich ist die zeitliche und räumliche Flexibilität für viele Wissensarbeiter eine große Herausforderung. Sich den Tag selbst strukturieren und den passenden Ort für die Arbeit jedes Mal neu finden zu müssen, das ist für manche kein Geschenk, sondern fast schon eine Zumutung. Dazu kommen die unterschiedlichsten Formen der hybriden Zusammenarbeit. Natürlich können wir im virtuellen Raum vieles mindestens genauso gut wie im physischen. Gleichzeitig können wir aber auch vieles gar nicht.
Insbesondere kreative Aufgaben, die Strukturierung von Problemen, gar das „problem seeking“ wirken auf die meisten Menschen in analoger Form anregender. Workshops machen wir bei loop deshalb wieder überwiegend vor Ort. Mit kindlicher Freude stürzen sich die Teilnehmenden auf Lego Serious Play. Sie erzählen sich von den großen Bauprojekten der Kindheit. Ich glaube, dass Design Thinking deshalb so viele begeistert, weil es so herrlich analog ist. Wir dürfen nach Herzenslust Post-its schreiben und Prototypen bauen. Leuchtende Augen strahlen sich bei solchen Workshops an. Dabei ist es egal, ob es Beamte in der Stadtverwaltung sind oder ein Kreativteam eines Konsumgut-Unternehmens. Überrascht und teilweise fast schon verschämt bemerken sie, dass sie seit Stunden nicht mehr aufs Handy geschaut und nichts vermisst haben. Vielleicht ist es gerade das Haptische, das Unfertige, das uns begeistert, das vielleicht sogar eine Art therapeutische Wirkung auf uns hat.
Wie können Büros zu einem solchen Kraftort und Ruhepol für uns werden? Wir sollten mehr über analoge Räume nachdenken, in denen wir ohne Handy, Laptop, digitales Whiteboard, VR-Brille und sonstige digitale Tools arbeiten. Räume, die alle unsere Sinne ansprechen, die also optisch, akustisch, olfaktorisch und haptisch anregen und herausfordern oder auch beruhigen und entspannen. Räume, die uns als Menschen erleben lassen.
Ich beobachte jedoch, dass Büros leider immer mehr zu Rummelplätzen werden, sowohl gestalterisch als auch funktional. Über das Narrativ des Büros als Lagerfeuer der Organisation wird versucht, möglichst attraktive, fast schon spektakuläre Orte zu präsentieren, um die Mitarbeitenden auch ohne RTO ins Büro zu locken. So werden wir permanent abgelenkt. Rückzugsorte gibt es immer weniger, dafür soll man doch bitte zu Hause bleiben. Ist das ein Plädoyer für das Einzelbüro? Ja und nein. Vielleicht eher sowohl als auch. Wir brauchen wahre Stille, akustische, visuelle und prozessuale Ruhepole.
Das Buch „Deep Work“ von Cal Newport, das bereits im Jahr 2016 (!) erschien, sei in diesem Zusammenhang wärmstens empfohlen. Allein als Anregung dazu, dass wir uns mal wieder so richtig langweilen sollten. In aller Ruhe!
Gute Orte sind magisch. Und das Ergebnis harter Arbeit. Gute Büros fallen nicht vom Himmel. Sie zu realisieren braucht Mut, Klarheit und Geduld.