Wie können Führungskräfte verhindern, dass sie oder ihre Mitarbeiter einen Burnout erleiden? Wie sollten sie reagieren, wenn sich bei ihnen oder bei Mitarbeitern Burnoutsymptome zeigen? Michael Schwartz, Führungskräftetrainer aus Stuttgart, gibt Antworten.
OFFICE ROXX: Warum erleiden heute mehr Männer und Frauen als früher einen Burnout?
Michael Schwartz: Die Ursachen, warum mehr Menschen in einen Zustand emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit geraten, sind vielfältig. Eine Ursache ist die moderne Arbeitswelt. Sie ist heute viel stärker als früher von Veränderung und Unvorhersehbarkeit geprägt. Das kann ein Gefühl von Ohnmacht auslösen. Daneben gibt es gesellschaftliche Gründe.
Welche?
Zum Beispiel die steigende Zahl von Kleinstfamilien und Singlehaushalten. Vielen Menschen fehlen heute private Unterstützer, die sie in Stresssituationen entlasten.
Sind Führungskräfte stärker als normale Mitarbeiter von Burnout bedroht?
Ja und nein. Die meisten Führungskräfte arbeiten in einer Sandwichposition, in der sie von vielen Seiten mit Erwartungen konfrontiert werden. Das erhöht ihren Arbeitsdruck. Außerdem haben sie meist mehr und komplexere Aufgaben als Fachkräfte. Zugleich haben jedoch fast alle Frauen und Männer in gehobenen Führungspositionen im Verlauf ihrer beruflichen Biografie für sich Strategien entwickelt, mit Stress konstruktiv umzugehen. Sie denken bei Misserfolgen zum Beispiel: Okay, es hat zwar nicht geklappt, doch ich habe mein Bestes gegeben. Der Misserfolg nagt also nicht an ihrem Selbstwertgefühl. Sie behalten eine positive innere Einstellung. Das beugt dem Gefühl einer Überforderung vor.
Wie können Berufstätige sonst noch Burnout vorbeugen?
Sie sollten darauf achten, dass sie sich nicht wie ein Hamster im Laufrad drehen und sich bei ihnen das Gefühl verdichtet: Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich schaffe es nicht. Das heißt, wichtig ist es, bildhaft gesprochen, immer mal wieder den Fuß vom Gas zu nehmen und zu reflektieren: Wie bin ich unterwegs? Hetze ich nur noch durchs Leben? Was will ich eigentlich? Wichtig ist es zudem, sich körperlich fit zu halten. Und man sollte natürlich, wenn eine Überforderung droht, frühzeitig aktiv werden und an der Situation arbeiten. Hierbei kann ein Coaching helfen.
Was sind die Symptome für einen Burnout?
Vom Burnout betroffen sind meist Menschen, die sich überdurchschnittlich stark mit ihren Aufgaben identifizieren und diese sehr gewissenhaft erfüllen möchten. Sie haben irgendwann das Gefühl: Alles wird mir zu viel. Ein erstes Warnzeichen ist es, wenn Personen pausenlos arbeiten und dabei zunehmend einen gehetzten und frustrierten Eindruck machen. Ebenfalls ein Warnsignal stellt dar, wenn Personen sich sozial isolieren. Ein weiteres Alarmsignal ist es, wenn Mitarbeiter zunehmend über Erschöpfung, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Angstzustände klagen oder verstärkt zu Alkohol und Tabletten greifen.
Wie sollten Führungskräfte ihre Mitarbeiter führen, damit diese nicht „ausbrennen“?
Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter zwar fordern, aber nicht überfordern. Wann ein Mitarbeiter sich überfordert fühlt, hängt jedoch von vielen Faktoren ab – zum Beispiel seinem Können und seiner Erfahrung, seiner körperlichen Konstitution, seinem Selbstwertgefühl und dem Gefühl, respektiert zu sein. Deshalb sollten sich Führungskräfte bewusst Zeit für ihre Mitarbeiter nehmen. Zeit, um ihnen zu erklären, warum ihre Aufgaben wichtig sind, Zeit, um ihnen die nötige Unterstützung zu gewähren, Zeit, um zu erkennen, wann ein Mitarbeiter überfordert ist – sei es aus beruflichen oder privaten Gründen. Am Arbeitsplatz sollte zudem kein Klima der Angst bestehen, bei dem die Mitarbeiter stets befürchten müssen: Wenn ich die Erwartungen nicht erfülle, stehe ich auf der Abschussliste.
Was sollte eine Führungskraft tun, wenn trotzdem ein Mitarbeiter Anzeichen eines drohenden Burnouts zeigt?
Das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen, um zu klären: Ist der Mitarbeiter zurzeit überfordert? Benötigt er eine Unterstützung oder Entlastung? Befindet sich ein Mitarbeiter aufgrund eines Burnouts jedoch zum Beispiel bereits in einem Zustand der Apathie und Depression, dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, denn Führungskräfte sind keine Therapeuten. Deshalb sollte sich ihr Hauptaugenmerk auf die Burnoutprävention richten.
Gilt das auch für die Führungskräfte selbst?
Ja, denn auch Führungskräfte sind Menschen und keine Maschinen. Deshalb sollten sie sich ab und zu eine Auszeit gönnen und fragen: Gibt es in meinem Leben erste Warnsignale, die auf einen Burnout hindeuten beziehungsweise dafür, dass ich in eine Sinnkrise gerate? Denn dann haben sie in der Regel noch die Kraft, die Weichen in ihrem Leben bei Bedarf teilweise neu zu stellen.
Vielen Dank für das Gespräch.