Im zweiten Sammelband „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“ werden weitere 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Eingangs thematisieren renommierte Architekten die neuen Herausforderungen der modernen Büroarbeitswelt. Susanne Brückner von den Brücknerinnen ist mit diesem Beitrag dabei.

Susanne Brückner, Geschäftsführerin und Innenarchitektin, Brücknerinnen. Abbildung: Christian Geisselmann
Es gibt Orte, an die Menschen gerne zurückkehren. Orte, die nicht nur funktional sind, sondern ein Gefühl vermitteln – ein Gefühl von Heimat, Sicherheit und Zugehörigkeit. Ein Zuhause, ein Lieblingscafé, eine Bibliothek, in der jede Ecke Vertrautheit ausstrahlt. Doch was macht diese Orte so besonders? Es sind nicht allein Möbel oder Design, sondern das Unsichtbare: die Atmosphäre, die Art, wie ein Raum mit Menschen interagiert, wie er sie aufnimmt und begleitet. Und genau das ist es, was in der heutigen Arbeitswelt oft fehlt. Das Büro der Zukunft steht nicht mehr nur für reine Funktionalität, sondern für Identität, Wohlbefinden und eine Unternehmenskultur, die erlebbar wird.
Innenarchitektur prägt Kultur
Aber wie hat sich unser Blick auf das Büro verändert? Noch vor wenigen Jahren war das Büro als physischer Arbeitsort unangefochten. Die Pandemie hat das schlagartig verändert. Was in der Vergangenheit als Selbstverständlichkeit galt, wurde durch hybride Arbeitsmodelle und die Verlagerung ins Homeoffice infrage gestellt. Heute haben Mitarbeitende eine Wahl – und diese Wahl betrifft nicht nur den Arbeitsort, sondern auch das Arbeitsumfeld. Der Wettbewerb um talentierte Fachkräfte ist längst nicht mehr nur ein Wettstreit zwischen Arbeitgebern, sondern schließt auch die zunehmend attraktiven Alternativen wie Homeoffice, Cafés um die Ecke oder Coworking-Spaces mit ein. Das Büro muss mehr bieten, als einfach nur effizient zu sein. Es muss sich anfühlen wie ein Ort, an den Menschen gerne zurückkehren möchten.
Doch wie entsteht eigentlich ein Raum, der dieses Gefühl vermittelt? Zusammenarbeit entsteht nicht in Tabellen oder perfekt getakteten Onlinemeetings. Sie entsteht zwischen den Zeilen, in Begegnungen, die nicht geplant, sondern ermöglicht werden. Ein Blick in den Flur, ein zufälliges Gespräch an der Kaffeemaschine, ein gemeinsames Lachen nach einem langen Meeting – das sind die Momente, die Teams verbinden. Es sind diese kleinen, spontanen Augenblicke, die für den Teambuilding-Prozess so wichtig sind, und genau diese Momente sind keine Selbstverständlichkeit. Viele Büros waren in der Vergangenheit darauf ausgelegt, Struktur zu schaffen – aber oft auf Kosten der Lebendigkeit. Klare Hierarchien, geschlossene Türen, anonyme Großraumbüros – wenig Raum für spontane Interaktion. Heute jedoch braucht Innenarchitektur eine andere Handschrift: Sie soll Begegnungen ermöglichen, ohne sie zu erzwingen.

Ein Büro, das sich anfühlt wie ein zweites Zuhause – inspiriert, verbindet und gibt Raum für neue Ideen. Abbildung: Brückner Architekten
Wie kann ein Büro sowohl Austausch als auch Rückzug bieten? Es muss Orte schaffen, die den Austausch von Gedanken und Ideen begünstigen, aber auch Rückzugsorte bieten, an denen Konzentration und Fokus ermöglicht werden. Die besten Bürokonzepte sind diejenigen, die beides ermöglichen: den kreativen Austausch und den stillen Fokus. Es geht nicht nur um funktionale Flächen, sondern um eine Gestaltung, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Das Büro muss ein Ort sein, der sich den Mitarbeitenden anpasst – nicht umgekehrt. Hier kommen Architektur und Design ins Spiel: Die Raumaufteilung, die Lichtführung, die Wahl der Materialien – all das prägt, wie ein Büro erlebt wird. Ein gut durchdachtes Büro ist mehr als nur ein funktionaler Arbeitsraum; es ist ein Ort, der Interaktion und Kommunikation fördert und gleichzeitig die nötige Privatsphäre und Ruhe für konzentriertes Arbeiten bietet.
Arbeiten ist individuell – Büros auch
Ein Unternehmen kann Werte wie Innovation, Offenheit und Teamgeist auf seiner Website formulieren, doch erst wenn diese Werte im Raum spürbar werden, sind sie glaubwürdig. Wie fühlt sich ein Büro an, das wirklich Offenheit lebt? Wie sieht ein Arbeitsplatz aus, der Kreativität fördert? Die Antworten auf diese Fragen sind nicht abstrakt, sondern architektonisch. Eine Marke wird nicht nur über ihr Logo oder ihre Farben sichtbar – sie zeigt sich in jedem Detail eines Raumes. In den Materialien, in der Lichtführung, in der Akustik. Sie zeigt sich in einer Sitzkultur, die signalisiert: Hier ist jeder willkommen. Sie zeigt sich in der Art, wie Gäste empfangen werden, wie Mitarbeitende sich bewegen, wie Räume atmen. Eine durchdachte Innenarchitektur transportiert also nicht nur das Erscheinungsbild des Unternehmens, sondern auch die Kernwerte und die Kultur, die im Inneren leben.
Aber wie lässt sich all das in einem einzigen Büro vereinen? Jedes Unternehmen hat seine eigene DNA, seine eigene Art zu arbeiten, seine eigene Dynamik. Ein Konzept von der Stange wird dieser Komplexität nicht gerecht. Der erste Schritt zu einer erfolgreichen Innenarchitektur ist daher stets eine gründliche Analyse der spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens. Wie arbeiten die Menschen hier? Was treibt sie an? Welche Art von Arbeitsumgebung benötigen sie, um produktiv und inspiriert zu sein? Und welche Rolle spielen dabei die individuellen Arbeitsstile? Nur wenn diese Fragen beantwortet sind, kann ein Büro entstehen, das nicht nur funktional, sondern auch identitätsstiftend und zukunftsfähig ist. Ein Büro sollte nicht vorgeben, wie man zu arbeiten hat. Es gibt auch nicht den einen richtigen Weg zu arbeiten. Menschen sind unterschiedlich, ihre Arbeitsstile ebenso. Manche suchen Stille, andere Energie und Austausch. Einige bevorzugen einen festen Arbeitsplatz, andere ein flexibles Umfeld. Und auch innerhalb eines Unternehmens kann die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, variieren. Es gibt Mitarbeitende, die vollständig ortsunabhängig arbeiten, die Freiheit brauchen, sich jederzeit einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Andere bevorzugen es, in einem festen Team zu arbeiten und sich regelmäßig vor Ort zu treffen. Manche benötigen die Struktur eines festen Arbeitsplatzes, während andere in einem dynamischen, offenen Umfeld am besten gedeihen. Studien haben gezeigt, dass es grundsätzlich vier grundlegende Arbeitstypen gibt: die Avantgarde, die flexible Zeiten und Orte bevorzugt, die zeitlich Flexiblen, die eine Mischung aus Struktur und Freiheit schätzen, die Fremdbestimmten, die klare Vorgaben und Hierarchien bevorzugen, und die Konventionellen, die Stabilität und feste Strukturen suchen.
Das Büro der Zukunft ist kein Entweder-oder – es ist ein Sowohl-als-auch. Es schafft Verbindungen und genau darin liegt seine größte Stärke.“
Susanne Brückner,
Brücknerinnen.
Ein modernes Büro sollte all diesen Typen gerecht werden. Es sollte verschiedene Zonen bieten: Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten, offene Bereiche für den kreativen Austausch, hybride Räume, die sowohl für digitale als auch physische Zusammenarbeit geeignet sind. Und vor allem sollte es eine Balance bieten, die weder die einen bevorzugt noch die anderen vernachlässigt. Denn erst wenn alle Mitarbeitenden sich in ihrer Arbeitsweise ernst genommen fühlen, wird das Büro zu einem echten Ort der Identifikation und Zugehörigkeit. Ein gut geplantes Büro ist eines, das den Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, sich individuell zu entfalten, ohne dass die Gemeinschaft und Zusammenarbeit darunter leiden.
Der Raum als multisensorisches Erlebnis
Ein Büro ist mehr als nur ein Raum, in dem gearbeitet wird. Es ist ein Raum, der zu allen Sinnen spricht. Menschen erleben Räume nicht nur visuell, sondern mit allen Sinnen. Damit ein Büro den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht wird, muss es nicht nur funktionale Zonen bieten, sondern auch ein Umfeld schaffen, das emotional und physisch ansprechend ist.
Doch wie genau beeinflussen Sinneseindrücke unser Arbeiten? Wenn wir einen Raum betreten, nehmen wir unbewusst weit mehr wahr als nur Möbel und Farben. Wir hören den Klang der Umgebung, wir spüren die Temperatur und die Materialien, wir nehmen den Geruch wahr. Diese sensorischen Eindrücke haben einen enormen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit. Die Akustik eines Raums, die Wahl der Materialien, die Lichtführung – all das beeinflusst, wie wir uns fühlen und wie wir arbeiten.

Räume, die Persönlichkeit widerspiegeln – vielseitig, lebendig und einzigartig wie ihre Bewohner. Abbildung: Brückner Architekten
Die Innenarchitektur eines Büros sollte daher nicht nur funktional, sondern auch emotional ansprechend sein. Eine durchdachte Gestaltung nutzt alle Sinne, um ein Erlebnis zu schaffen. Naturmaterialien wie Holz, Stein oder Textilien verleihen einem Raum eine warme und einladende Atmosphäre. Akustische Elemente sorgen für die richtige Balance zwischen Ruhe und Austausch. Lichtkonzepte, die sich dem Tagesverlauf anpassen, unterstützen den Biorhythmus und fördern das Wohlbefinden. In solch einem Büro fühlt man sich nicht nur produktiv, sondern auch geschätzt. Ein Büro, das als multisensorisches Erlebnis konzipiert ist, ist mehr als ein funktionaler Arbeitsort – es wird zu einem Raum, der Zugehörigkeit und Identität schafft.
Die Zeiten, in denen das Büro einfach nur da war, sind vorbei. Heute muss es überzeugen. Es muss ein Ort sein, der Menschen anzieht, inspiriert, verbindet. Es muss mehr können, als Schreibtische und Meetingräume bereitzustellen – es muss Atmosphäre schaffen, Unternehmenskultur transportieren, Sinn stiften.
Es gibt kein universelles Erfolgsrezept für das perfekte Büro. Aber es gibt eine Grundregel: Es muss menschlich sein. Erst wenn ein Raum spürbar macht, dass er für die Menschen gestaltet wurde, die ihn nutzen, wird er zu einem echten Mehrwert. Innenarchitektur ist dabei kein Selbstzweck, sondern ein Schlüssel, um Arbeitskultur erlebbar zu machen.
Das Büro der Zukunft ist kein Entweder-oder – es ist ein Sowohl-alsauch. Es vereint Begegnung und Rückzug, Flexibilität und Struktur, Innovation und Geborgenheit. Es schafft Verbindungen – zwischen Menschen, zwischen Ideen, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und genau darin liegt seine größte Stärke.
![]() BUCHTIPP: OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern. Band 2Im zweiten Sammelband „OFFICE+OBJEKT“ werden weitere 44 Top-Projekte für Büro & Co. vorgestellt. Es handelt sich um besonders gelungene Planungs- und Einrichtungsbeispiele, „Lieblingsprojekte“ namhafter Architekten, Planer und Hersteller. Auch dieser im Berliner PRIMA VIER Nehring Verlag erschienene Sammelband hat 208 hochwertig produzierte Seiten. Nach den Autorenbeiträgen renommierter Architekten folgen die bilderreich dargestellten Referenzbeiträge: Top-Projekte, die den Architekten, Planern und Herstellern besonders am Herzen liegen und die Redaktion beeindruckt haben. Zusammen mit Band eins liegen nun 88 Leuchtturm-Projekte vor, bilderreich dokumentiert auf 416 Seiten – zwei Werke voll mit Impulsen und Inspirationen für neue Räume in Büroumgebungen. „OFFICE+OBJEKT. Lieblingsprojekte von Architekten, Planern, Herstellern“, Band 2, Robert Nehring (Hg.), PRIMA VIER Nehring Verlag, Berlin 2025, 208 Seiten, DIN A4, 79,90 € (Hardcover), 64,90 € (E-Book). Erhältlich unter office-roxx.de/shop. |