Was bedeutet Leadership in unseren Zeiten? Was ist gute Führung? Was macht sie heute aus? Das erläutert der New-Work-Experte André Hund in seiner Kolumne. In Teil eins geht es darum, wie wichtig das Zuhören ist.

André Hund ist Wirtschaftsjurist und kennt die Büromöbelbranche aus dem Effeff. In seiner Kolumne thematisiert der New Work Facilitator bei der work different Training & Consulting GmbH Leadership-Themen vor dem Hintergrund des neuen Arbeitens.
„Leadership“? Echt jetzt? Ja, denn Führung und das gute Verständnis von ihr korrelieren mit den sich stetig wandelnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Begriff „Leader“ – im Englischen das weibliche wie das männliche Geschlecht umfassend – besteht aus sechs Buchstaben. So oft erscheint auch diese Kolumne 2025. Was also liegt näher, als den Begriff einmal durchzubuchstabieren?
Es geht los mit „L“ wie Leader – und „l“ wie listen: Denn Leadership beginnt mit dem Zuhören. Vom französischen Staatsminister Kardinal Richelieu stammt der Satz: „Il faut écouter beaucoup et parler peu. [Man sollte viel zuhören und wenig reden.]“ Richelieu wusste genau, warum er dem Zuhören eine deutlich höhere Bedeutung als dem Reden beimaß.
Unsere Welt ist komplex und unübersichtlich (geworden). Zahlreiche Modelle beschreiben die Herausforderungen und Interdependenzen unserer Zeit. Noch vor einigen Jahren hat uns die VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) Entscheidungsdynamiken abgerungen, die immer schneller wirken, weiterreichende Folgen haben und zunehmend spezialisiertes Wissen erfordern. Mittlerweile sind wir in der BANI-Welt angekommen, die sich als brüchig („brittle“), ängstlich („anxious“), nicht-linear („nonlinear“) und unbegreiflich („incomprehensible“) präsentiert. Wer weiß, was noch kommt. Gemütlich wird es wohl eher nicht.
Die Zeiten sind vorbei, als Entscheidungswissen ausschließlich an der Spitze der Hierarchien zu finden war. Heute ist es breit gestreut. Und die hierarchischen Strukturen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Das ist gut so. Sie haben sich den veränderten Zeiten angepasst.
In einer Arbeitswelt aber, in der die Konstante der Wandel ist, gewinnt das Zuhören noch stärker an Bedeutung. Flache Hierarchien, flexible Arbeitsweisen und selbstbestimmte Teams machen es für Führungskräfte unverzichtbar, zuzuhören, um den Puls des Teams zu fühlen. Das Ziel dabei? Die bessere und produktivere Zusammenarbeit aller. Zuhören verbessert das Verständnis dafür, warum es manchmal besser ist, dass andere im Team – mit ihrem spezifischen Wissen und ihrer Erfahrung – Entscheidungen treffen. Es gilt das Prinzip der Subsidiarität. Es hat schon seinen Grund, dass beispielsweise Kommunen Kindertagesstätten planen und nicht der Bund.
Zuhören schafft ein Bewusstsein für mögliche Konflikte im Team. Oft liegen ihre Ursachen in Missverständnissen oder unausgesprochenen Bedürfnissen. Aktives Zuhören befähigt Führungskräfte zum frühzeitigen Erkennen und Entschärfen.
Zuhören ist ein Akt der Wertschätzung. Indem ich anderen, auch abweichenden Meinungen, Ideen und Ansichten einen entsprechenden Wert beimesse, signalisiere ich, dass ich sie gehört und verstanden habe. Diese Haltung schafft Vertrauen und Motivation. Das Team fühlt sich ernst genommen. Aber es wird noch besser: Das Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven fördert Innovationen. Wenn Führungskräfte jenseits der klassischen Hierarchien zuhören, eröffnen sich oft ungenutzte Potenziale. Eine Kultur des Zuhörens inspiriert zu neuen Ideen und Lösungsansätzen.
Aber Vorsicht! Zuhören bedeutet nicht einfach nur, Gehör zu schenken. Ein bisschen mehr darf es schon sein. Aufmerksamkeit und Reflexion zum Beispiel. Und das schützt auch die Führungskraft vor opportunistischem Verhalten. Auch das soll vorkommen.
Die wunderbare Fabel „Der Rabe und der Fuchs“ des großen Jean de La Fontaine verdeutlicht das: Ein Rabe sitzt auf einem Baum und hält ein Stück Käse im Schnabel. Des Weges kommt ein hungriger Fuchs. Er schmeichelt dem Vogel, lobt seine Schönheit und bittet ihn zu singen, um zu erfahren, ob sein Gesang genauso schön wie sein Aussehen sei. Der Rabe, vom Lob verführt, öffnet zum Gesang den Schnabel – und verliert den Käse. Der Fuchs hat sein Ziel erreicht. Wäre der Rabe achtsamer gewesen und hätte den Fuchs mit klarem Verstand gehört, hätte er die Situation durchschaut. Man merkt: Echtes Zuhören erfordert mehr als nur Schweigen, wenn jemand anderes spricht. Es ist ein aktiver Prozess, der Offenheit, Empathie und analytisches Denken umfasst. Leadership beginnt mit Zuhören.