1930 war der Merchandise Mart in Chicago das größte Gebäude der Welt. 2014 zog Motorola Mobility mit seiner Zentrale ein. Wir sprachen mit Todd Heiser vom Architekturbüro Gensler, der die neuen Büros entworfen hat.
OFFICE ROXX: Herr Heiser, was sind die größten Schwierigkeiten und Herausforderungen, wenn man heute Büros entwirft?
Todd Heiser: Ich denke nicht gerne über Schwierigkeiten nach, wenn ich Arbeitsplätze entwerfe – ich sehe Schwierigkeiten als Gelegenheiten für Innovation. Wie gelingt es zum Beispiel, Arbeitsumgebungen zu schaffen, die das Bedürfnis des Nutzers nach Konfigurierbarkeit und Flexibilität und gleichzeitig sein Bedürfnis nach Strom und Konnektivität erfüllen? Wir müssen raffinierte Lösungen entwickeln, um Arbeitsplätze zu elektrifizieren und sie individuell anpassbar zu machen. Uns ist das gelungen, indem wir eine Fülle von Anschlüssen und gleichzeitig die Chance zur Individualisierung bieten.
In der neuen Motorola-Zentrale gibt es keine Zellenbüros, sondern offene Bürostrukturen. Worauf kommt es an, wenn man sie gestaltet?
Letztlich sind offene Bürolandschaften ein feingliedriges Ökosystem aus Bereichen, die fokussierte und kollaborative Arbeit in abgeschlossenen, halb offenen und offenen Umgebungen erlauben. Bei jedem Unternehmen ist diese Mischung aus unterschiedlichen Bereichen anders. Wir müssen daher das Bedürfnis des Unternehmens entziffern, damit wir ein Büro entwerfen, das wirklich für die Nutzer geeignet ist. Es ist nicht leicht, durchdachte kollaborative Bereiche zu schaffen – es reicht nicht, einfach einen Billardtisch in ein Café zu stellen. Dafür haben technikaffine Angestellte viel zu viel Ahnung von Räumen und davon, was Räume leisten müssen. Wenn Sie durch die Büros von Motorola gehen, werden Sie eine Mischung von unterschiedlichen Räumen finden. Das Ökosystem dort ist so, dass man in jeder Etage etwas komplett anderes erleben kann. Die Motorola-Zentrale ist ein urbaner vertikaler Campus – für jeden ist etwas dabei.
Zentral dafür ist das, was Hackability genannt wird. Wir bemühen uns, Arbeitsplätze zu schaffen, die es den Nutzern erlauben, ihren Bereich zu modifizieren. Dadurch kann sich der Raum im Verlauf der Zeit verändern und auf die Bedürfnisse des Unternehmens reagieren. Motorola Mobility integrierte das in den Entwurf, indem Räume geschaffen wurden, die noch verdichtet werden können – nicht nur mit Arbeitsplätzen, sondern auch mit kollaborativen Bereichen.
Was verbinden Sie mit Motorola – und wie hat Ihre Vorstellung von Motorola das Projekt beeinflusst?
Mit Motorola, das früher Google gehörte, verbinde ich Innovation, Kreativität und Langlebigkeit. Das Bedürfnis von Motorola, sich ständig selbst neu zu erfinden, bildet das Rückgrat dieses Büros.
Welche Rolle spielte der Merchandise Mart mit seiner einzigartigen Architektur und Geschichte für Ihren Entwurf?
Der Merchandise Mart ist ein fantastisches Gebäude – einzigartig. Die etwa 20.900 m2 große Geschossfläche war die perfekte Leinwand, um eine vertikale Stadt zu entwerfen. Die Leichtigkeit des Eingangsbereichs und die Fülle an Einrichtungen im Sockel des Gebäudes machen es zu einem perfekten Ort für die Angestellten. Durch seine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es sowohl ideal für Angestellte, die in der Stadt leben, also auch für solche, die aus den Vororten kommen. Dank der Gebäudestruktur kann das Tageslicht die großen Geschossflächen durchdringen. Die fantastischen Dachaufbauten waren die ideale Basis für kleine Parks und Außenbereiche auf dem Dach. Und die Lage des Merchandise Mart am Zusammenfluss von drei Armen des Chicago River erzählt eine Geschichte von Innovation im Handel und von der Bedeutung des Burnham Plan [Anm. d. Red: Dieser Plan von 1909 sah eine Neugestaltung Chicagos vor, mit neuen Straßen, Eisenbahnstrecken, Parks, Hafenanlage und einer Öffnung der Stadt zum Michigansee]. Der historische Charakter des Gebäudes hat es für die zahllosen Angestellten, die dort einzogen, auf Anhieb zu einem Orientierungspunkt gemacht. Es schuf die perfekte Mischung aus High-Tech und High-Touch.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dr. Sebastian Klöß.