„Anders Arbeiten“ – unter diesem Motto hat die Neugestaltung der Arbeitsumgebung für das Essener Innovationsnetzwerk Kolumbus gestanden. Eine herausfordernde Aufgabe für die Innendesigner von BANDYOPADHYAY interior. Denn die Gestaltungsidee greift ganz bewusst die Phasen eines Innovationsprozesses auf.
Das Planen, das Aufbrechen ins Unbekannte, das Entdecken und das Wiederzurückkommen – das sind die vier wichtigen Phasen eines Innovationsprozesses. Diese finden sich im Interior Design als Farb- und Materialkonzept in Form von vier unterschiedlich gestalteten Wandflächen wider.
Die Wirkung von Farbe in Büroumgebungen
Die Hauptfarben sind ein intensives, fast dunkles Blau für das Thema Planung. Ein tiefes, sattes und sonniges Gelb steht für den Aufbruch ins Licht, in die Weite, der Sonne entgegen. Das Thema Entdecken wird mit einem erdigen, rötlichen Braunton visualisiert, der an die roten Böden verschiedener afrikanischer oder australischer Landschaften und Felsen erinnert. Für das Zurückkommen steht der kräftige waldige Grünton.
Die Farbwirkung in Büros wird entscheidend durch die Lichtsituation, das Tages- und künstliche Licht mitbestimmt. Deswegen ist unter anderem der strahlende Gelbton an der Fensterfront platziert. Durch das Gegenlicht wird der alles überstrahlende Effekt dieses leuchtenden Gelbs zurückgenommen und behält trotzdem seine motivierende, warme Ausstrahlung. Die Idee, dass die kleineren Farbfelder die jeweilige Farbe der vorangehenden Wand aufgreifen und sie in die Farbe der nächsten Wand hineinwirken lassen, wurde inhaltlich aus dem Arbeitsprozess des Kunden entwickelt.
Raumwirkung und Raumerfahrung
Ein ständiger Wechsel von dreidimensionalen Objekten und zweidimensionalen Farb- und Materialoberflächen bestimmt die Raumwahrnehmung. Waagerechte Streifenmuster entstehen aus dem Design der funktionalen Konstruktions- und Gestaltungselemente, wie dem Raster der Trittstufen oder den Einschüben der manuell höhenverstellbaren Arbeitstischplatten. Sie fügen sich als grafische Muster in das Interior-Design-Konzept passgenau ein.
Für das Einrichtungskonzept wurden spezielle mobile platzsparende Arbeitsmodule mit je zwei Arbeitsplätzen entwickelt, die über Rollen flexibel im Raum positioniert werden können. Die Schreibtischplatten aus Materialien wie Linoleum, Naturholz und Mineralspachtel aus Carrarmarmormehl sind angenehm anzufassen und entweder manuell höheneinstell- oder elektrisch höhenverstellbar. Ihre Seitenflächen können als Präsentationsflächen bei Teammeetings etc. eingesetzt werden. Die haitischen Oberflächen sind ein sinnlicher Kontrast zu den glatten Bildschirmoberflächen, die wir täglich auf dem Smartphone und Tablett bedienen.
Zusammen mit den verschiedenen Benutzungsebenen, wie den Schreibtischen zum Sitzen, dem höhenverstellbaren Besprechungstisch für Stand-up-Meetings und der Möglichkeit, sich in den Ausgucksitz zurückzuziehen, ergeben sich immer neue Blickachsen und -beziehungen. So wird der Raum wunderbar vielfältig wahrgenommen und erst mit der Zeit entdeckt. Das beugt nicht nur der Langeweile vor, sondern sorgt immer wieder für interessante und inspirierende Erfahrungen am Arbeitsplatz, statt der ermüdenden weißen Wände mit Nuancen von Grau, Schwarz oder Blau.
Ein Mangel an unmittelbarem Kontakt mit der Natur hat nachteilige Konsequenzen. Menschen wünschen sich explizit Naturerlebnisse im Büro. Das kann beispielsweise der Blick aus dem Fenster in die Landschaft, warmes Tageslicht am Arbeitsplatz oder auch ein Poster an der Wand sein, das eine Fluss- oder Gebirgslandschaft darstellt. Hierdurch entsteht eine positive Wirkung auf den Betrachter.“
Yue Pan, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).
Die Idee ist, dass das Büro nicht nur als Fläche, für die eine kundengerechte Möblierungsplanung entwickelt wird, zu verstehen, sondern auch die dritte Dimension, den Raum nach oben, mit in das Interior Design und die Arbeitsplatzplanung einbezogen wird. Davon ausgehend wurde ein loungeartiger Sitz auf zwei Metern Höhe geplant, wie ein Ausguck am Schiffsmast, um in die Ferne zu schauen oder sich buchstäblich aus dem Tagesgeschehen auszuklinken und den Kopf frei zu bekommen.
Das Hochklettern der Leiter an der Box mit Ausguck erfordert Konzentration auf den Körper, Kraft und Balance auf dem Weg nach oben. Wenn man oben im Ausguck angekommen ist, wird man an die Hochbetten und Baumhäuser der Kindheit und Jugend erinnert. Genau dieses kindlich-spielerische Element soll dadurch im Büro etwas Raum bekommen.
In der Box mit Ausguck ist ein Rückzugsraum für Telefonate und Video-Calls eingerichtet, der über einen akustischen Vorhang geschlossen werden kann. Eine integrierte Belüftung sorgt für das Raumklima, das auch durch die duftenden Birkenholzoberflächen und ein Naturpflanzenbild unterstützt wird.
Lichtkonzept als Interior-Design-Element
Für die Raumwirkung ist das Verstehen der Lichtsituation und eine daran angepasste Interior-Design-Planung sowie der Einsatz passender Leuchten sehr wichtig. Ein schattiges bis dunkles Büro mit wenig Tageslicht kann ein Stressfaktor sein, auch wenn es noch so aufwendig eingerichtet ist, während man sich im Licht eines schönen Sonnenuntergangs auch in einer Holzhütte wohlfühlt.
Natürliches Licht schafft unterschiedliche Atmosphären, ebenso das Human Centered Light, kurz HCL genannt. Hier lassen sich die aktivierenden und entspannenden Lichtanteile – im Wesentlichen sind das die Rot- und Blautöne – im Tagesablauf von der Büroleuchte nachvollziehen, um die Konzentration und den natürlichen Biorhythmus zu unterstützen. Die hier eingesetzte Büroleuchte Onyxx Circular des auf das Human-Centered-Light-Konzept spezialisierten Herstellers Grimmeisen Licht steuert über den Tag durch eine spezielle LED-Technik, wie viele aktivierende Blauanteile oder entspannende Rotanteile in das Licht gemischt werden. Darüber hinaus können die Mitarbeiter individuelle Einstellungen oder sogenannte Lichtszenen über eine frei zugängliche App selbst einrichten.
Haptische, sinnliche und sinnvolle Einrichtungselemente
Das Interior-Design-Konzept greift neben dem HCL die wesentlichen Elemente auf, die planerseitig für einen gesunden, kommunikativen und konzentrierten Büroalltag berücksichtigt werden sollten. Dazu gehören Einrichtungselemente, die sich auf die Natur beziehen oder aus natürlichen Materialien und Oberflächen bestehen, aber auch vielfältige riech- und berührbare Objekte.
Geplant wurden olfaktorische Naherlebnisse mit Materialflächen, die nach Vanille riechen, weil sie aus echten, zu einem speziellen Laminat verpressten, Vanilleschoten des österreichischen Naturoberflächenspezialisten Organoid bestehen. Sie sprechen die Nase an und bringen eine neue, positive und inspirierte Erlebnis- und Erfahrungsebene in das Office-Design.
Die Büromöblierung setzt bewusst überall dort, wo es möglich ist, offene, unbehandelte Holzoberflächen ein. Sie fassen sich angenehm an und geben dem Raum durch ihren Holzduft die Basslinie einer naturverbundenen Erfahrung. Diese wirkt nach den Erkenntnissen des Biophilic Design beruhigend, konzentrationsfördernd und regenerativ auf den menschlichen Organismus.
Pflanzen als Klima- und Raumelemente
Die eingesetzten Pflanzen stellen nicht nur einen Naturbezug her, wie die Moosbilder von Style Green aus konservierten echten Pflanzen, sondern sie sind lebende Objekte, die Raumklima und -atmosphäre in der Büroeinrichtung verbessern. Pflanzen werden hier auch experimentell eingesetzt. Eine Lavendelpflanze im Kolumbus-Büro beruhigt und soll es schaffen, in einem selbstbewässernden offenporigen Glas- und Keramikgefäß von Liviana Home bis zu 14 Tage ohne Gießen zu überleben.
Büroplanung und Möbel für das „Anders Arbeiten“
Individuelle Arbeitssituationen geben Raum für konzentriertes Arbeiten in persönlicher Atmosphäre, während Aufstehen oder nur Hochschauen bereits Teilhabe am verbindenden Teamalltag bedeutet. Dieses Spiel von Offenheit und Privatheit in den neuen Arbeitswelten kann den Teamgeist durch einfache, schnelle und direkte Kommunikationswege fördern: Einfach mal aufstehen und durch den Lavendel sprechen …
Dipl.-Des. Boris Bandyopadhyay, Interior Designer, Entwickler, Farb- und Material-Experte, |