2011 und 2017 wagte sich unsere Redaktion auf das dünne Eis der Prognose. Aktuelle Techniktrends wurden von ihr in Bezug auf die Tauglichkeit für künftige Office-Umgebungen hin beurteilt. Nun hat sie es schon wieder getan.
In den Ausgaben 2/2011 und 2/2017 gab unsere Redaktion Prognosen zu jeweils zehn Trends aus dem Bereich Bürotechnik ab. Wie hat sie sich geschlagen?
2011: Blick in die Glaskugel
2011 haben wir unsere erste Vorausschau auf technische Entwicklungen für das Büroumfeld veröffentlicht. Wohl wissend, dass auch wir die Zukunft nicht kennen bzw. dass es immer anders kommt, als man denkt, und dass nicht einmal darauf Verlass ist.
Cloud Computing werde sich in den nächsten Jahren flächendeckend durchsetzen, waren wir uns damals einig. Wie im Privaten, so bald auch im Beruflichen. Tatsächlich sind seitdem große Schritte gemacht worden. Firmen lagern mittlerweile nicht nur ihre Daten in der Cloud, sondern auch ihre Anwendungen. Zum Thema Green IT sagten wir, dass sich dieses vom Megatrend zur Normalität entwickeln werde. So ist es im Grunde auch gekommen. Jedoch könnte man das heute wieder so prognostizieren, weil es immer noch grüner geht.
Richtig eingeschätzt hatten wir ebenfalls, dass das papierlose Büro eine Vision bleiben sowie Flashspeicher CDs und DVDs schnell verdrängen würden. Ebenfalls, dass der E-Postbrief keine Zukunft haben würde sowie dass Tastatur und Maus nicht in den nächsten Jahren von Touchscreens verdrängt würden. Es glaubte auch keiner von uns, dass sich 3-D-Darstellungen – ob mit oder ohne Brille – im Büro durchsetzen könnten.
Das Thema Sprachsteuerung und -erkennung wurde von uns dagegen teilweise überschätzt. Eine Kollegin prophezeite: „Dennoch wird man bis 2013 weitgehend auf Spracheingabe setzen.“ Dies ist jedoch noch heute eine Ausnahme im Büro. Hey Google, Apples Siri und Amazons Echo mögen sich zu Hause durchgesetzt haben: „Alexa, spiel Musik!“ Im Büro jedoch sagt kaum jemand: „Computer, unterstreiche den ersten Satz.“ Warum auch? Danebengelegen haben wir damals wohl auch bei der Entwicklung von Tablets und Apps. Die Nutzung von Tablet-Computern ist zwar auch heute noch nicht ergonomisch zu nennen. Dennoch haben sich diese ergänzend durchgesetzt, nicht zuletzt in Form von Convertibles. 2011 glaubten wir, der App-Boom habe seinen Zenit überschritten. Wer sollte sich die alle auf sein Smartphone laden, insbesondere im beruflichen Bereich? Aber die Anzahl der Apps steigt immer weiter und manche sind sogar ganz nützlich.
2017: Agenda 2022
Sechs Jahre nach unserem ersten Ausblick widmeten wir uns wieder zehn Trends der Bürotechnik. Ob und inwiefern sich diese 2022 durchgesetzt haben werden, das versuchten wir 2017 einzuschätzen.
In Sachen Sprachsteuerung und -erkennung lag diesmal vor allem ich daneben: „Das nächste große Ding! 2022 wird jeder dritte Office- Worker seine Programme i. d. R. per Sprache navigieren. Jeder Vierte wird Texte lieber sprechen als tippen.“ Im Gegensatz zu meinen Kollegen habe ich mich – zum Glück – auch hier geirrt: „Büroarbeit wird deshalb weitgehend Toucharbeit“. Hinsichtlich der kabellosen Energieversorgung war dagegen Sebastian Klöß (heute Bitkom) wohl etwas zu optimistisch: „Jetzt, wo Apple dem Wireless Power Consortium und damit der Qi-Ladetechnik beigetreten ist, kommt sie binnen drei Jahren. Nie wieder Kabelsalat!“ Das induktive Laden mag sich durchgesetzt haben. Bis wir aber im Büro kabellos sind, dürfte es weiterhin noch dauern.
Dass sich das Telefonieren mit Headset per Computer etablieren werde, betrachten wir als Punkt für uns. Dass diese Entwicklung von einem pandemiebedingten Durchbruch der Videotelefonie beschleunigt werden könnte, haben wir aber natürlich nicht vorhergesehen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass viele weiterhin ihre alte TK-Anlage nutzen und dass oft das Smartphone an die Stelle des Festnetzanschlusses tritt.
Virtual und Augmented Reality werden sich bis 2022 nicht im Büro durchsetzen. Mit dieser Einschätzung lagen wir richtig. Ebenso bei den Prognosen, dass die E-Mail im Büro noch das vorrangige Kommunikationsmittel bleibt, Blaulichtfilter Standard werden, die Cloud zum bevorzugten Speicherort aufsteigt und Office-Worker zwar papierärmer, aber 2022 noch keineswegs papierlos arbeiten werden.
2027: Office-IT in fünf Jahren
Trotz dieser Vorgeschichte blicken wir nun erneut in die Zukunft der Bürotechnik. Wie das Smart Office wohl in fünf Jahren aussieht? Was soll schon passieren? 1943 ging der Vorstandsvorsitzende von IBM Thomas Watson davon aus, dass es weltweit nur einen „Bedarf für vielleicht fünf Computer“ gebe. Und Bill Gates soll 1981 behauptet haben: „Niemand braucht mehr als 640 Kilobyte Arbeitsspeicher in seinem PC.“
Fünf Jahre sind eine lange Zeit: Dem Hype von heute kräht morgen keine Generation Alpha mehr nach. Sicher werden 2027 immer noch die E-Mail das primäre Medium zum Kommunizieren und die Cloud der wichtigste Ort für Datentransfer und -speicherung sein. Green IT ist dann unabdingbar, aber leider ist in gleichem Maße der Anteil des Greenwashings gestiegen. Sprachsteuerung ist in fünf Jahren immer noch unpraktisch. Man denke nur an die Menschen im ÖPNV, die in ihr Smartphone sprech-schreien. Das kann im Office niemand wollen. Virtual und Augmented Reality erhalten durch das Metaverse einen gewaltigen Akzeptanzschub. Ob sie sich deshalb durchsetzen, lässt sich nicht wirklich voraussagen. Die Chancen sind aber deutlich höher, als sie es noch 2017 waren. Das papierlose Büro wird realer, braucht aber noch bis 2035. Kabellose Energieversorgung und Appsteuerung sind Nice-to-haves und deshalb auch in fünf Jahren kein übergroßes Thema. Für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation im Office sind Tablets unpraktisch, außerdem sind aktuelle Notebooks kaum noch größer und schwerer – und sie haben eine Tastatur. Deshalb werden Tablets im Business-Umfeld 2027 keine große Rolle mehr spielen.“
Gerrit Krämer,
Redakteur OFFICE ROXX
Vor der Pandemie undenkbar, jetzt normal: Die Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und -zeit wird weiter zunehmen, wie schon eine Bitkom-Studie Anfang des Jahres gezeigt hat. Das hat Einfluss auf zukünftige Arbeitsweisen und die Unternehmens-IT. SaaS- oder DaaS-Lösungen werden weitverbreitet sein, um orts- und zeitunabhängiges Arbeiten zu ermöglichen. Die Cloud wird 2027 größtenteils zum Standard. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Kosten. Büroflächen werden kleiner und smarter. Vernetzte Desk- Sharing-Lösungen in Kombination mit KI-gesteuerten Arbeitsplatzsystemen werden vielfach zu finden sein. Verkabelungen für PCs, Notebooks, Monitore und anderes Equipment werden mehr und mehr durch neue Bluetooth-Standards ersetzt. Strom dagegen kommt weiterhin aus der Steckdose – per Kabel. Meetings finden trotz derzeitiger Prognosen immer öfter in virtuellen Räumen resp. dem Metaversum statt. Flexibilität ist auch hier gefragt, ganz im Sinne von Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Kosteneinsparungen. Und bei einem bin ich mir ziemlich sicher: Passwörter gehören 2027 der Vergangenheit an. Biometrische Log-ins sind dann die Norm.“
Christian Marx,
Redakteur OFFICE ROXX
Büroarbeit und mobiles Arbeiten werden in fünf Jahren gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Die allermeisten Unternehmen in Deutschland werden 2027 daher ihre Daten vollständig in der Cloud speichern. Virtual und Augmented Reality werden in Architektur- und Ingenieurbüros nahezu Standard sein. Im Rest der Office-Welt werden sie sich noch nicht durchgesetzt haben, auch wenn sie mit der Weiterentwicklung des Metaversums vermehrt für Meetings genutzt werden. Das meistgenutzte Kommunikationsmittel wird auch 2027 noch die E-Mail sein. Als schwer übertreffbarer Nachfolger des jahrtausendealten Mediums Brief wird sie die Büroarbeit noch Jahrzehnte begleiten. Ausgedruckt werden E-Mails in fünf Jahren jedoch so gut wie gar nicht mehr. Im Zuge des Nachhaltigkeitstrends und papierloser Prozesse wird der Papierverbrauch im Büro um 40 Prozent abgenommen haben. Diese Entwicklung zeichnet sich jetzt schon ab: In einer Bitkom-Studie erklärte zuletzt erstmals mehr als die Hälfte der Unternehmen, dass weniger ausgedruckt wird als noch vor einem Jahr. Die 1973 geborene Vision vom papierlosen Büro wird jedoch nicht vor 2060 Realität.“
Paul Svihalek,
Redakteur OFFICE ROXX
Für 2027 gehe ich vor allem davon aus, dass das Smart Office wesentlich energieeffizienter sein wird. Vor allem müssen die Rechenzentren auf den Prüfstand bzw. der Energieverbrauch von Onlineanwendungen wie Blockchain und Metaversum. Büros, egal wo, werden noch papierärmer, aber weiterhin nur selten papierlos sein. Gründe dafür sind das steigende ökologische Bewusstsein, E-Invoice und E-Sign sowie der steigende Papierpreis. Daten und Software lagern fast nur noch in der Cloud. Viele werden ihr ANC-Headset kaum noch absetzen. Dafür werden nur selten VR- oder AR-Brillen getragen und nur wenige haben ihr Büro dann hauptsächlich im Metaversum. Wir werden mehr Videocalls als Telefonate führen. Dennoch bleibt die E-Mail der häufigste Kommunikationsweg, auch wenn dann zunehmend Sprach- und Videonachrichten mit ihnen versendet werden. Tablets sind nur noch ein Zusatzfeature von 2-in-1-Notebooks. Monitore werden größer und krummer sein, werden aber nicht „betatscht“. Tastatur und Maus sind dann leiser. Die Funktion „Sprache zu Text“ wird weitaus häufiger genutzt. Arbeitsplätze müssen zunehmend per App gebucht und eingestellt werden.“
Robert Nehring,
Chefredakteur OFFICE ROXX