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Ein Recht auf Homeoffice ist nicht sinnvoll: Interview mit Prof. Dr. Heike Bruch

Prof. Dr. Hei­ke Bruch gehört zu den erfolg­reichs­ten Frau­en der Schweiz. Wir spra­chen mit der Pro­fes­so­rin für Lea­der­ship an der Uni­ver­si­tät St. Gal­len über Home­of­fice, New Work und die Beschleu­ni­gungs­fal­le, in wel­che wir so schnell geraten.

Prof. Dr. Heike Bruch von der Universität St. Gallen spricht am 14. Juni 2023 auf der NWX23 in Hamburg. nwx23.de

Prof. Dr. Hei­ke Bruch von der Uni­ver­si­tät St. Gal­len spricht am 14. Juni 2023 auf der NWX23 in Ham­burg. nwx23.de

Frau Professorin Bruch, im Sommer 2022 ist eine Trendstudie der Universität St. Gallen zum Thema Homeoffice erschienen, an der Sie maßgeblich beteiligt waren. Wie ist es um die Gesundheit und Leistung der Home-Worker bestellt?

Prof. Dr. Hei­ke Bruch: Unse­re Ana­ly­sen haben gezeigt, dass nur 26 Pro­zent der Mit­ar­bei­ten­den im Home­of­fice Außer­ge­wöhn­li­ches leis­ten und dabei auch gesund sind. Ein Drit­tel der mobil Arbei­ten­den ist zwar gesund, zeigt jedoch nur mit­tel­mä­ßi­ge Leis­tung und alar­mie­ren­de zwölf Pro­zent zäh­len zu den Hoch­leis­tern, die gesund­heit­lich am Limit sind. Ziel soll­te es sein, sowohl Leis­tung als auch Gesund­heit zu för­dern. Home­of­fice funk­tio­niert nur, wenn es in eine ent­spre­chen­de Kul­tur ein­ge­bet­tet ist und Füh­rungs­kräf­te die Mit­ar­bei­ten­den ent­spre­chend auch emo­tio­nal fördern.

Was zählt zu den größten Herausforderungen bei der Arbeit zu Hause?

Eine der Gefah­ren ist Iso­la­ti­on. Durch die feh­len­de täg­li­che Inter­ak­ti­on mit Kol­le­gen kann das Gefühl ent­ste­hen, ein­sam und von der Orga­ni­sa­ti­on abge­schnit­ten zu sein. Auch Erschöp­fung ist ein The­ma: Rei­ne vir­tu­el­le Kom­mu­ni­ka­ti­on und das Gefühl der stän­di­gen Erreich­bar­keit kön­nen Mit­ar­bei­ten­de ver­mehrt erschöp­fen und belas­ten. Vor allem, wenn Tech­nost­ress dazu kommt. Men­schen mit erhöh­tem Tech­nost­res­ser­le­ben füh­len sich leer, müde oder emo­tio­nal erschöpft. Auf der Leis­tungs­sei­te kön­nen Inno­va­ti­ons­pro­zes­se erschwert wer­den, sobald spon­ta­ne Gesprä­che oder krea­ti­ve Work­shops im Büro zu kurz kom­men. Und schließ­lich kann auch der Zusam­men­halt lei­den, ins­be­son­de­re wenn mobi­les Arbei­ten nur einem Teil der Mit­ar­bei­ten­den ermög­licht wird.

Was empfehlen Sie Unternehmen zur Umsetzung von Hybrid Working?

Zum einen ist ein sicht­ba­res Com­mit­ment des Top-Manage­ments not­wen­dig, zum ande­ren müs­sen Hybrid-Work-Pur­po­se und -Spiel­re­geln gemein­sam ent­wi­ckelt wer­den. Es muss explo­riert und expe­ri­men­tiert wer­den, bevor ein Roll-in star­tet. Wich­tig dabei ist, dass alle zum Hybrid Way of Work empowert wer­den. Wirk­lich wirk­sam wird hybri­des Arbei­ten aller­dings erst, wenn jedes Team eine Team-Char­ta zum Umgang mit Ort, Zeit und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­len definiert.

Halten Sie ein Recht auf Homeoffice für sinnvoll?

Nein, das ist nicht sinn­voll. Aller­dings wird eine Frei­heit bezo­gen auf die Wahl von Ort und Zeit nor­mal wer­den. Nicht unbe­grenz­te Frei­heit, son­dern orches­trier­te Frei­heit im Rah­men einer Gemein­schaft. Men­schen for­dern die Frei­hei­ten jetzt bereits ver­stärkt ein und dies wird zuneh­men. Unter­neh­men soll­ten jedoch Spiel­re­geln ent­wi­ckeln und inner­halb die­ser Leit­plan­ken die Mög­lich­keit geben, dass Teams das opti­ma­le Set-up abstim­men, also wie sie am bes­ten arbei­ten und die Frei­hei­ten im Sin­ne von Leis­tung zu indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen nut­zen wollen.

Im DACH-Raum herrscht großer Arbeitskräftemangel. Schon aus demografischen Gründen wird dieser wohl noch zunehmen. Die junge Generation will aber auch noch weniger arbeiten. Können wir es uns im Ganzen erlauben, immer weniger (Zeit) zu arbeiten, wenn doch immer weniger (Personen) arbeiten?

Die Her­aus­for­de­rung des Arbeits­kräf­te­man­gels spitzt sich tat­säch­lich enorm zu. Wir sind gera­de erst am Anfang. Umso mehr wird es zu dem zen­tra­len Wett­be­werbs­fak­tor, die rich­ti­gen Men­schen zu gewin­nen. Auch die Mög­lich­keit, ggf. weni­ger zu arbei­ten, atmen­de Arbeits­zeit­mo­del­le oder auch die Vier-Tage-Woche gehö­ren zu attrak­ti­ven Arbeitsmodellen.

Ent­schei­dend wird jedoch auch sein, die Men­schen emo­tio­nal für die Arbeit zu gewin­nen. Denn ein­fach nur einen Job x zu machen, um Geld zu ver­die­nen oder Kar­rie­re zu machen, wird nicht aus­rei­chen, um Mit­ar­bei­ten­de zum Arbei­ten und zu Enga­ge­ment zu bewe­gen. Move­ments wie Quiet Quit­ting oder The Gre­at Res­huff­le wei­sen auf kla­re Miss­stän­de auf die­sem Gebiet hin.

New Work hat bereits in vielen Unternehmen für eine neue Arbeitskultur gesorgt. Was ist elementar für den Erfolg eines solchen Wandels?

Für eine erfolg­rei­che und nach­hal­ti­ge Ver­än­de­rung zur neu­en Arbeits­welt braucht es vor allem eine Kul­tur­ver­än­de­rung. Wir kön­nen evi­denz­ba­siert sehr klar zei­gen, dass bestimm­te Kul­tur­fak­to­ren die Vor­aus­set­zung für den Erfolg von New Work sind: Top-Manage­ment als Vor­bild, eine Kul­tur von Ver­trau­en, moder­ne Füh­rung und die Selbst­kom­pe­tenz von Mit­ar­bei­ten­den. Ohne die­se Kul­tur kann das Poten­zi­al von New Work nicht aus­ge­schöpft wer­den. Bei 39 Pro­zent der Unter­neh­men fin­den wir sogar kon­tra­pro­duk­ti­ve Effek­te – mehr Kon­flik­te, Erschöp­fung und kol­lek­ti­ve Überhitzung.

„VUCA“, „BANI“ – Wissensarbeiter empfinden ihr Leben als immer schneller und schwieriger. Sie sind stets beschäftigt, schaffen aber mitunter immer weniger. Wie schätzen Sie das ein?

Unter­neh­men müs­sen auf­pas­sen, dass sie nicht in eine Kul­tur des „Beschäf­tigt­seins“ rein­rut­schen, in der Input belohnt wird anstatt Out­put. Eine Out­pu­t­ori­en­tie­rung för­dert Fokus und ermög­licht auch, Mei­len­stei­ne zu fei­ern, Fort­schritt sicht­bar zu machen und emo­tio­na­le Ereig­nis­se wie Stolz, Wert­schät­zung und Erfolgs­er­leb­nis­se zu schaffen.

Sie sprechen auch von einer Beschleunigungsfalle – wie können wir ihr entkommen?

Die Beschleu­ni­gungs­fal­le, also das kol­lek­ti­ve Gefühl der Über­hit­zung, ist inzwi­schen bei 75 Pro­zent der Unter­neh­men vor­herr­schend. Und dies ist weder für die Men­schen gut noch für den Erfolg des Unter­neh­mens, geschwei­ge denn für die Arbeit­ge­ber­at­trak­ti­vi­tät. Daher gilt es, der Beschleu­ni­gungs­fal­le gezielt ent­ge­gen­zu­wir­ken. Ansatz­punk­te sind hier­bei, dass kon­se­quent Prio­ri­tä­ten geschärft und Stop-Doing-Initia­ti­ven ein­ge­führt wer­den. Unter­neh­men sind unheim­lich gut dar­in, Pro­jek­te zu star­ten, aber sie müs­sen bes­ser dar­in wer­den, die­se auch zu been­den, wenn sich Prio­ri­tä­ten ändern oder zu vie­le Din­ge begon­nen wur­den. Die­sen Pro­zess nen­nen wir Früh­jahrs­putz. Zudem kön­nen Pit-Stops, also Momen­te, in denen Erfol­ge gefei­ert und Din­ge abge­schlos­sen wer­den, hel­fen, posi­ti­ve Ener­gie zu tan­ken und sich wie­der für neue Din­ge zu begeis­tern. „Slow down to speed up“, ist hier­bei das Motto.

Vielen Dank.

Die Fra­gen stell­te Robert Nehring.

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